Ohne Lebenslauf gleich arbeiten: Firma stellt Bewerber einfach ein

MamaLoes stellt ein, wer sich auf die Liste schreibt.
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Von Lillo Montalto Monella
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Der wohl kürzeste Einstellungsprozess der Welt: Um bei MamaLoes zu arbeiten, muss man seinen Namen einfach nur auf eine Liste schreiben.

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Um bei MamaLoes, einem niederländischen E-Commerce-Unternehmen, zu arbeiten, müssen Bewerber weder einen Lebenslauf noch ein Anschreiben schicken. Es reicht, seinen Namen auf eine Liste zu schreiben und zu warten, bis man angerufen wird.

Die auf Kinderprodukte spezialisierte Firma aus den Niederlanden hat entschieden, die Mitarbeiter durch die sogenannte Open Hiring Methode einzustellen. Das bedeutet: "Wenn Sie arbeiten wollen, beginnen Sie zu arbeiten". Keine Fragen zum beruflichen Werdegang, keine Einstellungsgespräche und keine staatliche Kontrolle.

Konzept aus den USA

Das Konzept kommt von der Greyston Bakery, einer New Yorker Konditorei, die von einem Zen-Meister gegründet wurde und vom buddhistischen Prinzip des "Nicht-Richten" inspiriert ist. Ihr Motto lautet: "Wir stellen nicht für die Herstellung von Brownies ein, sondern wir machen Brownies, um Leute einzustellen".

Das Unternehmen aus der Bronx ist Partner von MamaLoes und der Start Foundation, der niederländischen Stiftung, die für die Durchführung von Pilotprogrammen zum Open Hiring auf der anderen Seite des Ozeans verantwortlich ist.

"Wir wollten etwas Gutes für unsere Gemeinschaft tun. Wir versuchen, jedem eine Chance zu geben, ohne Fragen zu stellen. Sie das tun zu lassen, was sie für gut halten. Ohne nach ihren Namen oder vergangenen Erfahrungen zu urteilen. Wenn sie sagen, dass sie den Job machen können, testen wir sie", sagt MamaLoes-Gründerin Loes de Volder im Gespräch mit Euronews.

Mehr Unternehmen wollen Open Hiring testen

MamaLoes mit Sitz in Tilburg ist das erste Unternehmen in den Niederlanden, das sich dem offiziellen Pilotprogramm angeschlossen hat, um herauszufinden, ob Open Hiring eine Einstellungsmethode ist, die auch auf dem niederländischen Arbeitsmarkt angewendet werden kann. Auch ein Logistikunternehmen mit 75 Mitarbeitern hat sich dem Programm angeschlossen, weitere sollen folgen, wie eine Lederwarenwerkstatt und eine Konditoreikette in Utrecht.

Von den rund 130 MamaLoes-Mitarbeitern sind derzeit acht auf diese Weise beschäftigt. Insgesamt wurden in den vergangenen zehn Jahren des Bestehens des Unternehmens rund 40 Mitarbeiter ohne Lebenslauf und Anschreiben eingestellt.

MamaLoes beschäftigt heute Menschen wie Cormé, 55 Jahre alt: Nachdem sie krank wurde und ihren Job verloren hat, verbrachte sie fünf Jahre erfolglos auf der Suche nach einem Job, bevor sie mit Loes de Volder in Kontakt kam.

Thomas, 37, arbeitet bei MamaLoes und kann sich um seine Tochter kümmern.

Natasja, eine alleinerziehende 47-jährige Mutter, bekam einen Teilzeitvertrag, der ihr anderswo verweigert wurde.

Thomas, 37 Jahre alt, früher Freiberufler in der Musikindustrie, schafft es endlich, seine Arbeitszeiten mit der Betreuung seines neugeborenen Kindes in Einklang zu bringen.

Das sagt die Unternehmenschefin

Loes de Volder erklärt uns die Vor- und Nachteile dieser Art der Direkteinstellung. "Auf der einen Seite sind die Mitarbeiter sehr motiviert, sie sind loyal, sie sind vertrauenswürdig. Viele von ihnen sind seit vielen Jahren hier, wir sind eine große Familie, sie fühlen sich uns verbunden. Andererseits ist es nicht möglich, nur mit der Open-Hiring-Methode zu arbeiten. In der Wachstumsphase brauchten wir ein Management mit spezifischen Fähigkeiten, die diese Menschen nicht unbedingt haben. Jetzt, da das Unternehmen bereits stabil und gut etabliert ist, können wir mit ihnen zusammenarbeiten, aber zuerst war es nicht so einfach.

Auf der MamaLoes-Warteliste stehen nun etwa 100 Namen. 80 Stunden Arbeit sind derzeit zu vergeben. Wenn ein Mitarbeiter befördert wird oder das Unternehmen wechselt, haben die Ersten auf der Liste ihre Chance.

Eine Frage stellt sich: Was ist, wenn sich der angestellte Arbeiter als Krimineller herausstellt?

"Geben wir allen eine Chance", meint de Volder. "Was du gestern warst, bist du heute nicht. Wenn du ein Krimineller bist, ist das kein Problem, solange es deine Arbeit hier bei uns nicht negativ beeinflusst. Wenn sich jemand schlecht benimmt, wird er wie alle anderen gefeuert."

Die New York Times zitiert einige amerikanische Untersuchungen, die zeigen, dass es gerade die Arbeitnehmer mit Eintragungen im Strafregister sind, die die ihnen gebotene Möglichkeit am meisten schätzen, indem sie länger in einem Unternehmen bleiben. Darüber hinaus ergäben sich erhebliche Einsparungen bei den Personalkosten für die Prüfung der Unterlagen der Kandidaten.

"Wenn wir einstellen, führen wir wöchentlich persönliche Interviews und lassen unsere Mitarbeiter von einem Life Coach begleiten", erklärt de Volder. "Wir sprechen mit ihnen darüber, was am besten funktioniert und was sie motiviert, in unserem Unternehmen zu bleiben. Dies ist ein Pilotprojekt für Menschen wie Sie und mich, die es verdienen, eine Chance zu erhalten."

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