Mit der Kippa unterwegs in Frankfurt - vom Frühstück bis zum Feierabend

Mit der Kippa unterwegs in Frankfurt - vom Frühstück bis zum Feierabend
Von Hans von der Brelie
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Gesicht zeigen, Kippa tragen. Hört sich erst einmal gut an. Aber ist es auch wirklich eine gute Idee?

Gesicht zeigen, Kippa tragen. Hört sich erst einmal gut an. Aber ist es auch wirklich eine gute Idee? Nach mehreren antisemitischen Zwischenfällen in jüngster Zeit hatten einige Städte Deutschlands Initiativen ergriffen und zu "Kippa-Demonstrationen" aufgerufen, beispielsweise Frankfurt am Main (zuvor auch schon Berlin). Das Besondere der Frankfurter Idee: Bürgermeister Uwe Becker hatte den Frankfurtern (egal welchen Glaubens) vorgeschlagen, die Kippa nicht einfach nur während einer kurzen öffentlichen Demonstration aufzuziehen und damit Solidarität mit jüdischen Mitbürgern zu demonstrieren, sondern die Kippa einen ganzen Tag lang zu tragen. Mit der Kippa im Alltag unterwegs, vom Frühstück bis zum Feierabend - ist das nun eine gute oder eine schlechte Idee? Euronews-Reporter Hans von der Brelie hörte sich während des Frankfurter "Kippa-Tags" in Frankfurt um, sowohl bei solchen Frankfurtern, die an diesem Tag ohne Kippa durch die Stadt liefen, wie auch bei solchen, die mitmachten bei der Solidaritätsaktion und sich mit Kippa am Arbeitsplatz oder in der Fußgängerzone zeigten.

Harald (am Frankfurter Kippatag ohne Kippa unterwegs):

"Ich finde das eine gute Idee. Aber ich finde, das ist auch ein Armutszeugnis, dass so eine Aktion (wie der Frankfurter Kippatag) überhaupt notwendig ist in Deutschland. Jeder sollte seine Kippa oder zur Not auch seinen Halbmond oder sein Kreuz überall offen tragen können."

Reinhold (am Frankfurter Kippatag ohne Kippa unterwegs):

"Es ist heute der siebzigste Jahrestag der Gründung Israels. Ich empfinde das (den Kippatag, Anmerkung der Redaktion) als eine Identifikation mit einem Staat, mit dem ich mich nicht identifizieren möchte. Die Kippa ist ja ein religiöses Zeichen und es geht ja auch um die (israelische) Staatsgründung, um einen Staat, der sich dort in einer Weise aufführt, die ich nicht akzeptieren kann."

Thomas (am Frankfurter Kippatag mit Kippa unterwegs):

"Ich denke, es geht auch um Israel. Israel ist ein Kind Europas und das müssen wir auch zeigen. Wir stehen ein für das Judentum, das ja in Frankfurt am Main seit Jahrhunderten ansässig ist. Man soll sich nicht verstecken in schwierigen Zeiten."

Kurt (am Frankfurter Kippatag ohne Kippa unterwegs):

"Also grundsätzlich ist das eine gute Idee. Ich wüsste nicht, was dagegen sprechen soll, es sei denn, man hätte was gegen den jüdischen Staat, aber das jüdische Volk ist lieb und nett und freundlich, so wie jedes andere Volk auch. Ok, bei dem jüdischen Staat (Israel) könnte man schon die eine oder andere Kritik anbringen."

Karoline (am Frankfurter Kippatag mit Kippa unterwegs):

"Ich bin Katholikin, aber ich finde es wichtig, dass man Juden unterstützt und ein Zeichen setzt, um dem wachsenden Antisemitismus entgegenzutreten, weil ich es einfach Schade finde, dass sich Juden in Deutschland nicht mehr frei zum Judentum bekennen können und dass sie Angst haben, auf die Straße zu gehen mit einer Kippa auf dem Kopf. Das finde ich sehr, sehr Schade."

Otto (am Frankfurter Kippatag ohne Kippa unterwegs):

"Ich? Nie im Leben trage ich das Ding (die Kippa) da. Nie im Leben. Ich bin Christ. Wenn die (anderen) das tragen wollen, sollen sie es tragen. Ich habe nichts dagegen. Aber ich bin Christ, bin modern eingestellt."

Christopher (mit Kippa unterwegs):

"Ich bin auch gläubig, Christ. Ich finde das wichtig, dass man für Glaubensfreiheit auf die Straße geht, weil wir wollen ja alle an unseren Gott glauben. Und so sollen es auch die Juden tun dürfen. Das ist meine Überzeugung. Meinungsfreiheit, Glaubensfreiheit - dafür stehe ich ein."

Helena (mit Kippa und Halskreuz unterwegs):

"Ja, generell wegen Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit. Ich trage ja auch das Kreuz (als Halskette). Ich selber bin Christin. Ich finde es wichtig für die Religion, dass halt jeder die Religion ausleben kann. Das ist jetzt nicht primär für das Judentum, sondern generell. Ich würde jetzt auch für das (muslimische) Kopftuch oder auch für das (christliche) Kreuz genauso einstehen."

Elke (ohne Kippa unterwegs am Kippatag):

"Ich denke, die Kippa sollte denen zugestanden werden und auf die beschränkt bleiben, die jüdischen Glaubens sind. Sonst nimmt das Maße an, wie so ein Karnevalshütchen. Ich denke, sowas gehört sich nicht."

Sabine (sitzt ohne Kippa neben Elke auf einer Bank in der Fußgängerzone):

"Das sehe ich absolut ähnlich. Es gibt ja verschiedenste religiöse Minderheiten und ich verstehe zwar die Idee des Bürgermeisters (von dem die Initiative des Kippa-Tages ausging), dass er damit Toleranz demonstrieren möchte. Aber eigentlich müsste man das mit allen anderen Minderheiten auch tun."

Martin (mit Kippa vor dem Frankfurter Römer unterwegs):

"Es ist wichtig, ein Zeichen zu setzen gegen Antisemitismus, ganz egal wo. Es ist sicher ein Zeichen dafür, dass man füreinander einsteht. Auch als Nichtjude. Ich selber bin kein Jude, ich bin Atheist. Aber auch Nichtjuden und Atheisten können sich solidarisieren mit jüdischen Mitbürgern, die angegriffen werden. Es ist im Moment ja so, dass immer mehr Nazis und Braune und Intolerante aus ihren Löchern kommen. Dagegen muss man was tun."

Alicia (ohne Kippa unterwegs):

"Ich finde das definitiv auch eine gute Idee, weil es in Deutschland im Moment ja gerade in die Gegenrichtung geht. Ich finde, dass man ein Zeichen setzen sollte, dass man mit den Leuten steht und nicht gegen sie ist. Man sollte ein Zeichen setzen."

Lutz (mit Kippa vor dem Frankfurter Rathaus unterwegs):

"Ich fühle mich (mit Kippa auf dem Kopf) so, nun ja, sichtbar. Es gab keine negative Reaktionen der Passanten oder so etwas. Aber es ist für mich gar nicht so einfach. Das hätte ich nicht gedacht. Weil meine Familie in der Vergangenheit betroffen war und Deutschland verlassen musste, mein Großvater (während der Nazi-Zeit). Ich selber bin nicht religiös, aber das hat mich schon geprägt und ich möchte in einem toleranten Land leben."

Christian (ist mit Kippa zur Arbeit gegangen):

"Ich habe die Kippa heute morgen aufgezogen, als ich das Haus verlassen habe und zur U-Bahn gegangen bin um zur Arbeit zu fahren. Ich hatte den ganzen Tag lang die Kippa auf. Ich habe auch schon immer so geguckt, ob die Leute das bemerken und irgendwie reagieren, positiv oder negativ. Ehrlich gesagt habe ich keine Resonanz erfahren. Die Leute waren liberal und tolerant."

Frank (als Atheist am Kippatag mit Kippa unterwegs):

"Ja, das war interessant. Ich habe schon Leute gesehen, die einfach nur so geguckt haben, nach dem Motto: häh, was soll das jetzt sein? Aber auch viele andere, die davon wussten und gesagt haben: Ey, super, das finde ich Klasse. Einen habe ich getroffen, der hat erzählt, dass er im Radio davon gehört hatte und noch versucht hatte über das Internet eine Kippa zu bestellen, die kam aber nicht mehr rechtzeitig (zum Kippatag) an."

Manfred (kein Kippaträger):

"Das muss man nicht extra tragen. Nach meiner Meinung sollte jeder so rumlaufen, wie er immer rumläuft. Dasselbe beim Thema (muslimisches) Kopftuch."

Ulrike (am Kippatag mit Kippa unterwegs):

"Das ist mir ein Anliegen, für Juden auf die Straße zu gehen, denn insbesondere in Frankfurt am Main ist noch gar keiner bis jetzt auf die Straße gegangen. Und wenn man sieht, dass Gewalttaten gegenüber jüdischgläubigen Menschen passieren, dann müssen die anderen einfach auch mal aufstehen und Gesicht zeigen. Ich bin mit Juden aufgewachsen, in der Schule, und insofern liegt mir die Sache am Herzen und deshalb bin ich hier, um Gesicht zu zeigen. 1933 hätten wir auch mehr Gesicht zeigen sollen... dann wäre vielleicht Einiges nicht passiert... Und deswegen finde ich das wichtig, dass heute ein Zeichen gesetzt wird. Da kommt ja immer die Kritik auf, dass das nur ein einziger Tag sei. Aber ich sage, irgendwo muss es ja anfangen mit dem Gesicht zeigen. Ich finde es deswegen ok, dass die Veranstaltung heute hier stattfindet."

Andrea (mit Kippa unterwegs):

"Erst einmal hatte ich schon ein bisschen Angst, die (Kippa in der Öffentlichkeit) aufzuziehen hier in Frankfurt. Ich habe die selber gehäkelt, aus Sympatie für meinen Schwiegersohn. Nun, und dann zeigen wir heute Gesicht in Frankfurt."

Michael (mit Kippa unterwegs vor dem Römer):

"Als Katholik und Jesuitenzögling finde ich das einfach zum Spucken, dass man auf der jüdischen Religion herumhackt und dann noch das Wort Rasse dranhängt. Aber als Katholik ist mir das sehr wichtig, wir haben hier eine Geschichte hinter uns gebracht in Deutschland durch die Hitlerei... Allein hier in Frankfurt am Main wurden über 30.000 jüdische Mitbürger und Mitbürgerinnen ermordet worden. Gute Leute. Richtig gute Leute."

Aitak (am Kippatag ohne Kippa unterwegs):

"Ich bin persönlich dafür, dass man sich mit den Menschen, die unterdrückt werden, mit den Menschen, die entrechtet werden, die angegriffen werden, solidarisiert. Das können nur die Menschen tun. Und das kann sich nicht widersprechen, sozusagen. In dem Moment, wo jemand, der eine Kippa trägt, angegriffen wird, wird sich ein Muslim daneben stellen und ihn verteidigen. Genauso ein Mensch, der keinen Glauben hat, so wie ich. Der wird sich dazwischenstellen und ihn verteidigen. Das Problem ist gar nicht so sehr, dass es keine Solidarität zwischen den Menschen gibt, sondern dass es organisierte Kräfte sind, die eine Spaltung vorantreiben. Die 1000 Menschen, die zum Demonstrieren an den Römer gehen werden um Bürgermeister Beckers Aufruf zu folgen, das sind organisierte Menschen, die repräsentieren nicht die Stadt Frankfurt, die ist viel bunter. Und es wäre natürlich schön, wenn man sich genauso solidarisiert hätte, als die Flüchtlingsheime gebrannt haben und als Flüchtlinge angegriffen wurden - und vor nicht allzu langer Zeit sind auch Moscheen angegriffen worden mit Brandanschlägen und es hat sich keiner solidarisiert, mit gar keiner Geste. Das spaltet die Gesellschaft und man muss sich fragen, warum das so ist. - Wenn man auch da Unterschiede macht und sagt, wenn ein Mensch mit jüdischem Glauben angegriffen wird, da gehen wir alle mit Kippa auf die Straße, aber wenn ein Muslim angegriffen wird, da gucken wir am besten weg... dann macht man ja schon den Unterschied und macht sich nicht glaubwürdig. Das ist das Hauptproblem, das ich sehe. - Vorallem und zuerst sollte man sich um den Rassismus kümmern, der ja derzeit Konjunktur hat in Deutschland und das sind Angriffe auf Muslime, das sind Angriffe auf Flüchtlinge, das sind Angriffe auf Menschen mit schwarzer Hautfarbe."

Mohammed (ohne Kippa in der Frankfurter Fußgängerzone unterwegs):

"Ich finde es eine sehr gute Idee. Gegen Antisemitismus muss man vorgehen - und zwar ganz demonstrativ. Man muss zeigen, dass Antisemitismus und alle Spielarten des Rassismus in so einem Staat, mit so einer multikulturellen Gesellschaft, keine Daseinsberechtigung haben. Das muss nicht sein. In so einer Gesellschaft (wie der unsrigen) sollten alle zusammenleben, egal ob es Semiten sind oder Arier oder sonstige Gruppen. Ich finde (den Kippa-Tag) gut. Die Idee finde ich gut."

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