"Sie werden uns steinigen" - afghanische Journalistinnen in Angst

Motorradkarren westlich von Kabul in der Provinz Herat
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Von Lauren Chadwick
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"Die Taliban werden Frauen, Journalist:innen und zivile Aktivist:innen steinigen", sagt eine afghanische Journalistin. Euronews hat mit Journalistinnen in Afghanistan gesprochen.

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Journalistinnen und Aktivistinnen, die sich dafür eingesetzt haben, den Frauen in Afghanistan mehr Gehör zu verschaffen, fürchten um ihr Leben, seit die Taliban nach ihrer Machtübernahme das ganze Land kontrollieren.

Viele Journalistinnen versteckten sich. "Ich bin sehr, sehr traurig, ich weine aus ganzem Herzen um die afghanischen Frauen", sagt eine Journalistin gegenüber Euronews, die anonym bleiben will, weil sie um ihre Sicherheit fürchtet.

Die Taliban werden Frauen, Journalist:innen und zivile Aktivist:innen steinigen.
Afghanische Journalistin

"Afghanische Frauen werden nicht frei sein", sagt sie und, dass Frauen unter den Taliban weder arbeiten noch eine Ausbildung machen könnten. "Die Taliban werden Frauen, Journalist:innen und zivile Aktivist:innen steinigen", so die Reporterin.  

Eine andere junge Journalistin sagte am Dienstag, sie könne nicht aufhören zu arbeiten, weil sie hart gearbeitet habe, um studieren zu können. Also hat sie beschlossen, es zu riskieren und ins Büro zu gehen.

"Ich habe ein langes Kleid, einen großen Schal und eine Maske angezogen. Ich bat meinen Bruder, mich ins Büro zu bringen. Auf dem Weg zum Büro war ich wie betäubt. Ich bin einfach nur gelaufen", sagte sie gegenüber Euronews.

Sie beschreibt den Moment, in dem sie erfuhr, dass die Taliban Kabul eingenommen hatten, dass ihre Mutter sie weinend anrief und fragte, wie ihre Töchter nach Hause kommen würden.

"Die Geschichte wiederholt sich so schnell"

"Es ist wie ein sehr schlechter Traum. Ich kann nicht glauben, dass ich danach in 'Gefangenschaft' sein werde. Ich muss ein langes Kleid und einen Hidschab tragen", sagt sie. "Mein Volk tut mir leid, vor allem die Frauen. Sie sind unschuldig."

Die erste weibliche Vizepräsidentin der Nationalversammlung Afghanistans, Fausia Kufi , sagte am Montag, die Straßen in Kabul seien leer: "Die Geschichte wiederholt sich so schnell."

Anwohner in Kabul berichten Euronews, dass seit der Machtübernahme der Taliban nur wenige Frauen auf den Straßen zu sehen waren. Die Banken haben geschlossen, so dass es keinen Zugang zu Bargeld gibt. Die Menschen waren nicht in der Lage, sich mit Lebensmitteln zu versorgen.

Es gab auch Szenen der Verzweiflung, als Afghanen versuchten, aus dem Land zu fliehen. Auf Videos in den sozialen Medien war zu sehen, wie Menschen zum Flughafen eilten und versuchten, auf Evakuierungsflüge zu gelangen. 

Westliche Länder haben ihre Botschaften evakuiert, aber viele afghanische Journalist:innen werden nicht die Möglichkeit haben, das Land zu verlassen und fürchten um ihr Leben. 

In einem offenen Brief an die Bundesregierung fordern deutsche Medien, darunter die Deutsche Presse-Agentur, Der Spiegel und Die Zeit, dass Journalist:innen aus dem Land evakuiert werden müssen, weil ihnen Vergeltungsmaßnahmen für ihre Arbeit drohen.

"Wir rufen Sie hiermit auf, ein Visa-Notprogramm für afghanische Mitarbeiter:innen deutscher Medienhäuser einzurichten", heißt es in dem Brief. Die afghanischen Bürger:innen vor Ort waren in den letzten 20 Jahren maßgeblich an der deutschen Berichterstattung aus dem Land beteiligt. 

"Unseren Mitarbeiter:innen, die das Land verlassen wollen, drohen Verfolgung, Verhaftung, Folter und der Tod. heißt es in dem Brief weiter.

Eine afghanische Journalistin sagt, sie befürchte, dass Afghanen getötet werden, weil "die Taliban hassen sie, weil sie Symbole der [vergangenen] zwanzig Jahre in Afghanistan sind".

Unter der Taliban-Herrschaft war es Frauen und Mädchen verboten, zur Schule zu gehen und zu arbeiten. Sie durften das Haus nicht ohne einen Mann verlassen, keine Haut uns kein Haar zeigen. Die Strafen bei Verstößen waren hart. 

Eine sich schnell entwickelnde Situation

Eine Journalistin, die nach eigenen Angaben um ihr Leben fürchtet, sagt gegenüber Euronews, dass sie von der Machtübernahme erfahren habe, als sie nach der Arbeit Geld abheben wollte.

Mein Mann dort sagte ihr: "Sie müssen nach Hause gehen, die Taliban sind gekommen." Man sagte ihr, dass sie sich nicht draußen aufhalten dürfe, weil sie nicht mit einem Mann zusammen sei und keine Burka trage.

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"Autos kamen von der Kote-Sangi-Brücke zurück nach Kabul. Sie sagten, die Taliban kämen. Alle waren auf der Flucht. Ich ging zurück nach Hause", so die Frau. 

Eine andere Journalistin war mit ihrem 10-jährigen Kind für eine medizinische Behandlung im Iran. "Ich bin wirklich verzweifelt. Wir haben alles, was wir in diesen 20 Jahren erreicht haben, in einem Wimpernschlag verloren. Niemand kann sich das auch nur vorstellen." 

Sie sagte, sie konnte nicht mehr in ihr Haus in Afghanistan zurückgehen. "Ich habe nichts, kein Geld, kein Zuhause, keine Arbeit, nichts", sagte sie. "Ich mache mir Sorgen um mein Land."

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