Vor dem Hamburger Landgericht hat am Donnerstag der Prozess gegen den 93-jährigen ehemaligen KZ-Wachmann Bruno D. begonnen. Ihm wird Beihilfe zum Mord an 5.230 Menschen vorgeworfen.
Es könnte das letzte Mal sein, dass sich ein deutscher Holocaust-Helfer vor einem Gericht verantworten muss. Vor dem Hamburger Landgericht hat am Donnerstag der Prozess gegen den 93-jährigen ehemaligen KZ-Wachmann Bruno D. begonnen. Ihm wird Beihilfe zum Mord an 5.230 Menschen vorgeworfen.
Als Wachmann habe er zwischen dem 9. August 1944 und dem 26. April 1945 "die heimtückische und grausame Tötung insbesondere jüdischer Häftlinge unterstützt". Er habe mit einer Waffe Dienst auf den Wachtürmen verrichtet und Arbeitskommandos von Häftlingen bewacht, sagte Oberstaatsanwalt Lars Mahnke. Der Angeklagte habe teilweise bis ins Detail Kenntnis von den Erschießungen gehabt.
Bruno D. war damals 17 und 18 Jahre alt und ist deshalb nach dem Jungendstrafgesetz angeklagt. Er sei im Sommer 1944 zur Wehrmacht eingezogen worden und habe dann, weil er nicht kriegstauglich war, den Marschbefehl nach Stutthof bekommen, sagte sein Verteidiger Stefan Waterkamp. "Er war zu dieser Zeit nicht freiwillig in die SS eingetreten, er hat sich den Dienst im Konzentrationslager nicht ausgesucht."
Die Oberstaatsanwältin Nana Frombach sagte, die Staatsanwaltschaft habe Zweifel an der Darstellung des Anwalts: "Es wird Aufgabe dieses Prozesses sein, herauszufinden, ob es für den Angeklagten eine Alternative gegeben hätte. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, weil uns kein Einzelfall bekannt geworden ist, in dem beispielsweise ein Wachmann, der den Dienst verweigert hätte, selber getötet worden wäre."
Rund 25 Überlebende treten als Nebenkläger auf. Sie kommen aus Polen, Israel, den USA, Australien, Kanada und Litauen.
Mutter und Tochter standen damals in der Schlange, die ins Gas führte, die Mutter starb, die Tochter wurde gerettet - sie ist die Großmutter von Ben Cohen aus New York.
Ben Cohen: "Es ist unsere letzte Chance, jemandem zu hören, der als Wachmann in einem Konzentrationslager war, und zu verstehen, wie jemand dort zu einem Wachmann wurde. Wie war es, dort zu arbeiten? Warum haben sie das getan? Meine Großmutter fragt ständig: "Warum haben sie das getan? Wie konnten sie das tun?"
Zwölf Verhandlungstage sind bis zum 17. Dezember angesetzt. Jeder Prozesstag wird aufgrund des schlechten Gesundheitszustands des Angeklagten nicht länger als zwei Stunden dauern.
Im KZ Stutthof starben rund 65 000 Menschen. Der NDR berichtete, dass es in Deutschland rund 29 offene Verfahren gegen Personen gibt, die der Beteiligung am Holocaust beschuldigt werden