Goldene Palme geht nach Japan

Jury-Chefin Cate Blanchett mit dem Preisträger
Jury-Chefin Cate Blanchett mit dem Preisträger Copyright REUTERS/Eric Gaillard
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Von Euronews
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Der Abend der Preisverleihung hatte am Samstag mit einem Paukenschlag begonnen: die Affaire Weinstein ließ Filmemacher und Schauspieler auch an der Côte d'Azur nicht los.

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Applaus brandete auf, als der Gewinner der Goldenen Palme auf die Bühne gebeten wurde. Der Japaner Kore-Eda Hirokazu hat am Samstag mit "Shoplifters" den Hauptpreis der Filmfestspiele von Cannes abgeräumt. Hirokazu erzählt von einer Patchwork-Familie am Rand der Gesellschaft. Der 55-Jährige inszeniert sein Werk zu einer stillen und subtilen Sozialkritik und liefert so ein emotionales Plädoyer für mehr Toleranz und Zusammenhalt.

"Es ist wunderbar, den Preis mit nach Japan zu meinem Team zu nehmen. Als ich hörte, dass wir die Golden Palme bekommen, war ich verblüfft. Jetzt muss ich wieder auf den Boden der Tatsachen kommen - und weiter all mein Herzblut in die Arbeit als Filmemacher legen. Um Filme zu machen, die Integrität vermitteln", so Hirokazu nach der Preisverleihung. 

Erschütternder Start in die Preisverleihung

Der Abend hatte mit einem Statement der italienischen Schauspielerin Asia Argento begonnen. "1997 wurde ich von Harvey Weinstein hier in Cannes vergewaltigt." Im Saal herrschte zunächst absolute Stille, später gab es Beifall. Argento kündigte an, auch noch Diejenigen enttarnen zu wollen, die noch nicht öffentlich als übergriffig oder gewalttätig benannt worden seien.  

Belle Donati war für euronews in Cannes vor Ort und hat die Stimmung auf dem Festival eingefangen: "Es schien ausgemacht, dass es eine politisch aufgeladene Goldene Palme werden würde, zumal mit der von einer Frau geführten Jury und der Geschlechterdebatte in der Luft. Letztlich hat das Team um Cate Blanchett aber eine politische Entscheidung umschifft - denn mit der Vergabe der Palme nach Japan honoriert sie vor allem ein fantastisches vergangenes Jahr für das asiatische Kino."

Zweiter Platz für Spike Lee

Auch der US-Amerikaner Spike Lee setzte sich durch und holte den sogennanten Großen Preis, die zweithöchste Auszeichnung des Festivals. Sein Film "BlacKkKlansman" basiert auf einer wahren Geschichte: Ende der 70er Jahre schleusten sich ein schwarzer und ein jüdischer Polizist beim rassistischen Ku-Klux-Klan ein. Lee, der sich für die Rechte der Afro-Amerikaner einsetzt, zieht dabei eindeutige Parallelen zur aktuellen US-Politik und gesellschaftlichen Missständen.

Der dritte Preis ging an die aus dem Libanon stammende Regisseurin Nadine Labaki, früher selbst Schauspielerin und Macherin des Festivalbeitrags "Capharnaum", der in Beiruts ärmsten Armenviertel spielt. Labaki ließ Bewohner des Slums, vor allem Kinder, in ihrem Film sich selbst spielen, was in Cannes ausdrücklich gelobt wurde. Labaki im Interview: "Diese Anerkennung wird unserem Film hoffentlich zu mehr Resonanz verhelfen. Ist es naiv zu fragen, ob dieser Film nicht vielleicht doch etwas verändern kann? Ich weiß es nicht, aber es reicht mir schon, wenn er zur Debatte beiträgt."

Beste Schauspielerin kommt aus Kasachstan

Als beste Schauspielerin wurde die Kasachin Samal Yeslyamova ausgezeichnet, für ihre kraftvolle Darstellung in Sergey Dvortsevoys "Ayka".

"Ich war so glücklich über die Arbeit mit diesem Regisseur. Diesen Preis habe ich nur ihm zu verdanken", so Samal Yeslyamova."

Ihr italienischer Kollege Marcello Fonte bekam die Palme für die beste männliche Darstellung. In Matteo Garrones Film "Dogman" spielt er einen Hundefriseur, der in eine Spirale der Kriminalität gezogen wird. Marcello Fonte: "Ich fühle, dass alles, was ich bisher getan und erarbeitet habe mit diesem Preis anerkannt wird. Ich habe mir immer Sorgen gemacht, aber diese Auszeichnung ist der Beweis, dass ich auf dem richtigen Weg bin."

Über den roten Teppich der 71. Filmfestspiele flanierten in diesem Jahr seltsam wenige der sogenannten internationalen Stars. Umso mehr überraschte der Wettbewerb mit fast durchweg guten und teilweise sehr starken Filmen - von denen sich viele den vermeintlich Schwachen widmeten.

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