Ende eines Mythos? Schweizer Tariq Ramadan (55) bleibt in Haft

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Von Kirsten Ripper mit AFP
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Der Schweizer Islamforscher Tariq Ramadan bleibt in Frankreich in Haft. Die Pariser Justiz hat wegen der Vergewaltigungsvorwürfe von zwei Frauen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

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In Frankreich hat die Justiz ein Ermittlungsverfahren gegen den Schweizer Islamwissenschaftler Tariq Ramadan wegen Vergewaltigung eingeleitet - und der 55-Jährige bleibt in Haft. Ramadan weist die Anschuldigungen der beiden Frauen zurück.

Doch offenbar hält die franzöische Justiz die Aussagen gegen den Islamforscher für glaubwürdig. In einer Gegenüberstellungen von drei Stunden hat eine 42-Jährige, die sagt, dass Ramadan sie 2009 in einem Hotel in Lyon sexuell angegriffen habe, eine 3 Zentimeter lange Narbe Ramadans beschrieben. Der Islamforscher gibt laut der französischen Presse zu, dass er diese Narbe auf dem Unterleib hat. Er bestätigt auch, dass er die zum Islam konvertierte Frau getroffen hat, aber die Begegnung habe nur eine halbe Stunde gedauert - und Ramadan bestreitet jeglichen sexuellen Angriff. Er hat sich auch geweigert, das Polizeiprotokoll der Gegenüberstellung zu unterschreiben.

Die beiden Frauen, die ihn in Frankreich anklagen, gehörten zu den muslimischen Anhängerinnen von Tariq Ramadan und hatten lange im Internet mit ihm kommuniziert, bevor sie ihn trafen. Sie standen in seinem Bann und sahen in Ramadan einen Ratgeber. Der Islamforscher war lange Jahre einer der einflussreichen Intellektuellen in Frankreich. Er ist 1962 in Genf geboren. Sein Großvater ist der Gründer der ägyptischen Muslimbruderschaft. Sein Vater, Saïd Ramadan floh in den 50er Jahren aus Ägypten in die Schweiz. Dort ist Tariq Ramadan aufgewachsen. Er hat Literatur und Philosophie studiert und eine Doktorarbeit über seinen Großvater und die Muslimbrüder geschrieben. Später lebte Tariq Ramadan auch mit seiner Familie in Ägypten. Später schrieb er vielbeachtete Bücher über den Islam in nicht-religiösen Gesellschaften und reiste auf Konferenztouren durch Frankreich.

Nach einer dieser Konferenzen über den Islam und Palästina hat die 42-Jährige, die anonym bleiben will, 2009 im Lyoner Hilton Hotel Tariq Ramadan getroffen. Als sie nach dem sexuellen Angriff Anzeige wegen Vergewaltigung gegen ihn erstatten wollte, hätten sich die Polizisten ein bisschen über sie lustig gemacht, wie sie der französischen Ausgabe von Vanity Fair erzählt. Heute könne sie das verstehen, sie habe sicher verrückt gewirkt, als sie den eleganten Intellektuellen, der bei TV-Auftritten Armani-Anzüge trägt, der Vergewaltigung bezichtigte. Die Frau, die unter einer Gehbehinderung leidet und eine Krücke zum Gehen braucht, sei Ramadan auf sein Hotelzimmer gefolgt, weil viele sie in der Hotelbar beobachtet hätten. Der Islamforscher, der für viele damals eine Art Guru war, habe gesagt, er müsse auch telefonieren. An diesem Abend hätten viele Ramadan angerufen, um seine Reaktion auf den Friedensnobelpreis für Barack Obama zu erfahren. Sie habe sich wegen ihrer Gehbehinderung nicht wehren können, als sich Ramadan dann plötzlich auf sie stürzte. Die Frau leidet noch heute unter dem, was sie beschreibt. Ramadan habe sie beschmutzt, sie sei für immer die, auf die man uriniert habe. Jahrelang habe sie sich dafür geschämt. Die Frau hat eine Woche nach Henda Ayari Anzeige gegen Tariq Ramadan erstattet.

Die Schriftstellerin Henda Ayari erklärt, sie und ihre Familie seien von Ramadan und seinen Anhängern bedroht worden, als sie ankündigte, dass sie gegen ihn klagen wollte. Sie lehnt eine Gegenüberstellung mit dem Islamwissenschaftler ab. Aber sie spricht in einem Video über die "schlimmste Nacht ihres Lebens", in der Ramadan sie vergewaltigt habe. Damals - 2009 - habe sie ihren Schleier abgelegt, weil sie auf Arbeitssuche gewesen sein. LE PARISIEN zitiert Henda Ayari über Ramadan mit den Worten "entweder man ist verschleiert oder man wird vergewaltigt". Henda Ayari hat sich inzwischen vom Salafismus losgesagt.

In der Zeitung LE PARISIEN erklärt der Soziologe und Islam-Experte Omero Marongiu-Perria, dass der Schweizer Islamwissenschaftler mehr und mehr Anhänger verliere, seine Tweets würden schon seit geraumer Zeit weniger von anderen weitergeleitet. Der "Mythos Tariq Ramadan" breche zusammen, auch wenn einige seiner Fans weiterhin hinter dessen These vom Komplott gegen ihn stünden.

Im vergangenen Jahr hat die Universität Oxford den Islamwissenschaftler beurlaubt. Auch in der Schweiz haben im Herbst 2017 Frauen von sexuellen Angriffen durch Tariq Ramadan berichtet. Die Vergewaltigungsvorwürfe gegen Ramadan machen jetzt wieder international Schlagzeilen.

Weitere Quellen • Le Parisien, Vanity Fair

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