Wiedervereinigung: Es gibt Fortschritte und weiterhin Probleme

Die East Side Gallery in Berlin.
Die East Side Gallery in Berlin. Copyright REUTERS/Fabrizio Bensch
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Von Euronews mit dpa
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30 Jahre nach der Wende in Deutschland hinkt der Osten dem Westen wirtschaftlich weiter hinterher, auch wenn es Fortschritte gibt. Der Ostbeauftragte in Berlin warnt davor, die Menschen zu überfordern.

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Drei Jahrzehnte ist der Fall der Berliner Mauer bald her - und die deutsche Regierung sieht deutliche Fortschritte beim wirtschaftlichen Aufholprozess im Osten. Dennoch gibt es weiter große Probleme. Viele Bürger meinten nach wir vor, dass der Osten kollektiv und individuell benachteiligt werde, sagte der Ostbeauftragte der Regierung, Christian Hirte, am Mittwoch in Berlin.

Angesichts einschneidender Umbrüche mit negativen Erfahrungen seit der Wende seien viele Menschen im Osten «veränderungsmüde», sagte er mit Blick auf den digitalen Wandel, den geplanten Kohleausstieg, die Migration und die Globalisierung.

Viele Ostdeutsche fühlten sich nach wie vor als Bürger zweiter Klasse, sagte der Wirtschaftsstaatssekretär. «Wir dürfen sie nicht überfordern. Die Erwartungen an den Staat sind größer als im Westen.»

Hirte stellte den Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit vor. «Die Situation im Osten ist viel besser als ihr Ruf», sagte er. Unterm Strich gebe es eine extrem positive Entwicklung seit der Einheit. «Der ökonomische, soziale und gesellschaftliche Zustand im Osten ist viel besser, als wir uns das vor 30 Jahren alle gemeinsam erwartet und vorgestellt hätten.»

In den vergangenen Jahren habe es noch einmal einen deutlichen Schub bei der Angleichung an den Westen gegeben. Löhne und Renten in den ostdeutschen Ländern seien überproportional gestiegen. Die Arbeitslosigkeit sei gesunken - stattdessen gebe es einen Mangel an Fachkräften. Die verfügbaren Einkommen seien auf einem vergleichbaren Niveau mit dem Westen, weil die Lebenshaltungskosten niedriger seien. Zudem ziehen laut Bericht seit 2017 mehr Menschen aus dem Westen in den Osten als aus dem Osten in den Westen.

Die Unterschiede in der wirtschaftlichen Leistungskraft hängen laut Jahresbericht vor allem mit strukturellen Faktoren zusammen. Dazu zählten die Kleinteiligkeit der ostdeutschen Wirtschaft, eine ländlich geprägte Siedlungsstruktur und ein Mangel an Konzernzentralen großer Unternehmen. Die Gesellschaft sei zudem wegen der Abwanderung vieler junger Leute nach 1989/1990 älter als im Westen.

Strukturschwache Regionen aber müssten mehr gefördert werden. Nicht nur im Zuge des Kohleausstiegs sollten neue Verwaltungen und Behörden vor allem im Osten angesiedelt werden. «Der Staat darf sich nicht großflächig aus ländlichen Regionen zurückziehen», so Hirte. Die Infrastruktur müsse verbessert werden. Es gehe darum, in vertretbarer Zeit einen Arzt zu erreichen, den Nahverkehr zu stärken und schnelles Internet auch in den letzten Winkel zu bringen.

Hirte warnte zudem vor einem «negativen Gründungsmythos». Dass der Osten heute wirtschaftlich schlechter aufgestellt sei als der Westen, liege nicht an der Situation ab 1990 - sondern daran, dass die DDR wirtschaftlich marode gewesen sei. «Ich halte das für einen hanebüchenen Unsinn, dass der Eindruck erweckt wird, der Westen habe ab 1990 quasi den Osten überrannt und ausgebeutet. Natürlich sind im Zuge der Privatisierung auch Unternehmen im Osten unter die Räder gekommen. Ich will gar nicht behaupten, dass wir alles richtig gemacht hätten.»

Unzufriedenheit ist laut Jahresbericht in den neuen Ländern vor allem spürbar, wenn es um politische Fragen geht. So fühlen sich laut einer vor kurzem für die Bundesregierung durchgeführten Umfrage 57 Prozent der Ostdeutschen als Bürger zweiter Klasse. Die Wiedervereinigung halten nur rund 38 Prozent der Befragten im Osten für gelungen.

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