Syrische Flüchtlinge im Libanon: Leben im Provisorium

Syrische Flüchtlinge im Libanon: Leben im Provisorium
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Von Anelise BorgesSabine Sans
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Eine Reportage von Euronews-Reporterin Anelise Borges.

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Während sich die EU-Mitgliedstaaten darum bemühen, eine Antwort auf das Problem der Migration zu finden, ist der Libanon hautnah mit der Flüchtlingskrise konfrontiert. Im Libanon leben schätzungsweise 1,5 Millionen Syrer. Sie machen heute ein Viertel der Bevölkerung aus. Und - trotz einiger ernster Herausforderungen - ist es dem Land weitgehend gelungen, den Zustrom der Menschen zu bewältigen, die vor Krieg und Gewalt flohen. Jetzt, da Assad seinen Sieg feiert, kehrten erste Syrer zurück. Andere sehen ihre Zukunft im Libanon.

In den vergangenen sieben Jahren hat sich die Bevölkerung in der libanesischen Bekaa-Hochebene mehr als verdoppelt. Schätzungsweise eine halbe Million Syrer überquerten die Grenze, um dem Krieg in ihrer Heimat zu entkommen. Ein Provisorium ist seitdem ihr Zuhause. Einige sind schon so lange hier, dass sie keine Erinnerung mehr an das Land ihrer Geburt haben.

Gemessen an der Einwohnerzahl nahm der Libanon mehr Flüchtlinge auf als jedes andere Land der Welt. Internationale Akteure vor Ort sagen, dass die schwierige Vergangenheit des Landes zumindest ein Grund dafür ist, dass die Libanesen so sehr daran gewöhnt sind, Vertriebenen zu helfen.

"Die Leute sind vorsichtig bei allem, was mit Konflikten zu tun hat. Sie wissen, was ein Konflikt ist. Man versucht, keine roten Linien zu überschreiten. Ich glaube nicht, dass wir in 60 Jahren UNHCR-Geschichte jemals so etwas gesehen haben. Alles in allem denke ich, dass die libanesischen Behörden eine ziemlich gute Arbeit im Umgang mit einer sehr schwierigen Situation geleistet haben, und Lob dafür verdienen", sagt Josep Zapater, Leiter der UNHCR-Dienststelle.

Riyad Sawan, ein ehemaliger stellvertretender Bürgermeister, engagiert sich für die Syrer in der Bekaa-Ebene. Für ihn ist die Aufnahme der Bedürftigen keine Arbeit, sondern eine moralische Verpflichtung:

"Als Mensch fühle ich mit ihnen. Man sieht, wie sie leben, man spürt ihren Schmerz, wenn man sie besucht. Ich komme aus diesem Dorf und heiße sie hier willkommen. Also versuche ich immer, sie zu unterstützen."

Leben im Ungewissen

Aber die Begrüßung war nicht immer freundlich. Houmaid Mohamed floh mit seiner Frau und vier Kindern aus Rakka, nachdem die Bomben zu nah kamen. Er sagt: "Das Leben hier ist wirklich schlecht" Houmaid erzählt von gesundheitlichen Problemen, er findet keine Arbeit. Ohne Geld, um Miete zahlen zu können, schloss sich die Familie anderen Syrern in diesem provisorischen Lager an. Einige sind schon seit Jahren hier. Sie haben aufgegeben, von besseren Tagen jenseits der Grenze zu träumen. "Ich wünsche meinen Kindern eine Zukunft in Syrien, denn dort gehören wir hin", sagt Houmaids Frau.

Rückkehrer stehen vor dem Nichts

Sieben Jahre Krieg vertrieben mehr als die Hälfte der syrischen Bevölkerung. Jetzt hoffen sowohl Flüchtlinge wie auch libanesische Behörden auf ein Ende der Krise. Nach Angaben der UN-Flüchtlingsagentur kehrten in den ersten sechs Monaten dieses Jahres rund 13.000 Syrer aus dem Libanon nach Syrien zurück.

Euronews-Reporterin Anelise Borges: "Nach dem Sieg des Assad-Regimes sind Tausende von Syrer in ihr Land zurückgekehrt. Aber viele Leute hier in diesem Lager sagten uns, dass sie an dem Ort, den sie einst ihr Zuhause nannten, nichts mehr haben."

Sie spricht mit vielen Flüchtlingen: "Ich lebe lieber in diesem Zelt, als zurückzugehen und dort vor dem Nichts zu stehen", meint die Syrerin Mariam Al Omar. Die Gefahren dort überwiegen ihren Wunsch, heimzukehren. Die Mutter dreier Kinder sagt, in Idlib sei ihnen nichts geblieben: "Jemand vor Ort hat unser Haus fotografiert und da ist nichts, nur Sand."

Das Leben als Flüchtling ist nicht einfach. Die überwiegende Mehrheit derer, die gezwungen waren, vor Krieg und Gewalt zu fliehen, will nichts anderes als eine Chance zur Rückkehr. Syrische Flüchtlinge warten seit sieben Jahren darauf. Und viele im Libanon sind nicht bereit, das Wenige zu riskieren, was sie hier gefunden haben, auf dieser Seite der Grenze.

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