Über 5 000 ungezählte zivile Opfer bei Luftangriffen der Anti-IS-Koalition?

Über 5 000 ungezählte zivile Opfer bei Luftangriffen der Anti-IS-Koalition?
Von Alice Cuddy & Marie Jamet mit dpa, reuters
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Die Zahl der zivilen Opfer bei Luftangriffen der von den USA angeführten Anti-IS-Koalition im Irak und in Syrien soll um einiges höher sein, als offiziell angegeben - das berichtet die Journalisteninitiative Airwars.

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Über 5 000 Zivilisten sollen bei Luftangriffen der von den USA angeführten Anti-IS-Koalition im Irak und in Syrien getötet worden sein, wie die Zahlen aus jüngsten Daten der Journalisteninitiative Airwars vermuten lassen. Das wäre um einiges höher, als die offiziellen Zahlen es vorgeben.

"Airwars schätzt derzeit, dass mindestens 6136 bis 9315 Zivilisten (seit 2014 und bis Mitte Februar 2018) bei diesen Angriffen ums Leben gekommen sind", so der Monitor, der aus investigativen Journalisten und Forschern besteht.

Das US-geführte Bündnis aus westlichen und regionalen Mächten startete 2014 eine Kampagne von Luftangriffen in den beiden Ländern, um die sogenannte Terrormiliz "Islamischer Staat" zu "zerstören". Zu der Koalition gehören unter anderem Großbritannien, Frankreich, Deutschland und die Niederlande sowie Golfstaaten.

Während der Operation "Inherent Resolve", wurden auch Positionen von Truppen, die den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad unterstützen, angegriffen.

Ein Zeitraffer: Luftangriffe der US-geführten Koalition seit August 2014.

Unter den Opfern sollen laut Airwars auch Hunderte Kinder sein.

Mindestzahl der zivilen Opfer seit 2014.

Diese Zahlen sind sehr weit von den "offiziellen" Angaben der Koalition entfernt. Laut deren letztem Bericht vom vergangenen Freitag, sollen während der Operation mindestens 841 Zivilisten getötet worden sein. Die Koalition sagt, sie habe zwischen August 2014 und Januar 2018 rund 29000 Luftangriffe geflogen - allein im Januar sollen in den Gebieten 287 Bombardierungen durchgeführt worden sein.

Gesamtzahl der von der Koalition durchgeführten Luftangriffe seit 2014.

Airwars sammelt seine Daten mithilfe von Aufnahmen und Berichten lokaler und internationaler Medien, sowie mit Angaben von Hilfsorganisationen, der Überwachung von sozialen Medien und Aussagen von Augenzeugen vor Ort. Außerdem überprüft die britische Gruppe auch Behauptungen von terroristischen Organisationen.

Die Opfer werden als "bestätigt" eingestuft, wenn es mindestens zwei oder mehr glaubwürdige Berichte gibt und wenn die Koalition bestätigt hat, einen Bombenanschlag an dem Ort durchgeführt zu haben.

Der leitende Journalist der Initiative, Chris Woods, sagte Euronews, dass die Diskrepanz zwischen den Zahlen nicht darauf zurückzuführen ist, wie Airwars ihre Daten sammelt - sondern auf „die Art und Weise, wie die Koalition sie nicht sammelt.“

"Ein wesentlicher Grund für die Kluft in den Zahlen ist, dass zumindest die Hälfte der Behauptungen noch  von der Koalition eingeordnet werden muss", meint Woods.

Als Euronews die Koalition kontaktiert hat, wies sie diese Anschuldigungen zurück. Sie behauptet, "alle Fälle mit möglichen zivilen Opfern" detailliert auszuwerten. "Wir sehen es als unsere Verantwortung, offen und transparent mit den Fällen von zivilen Opfern umzugehen. Wir veröffentlichen unsere Ergebnisse regelmäßig", sagte ein Sprecher.

Arshin Adib-Moghaddam, ein Professor für internationale Studien an der Londoner SOAS-Universität ist spezialisiert auf die Beziehungen zwischen dem Westen und der muslimischen Welt. Ihm zufolge kommt es in solchen Fällen oft vor, dass offizielle Zahlen geringer sind als die von unabhängigen Beobachtern.  Die Koalition "wird versuchen, alle Verluste herunterzuspielen, für die unsere Armeen verantwortlich sind", so der Experte.

Adib-Moghaddam ist der Ansicht, dass die westliche Militäroperation in Syrien und im Irak eine bereits chaotische Situation noch "verschärfte". Die Niederlage des "IS" sei nicht das Ergebnis irgendeiner US-geführten Militäroffensive.

Weitere Quellen • Airwars

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