Schüsse auf Kandidatin am hellichten Tag: 230 Morde vor Super-Wahl in Mexiko

Trauerfeier der Kandidatin Alma Barragan in Mexiko
Trauerfeier der Kandidatin Alma Barragan in Mexiko Copyright Armando Solis/Copyright 2021 The Associated Press. All rights reserved
Von Carmen MenéndezEuronews mit AP, dpa
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Bei den Wahlen an diesem Sonntag inmitten der Pandemie werden etwa 20.000 Posten in Mexiko neu besetzt - ein wichtiger Stimmungstest für den sozialdemokratischen Präsidenten.

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Der Wahlkampf für die Super-Wahlen am Sonntag, den 6. Juni, in Mexiko wird von einer beispiellosen Welle der Gewalt überschattet. Es wurden 230 Morde mit politischen Hintergründen registriert, darunter 35 Kandidatinnen und Kandiaten, die sich um eines der 20.000 Ämter beworben hatten, die bei den sogenannten "Makro-Wahlen" vergeben werden. Es finden gleichzeitig Parlaments-, Regional- und Gemeinderatswahlen statt.

Unter den Toten war auch Alma Rosa Barragan, die während einer Kundgebung in Moroleon in der Region Guanajuato, erschossen wurde. Die Mitte-Links-Kandidatin wollte Bürgermeisterin der Stadt Moroleón werden.

Die 61-Jährige wurde bei einer Rede - die von einem Journalisten auf Video festgehalten wurde - von tödlichen Schüssen getroffen. Offenbar gehören die Täter zum organisierten Verbrechen.

Nach Ansicht von Angehörigen der Getöteten kannten die Verbrecher ihr Opfer nicht.

Einem Bericht des Thinktanks International Crisis Group zufolge ist diese Gewalt auf einen Konkurrenzkampf zwischen kriminellen Gruppen um Einfluss auf den Staat zurückzuführen. Die Banden verbünden sich mit Politikern, um von staatlichen Institutionen Schutz und Geld zu bekommen.

Kandidaten aller Couleur lassen sich von kriminellen Gangs die Wahlkampagnen finanzieren.

Der Kampf von Präsident Andrés Manuel López Obrador - genannt AMLO - gegen Korruption und das organisierte Verbrechen steht in der Kritik.

Derzeit seien bis zu 200 Banden in Mexiko aktiv - etwa doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren, betonte Falko Ernst, Mexiko-Experte der International Crisis Group. "Aus krimineller Perspektive heißt das, dass man Gefahr läuft, unterzugehen, wenn die Konkurrenz bessere Beziehungen zu relevanten Politikern und Funktionären und dadurch unter anderem einen besseren Schutz erreicht", sagte er im Gespräch mit dpa.

Wir wissen, dass wir jeden Moment angegriffen werden können

Für viele war es ein Akt des Mutes und der Tapferkeit, auf die Straße zu gehen und Wahlkampf zu machen. Diana Itzel Hernández, Kandidatin für das örtliche Abgeordnetenamt in Chilapa, im Bundesstaat Guerrero, macht keinen einzigen Schritt mehr ohne ihre Leibwächter.

"Es gibt ein großes Risiko. Wir wissen, dass wir jeden Moment angegriffen werden können", sagt sie.

RTVE via EBU
Kandidatin Diana Itzel Hernández braucht PersonenschutzRTVE via EBU

Diana Itzel Hernández hat vor allem bei kleinen Veranstaltungen Wahlkampf geführt, weil sie glaubt, so weniger exponiert und weniger gefährdet zu sein. Sie kandidiert für MORENA, die Partei von Präsident López Obrador in einer der 31 Regionen, die von der Regierung als "Risikogebiete" eingestuft wurden - nicht wegen der Corona-Pandemie, sondern wegen der drohenden Gewalt durch das organisierte Verbrechen.

Zusätzlich zu den Attentaten wurden in dieser Kampagne mehr als 780 Angriffe registriert, darunter Drohungen, Entführungen, Angriffe auf Familienmitglieder, Einschüchterungen.

Doch auch das Coronavirus hat Mexiko schwer getroffen: 228.146 Menschen sind an Covid-19 gestorben. Mittlerweile wird die 7-Tage-Inzidenz nur noch mit 16,4 pro 100.000 Einwohner angegeben.

Für Diana Itzel Hernández war es jedoch nie eine Option, die Kampagne aufzugeben. Sie ist überzeugt, dass es auch anders gehen kann. "Und wenn mein Leben davon abhängt, werde ich es tun, denn ich möchte nicht, dass meine Kinder oder die Gesellschaft so weiterleben", sagt sie.

Journalist • Kirsten Ripper

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