Der Supermarkt, der verkauft, was andere wegwerfen

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SirPlus hat ein einmaliges Verkaufsmodell, das gut für die Umwelt und für die Kunden sein soll

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Von Michaela Cavanagh (freie Autorin)

Stellen Sie sich vor, Sie spazieren auf einer der großen Einkaufspassagen im Berliner Stadtteil Charlottenburg und kommen an einem Supermarkt namens SirPlus vorbei. Hohe Regale mit frischen Waren stehen an den Wänden. Sie nehmen sich ein paar Produkte und gehen zur Kasse – wo Sie sehr viel weniger zahlen als in Ihrer üblichen Supermarktkette. Was ist der Punkt an der Sache?

Glückwunsch: Sie haben Ihr Abendessen gerade abgefangen, bevor es im Müllcontainer gelandet wäre. Das ist das Konzept, das hinter SirPlus steht: Der Laden kauft überschüssige Lebensmittel aus Supermärkten auf, die sonst weggeworfen worden wären, und verkauft sie mit deutlichem Rabatt weiter – zwischen 30 und 70 Prozent unter Normalpreis.

Raphael Fellmer ist einer der drei Freunde – neben Martin Schott und Alexander Piutti – die SirPlus mit einer 100.000-Euro-Crowdfunding-Kampagne gründeten, und mit einem beträchtlichen Darlehen eines Business Angels. “Es ist eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten”, sagt Fellmer. “Die Lebensmittel, die wir retten, würden die Unternehmen normalerweise Geld bei der Entsorgung kosten. Damit sparen wir den Unternehmen Entsorgungskosten ein. Es ist auch eine ethische Entscheidung für sie zu sagen, ‘selbst wenn wir das nicht mehr verkaufen können, ist es immer noch essbar. Und wir wollen sicher sein, dass es gegessen wird.’ “

SirPlus, sagt er, sei die natürliche Fortführung der Foodsharing-Bewegung. Die Graswurzelbewegung bringt einzelne Freiwillige mit kleinen Läden in Verbindung, die überschüssige Lebensmittel loswerden wollen. “Foodsharing war so eine Art Nische für Leute, die die Zeit haben, zu den Supermärkten zu gehen, die schlechten Lebensmittel auszusortieren, die guten zu retten und zu teilen”, erzählt er. “Jetzt wollen wir das Foodsharing zum Mainstream machen. Wir geben jedem – Verbrauchern, Geschäften, Lieferanten, die Möglichkeit, zusammenzuarbeiten, um den Müll an Lebensmitteln zu verringern.”

Zu den größten Partnern von SirPlus gehört METRO, einer der größten Handelskonzerne Deutschlands. “Wir sehen SirPlus mehr als komplementäres Geschäft, das eine andere Kundengruppe bedient mit anderen Ansprüchen, als wir das tun”, sagt Guido Mischok, ein Regionalmanager bei METRO. “Die Verringerung von Lebensmittelmüll in der Wertschöpfungskette ist eines unserer Unternehmensziele. Unser Ziel ist, diesen Müll in unserem eigenen Betrieb bis 2025 zu halbieren.”

Normalerweise werden überschüssige Lebensmittel von METRO zuerst an gemeinnützige Lebensmitteltafeln wie Deutschlands “Tafel” weitergegeben. SirPlus kauft die Lebensmittel, die aus bestimmten Gründen und in spezifischen Fällen nicht an traditionelle Tafeln verschenkt werden, auf. “Das umfasst Restware, Haltbarkeitsdaten, ungeeignete Mengen für den privaten Verbrauch, oder einfach, dass die Tafel nicht die Kapazität hat, noch mehr Lebensmittel anzunehmen”, erklärt Mischok. SirPlus betreibt sein eigenes Kühlfahrzeug und ist in der Lage, bei zwei METRO-Filialen in Berlin zweimal pro Tag Lebensmittel abzunehmen, sechs Tage die Woche.

Das Problem der Lebensmittelverschwendung ist nicht neu, aber es nimmt zu: Der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation zufolge ist bis zu ein Drittel aller Lebensmittelerzeugnisse verdorben oder weggeworfen, bevor es konsumiert werden könnte. In der EU werden jährlich rund 88 Mio. Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Damit gehen Kosten von rund 143 Mrd. Euro einher. “Wenn Lebensmittelmüll ein Land wäre, wäre er der drittgrößte CO2-Verursacher in der Welt nach China und den USA”, sagt Fellmer.

Stephanie Wunder, Senior Fellow am Ecologic Institute EU, meint, dass Unternehmen wie SirPlus zwar gut dafür seien, das Bewusstsein für die Lebensmittelverschwendung zu schärfen. Doch sie gingen nicht die Wurzel des Problems an: “Initiativen wie SirPlus setzen am Ende der Lebenmittellieferkette an – Regierungen und Handelskonzerne zahlen nichts für solche Initiativen. Es ist einfach für einen Handelskonzern, sein Zeug wegzugeben. Der Einzelhandel könnte das verkaufen, aber das ist zeit- und kostenintensiv, also löst SirPlus das Problem gratis.”

Doch bis die Handelskonzerne die Verantwortung für Lebensmittelverschwendung in die eigenen Hände nehmen, ist die Zukunft von SirPlus rosig. Fellmer, Schott und Piutti halten SirPlus für eine ausbaufähige Lösung, um das Problem in den Griff zu bekommen. Das Team sucht nach einem weiteren Darlehen eines Business Angels, um neue Läden eröffnen zu können und im nächsten Jahr ein Franchise-System aufzubauen. Fellmer meint, es seien Lösungen wie diese, “die das Foodsharing wirklich skalierbar machen.”

Von Michaela Cavanagh
Übersetzt aus dem Englischen

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