GLOBSEC 2022 zum Ukrainekrieg: Gemeinsam Lösungen finden und globale Partner beteiligen

GLOBSEC 2022 zum Ukrainekrieg: Gemeinsam Lösungen finden und globale Partner beteiligen
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Von Oleksandra VakulinaSabine Sans
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Auf dem jährlichen Forum in Bratislawa treffen sich Politiker, Entscheider aus der Wirtschaft, Experten aus globalen Think-Tanks und NGOs, Leiter internationaler Organisationen, Denker und Innovatoren, um aktiv die Zukunft zu gestalten.

Die jährliche Konferenz GLOBSEC Bratislava Forum hat sich als führende Plattform in der mittel- und osteuropäischen Region etabliert. Weltweit gehört das Forum zu den bedeutenden strategischen Konferenzen, insbesondere im Bereich der Sicherheit und der internationalen Beziehungen. Politiker, Entscheider aus der Wirtschaft, Experten aus globalen Think-Tanks und NGOs, Leiter internationaler Organisationen, Denker und Innovatoren treffen sich jedes Jahr, um aktiv die Zukunft zu gestalten.

Neben dem Hauptprogramm auf zwei interaktiven Bühnen organisiert das Forum eine Reihe verschiedener thematischer Nebenveranstaltungen und exklusiver Brainstorming-Sitzungen.

Seit 2020 wird das komplette Konferenzprogramm auf den Hauptbühnen in den sozialen Medien live übertragen. Über die GLOBSEC App konnten den Rednern in Echtzeit Fragen gestellt werden. Somit konnte auch die interessierte Öffentlichkeit an den Debatten teilhaben.

Unter der Diskussionsleitung von euronews-Reporterin Sasha Vakulina haben der slowakische Ministerpräsident Eduard Heger und der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer in der Sitzung  'Burning the Bread Basket, Broad Impact of Russia's Aggression in Ukraine' Rede und Antwort gestanden.

Euronews-Reporterin Sasha Vakulina: Herr Ministerpräsident, beginnen wir mit Ihnen. Was sind Ihrer Meinung nach die dringendsten Probleme, die hier auf der Tagesordnung stehen und gelöst werden müssen? Es ist jetzt 100 Tage her, dass der Krieg begonnen hat. 

Eduard Heger, slowakischer Ministerpräsident: Wir haben gestern vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gehört, dass die Ukraine zuallererst Hilfe mit Waffen braucht, um sich selbst zu schützen. Aber das zweite wichtige Thema ist das Getreide, das sie in der Ukraine haben und das blockiert ist. Darüber hat auch Ursula von der Leyen gesprochen. Es muss sehr schnell in die anderen Teile der Welt geliefert werden, weil uns sonst eine große Hungersnot droht. Daran haben wir am Anfang nicht gedacht. Als Putin den Krieg begann, sahen wir die Auswirkungen auf die Ukraine. Dann bekamen wir sofort die Auswirkungen auf die Europäische Union zu spüren. Aber jetzt sehen wir, wie er Menschen in anderen Teilen der Welt terrorisiert, die nichts mit diesem Krieg zu tun haben, und sie in die Gefahr einer großen Hungersnot treibt, die dann eine große Migrationswelle auslösen könnte. Das schafft eine große Instabilität. Deshalb müssen wir sehr schnell handeln. Die erste Priorität ist es, den Ukrainern zu helfen, die Seehäfen zu sichern, damit sie anfangen können, Getreide über den Seeweg zu exportieren, auf Schiffen. Denn wir wissen, dass es langsamer geht, wenn wir Züge benutzen, um das Getreide über die Getreiderouten zu exportieren.

Wie bekommt man das Getreide aus der Ukraine heraus?

Euronews: Was ist Ihre Meinung dazu? Für Europa ist es etwas anderes. Wir haben zwar bereits die eindringliche Warnung der Vereinten Nationen vor der Nahrungsmittelkrise und der Ernährungssicherheit gehört - , dass sie noch Jahre andauern könnte, wenn sie nicht jetzt angegangen und gelöst wird. Aber seit Anfang April haben wir auch von der Europäischen Union gehört, dass die EU im Moment weitgehend autark ist, was Lebensmittel angeht - im Moment.

Karl Nehammer, österreichischer Bundeskanzler: Wir müssen den Weizen jetzt aus der Ukraine herausbringen. So hat zum Beispiel der UN-Generalsekretär zwei Missionen gestartet, die helfen sollen, sichere Korridore zu schaffen, um das Getreide herauszubringen. Präsident Putin hat in einem Telefongespräch zugesichert, dass das russische Militär keine Getreidetransporte angreifen wird. Der Hafen von Odessa ist beispielsweise vermint, er hat mir gesagt, dass die Ukrainer jetzt die Minen räumen müssen. Und ich sagte ihm: 'Ja, das ist eine gute Idee, aber Sie müssen garantieren, dass die russischen Streitkräfte das Zentrum von Odessa nicht angreifen werden. Er sagte mir, dass er das garantieren würde. Aber das sind nur Worte. Wir wissen nicht, ob das wahr ist oder nicht. Wir brauchen in dieser Frage die Vereinten Nationen, denn vielleicht gibt es in Zukunft eine Möglichkeit, die Häfen zu öffnen. Aber jetzt müssen wir das Saatgut, den Weizen und den Mais aus der Ukraine exportieren.

Euronews: Wie können wir jetzt eine schnelle Lösung finden, die auch funktioniert, und zwar mittelfristig, denn die Infrastruktur ist ein anderes Thema, wenn es um Schienenlieferungen geht, für die nächsten Monate für die nächste Getreideernte.

Eduard Heger: Das Erste ist, die Häfen zu sichern, Odessa und andere Hafenstädte, und dann eine Lösung zu finden, bei der wir Russen auf der einen Seite und Ukrainer auf der anderen Seite haben, um die Exporte aus dem Land zu bekommen. Dabei hoffen wir auch, dass die Sicherheit innerhalb des Landes gewährleistet werden kann, damit die Ernte eingebracht werden kann. Da die Ukraine die "Kornkammer" der Welt ist, haben diese Prioritäten Vorrang vor den nationalen Prioritäten. Das müssen wir auch gegenüber Wladimir Putin betonen: Er muss verstehen, dass das globale Prioritäten sind, die Länder müssen in dieser globalen Frage Druck machen. Wir müssen uns einig sein und sagen: Ihr verursacht zu viele Probleme, macht den Weg frei für die Sicherung von Nahrungsmitteln für den Rest der Welt. Und dann, das ist der zweite Schritt, dann können wir über den Wiederaufbau der Infrastruktur in der Ukraine sprechen, denn wir wollen nicht, dass dieses Land vor unseren Augen stirbt, weil es nicht genug Ressourcen hat, um zu funktionieren.

Warum bleibt Afrika neutral?

Euronews: Warum bleiben die afrikanischen Regierungen beim Ukrainekrieg neutral, obwohl sie am meisten unter der Nahrungsmittelblockade leiden? Könnte es helfen, wenn afrikanische Länder sich an Lösungen oder Gegenmaßnahmen wie Sanktionen beteiligen würden, Herr Bundeskanzler? 

Karl Nehammer: Das ist wirklich eine sehr gute Frage. Wir müssen akzeptieren, dass wir in der sogenannten westlichen Welt starke Meinungen haben, aber nicht im Rest der Welt. Und dieser Rest der Welt ist riesig. Wir reden über China, wir reden über Indien, wir reden über Afrika. Wir müssen Verbündete finden. Wir müssen sie überzeugen, und wir müssen sie auch schützen. Wir haben über Mais, den Export von Mais aus der Ukraine und Weizen gesprochen. Wir haben nicht über Düngemittel gesprochen. Das ist eine sehr wichtige Frage. Beim Rat in Brüssel haben wir uns auch mit dem Präsidenten der Afrikanischen Union in einer Videokonferenz getroffen, und der Präsident hat uns gesagt, dass sie Düngemittel brauchen.

Eduard Heger: Wir müssen auch die anderen globalen Partner ansprechen und sie auffordern, mitzumachen. Denn wenn sie nicht dabei seid, wenn Indien nicht Teil der Lösung ist, wenn die USA nicht Teil der Lösung sind, wenn die afrikanischen Länder nicht Teil der Lösung sind, dann werden wir keine Lösung finden. Vor allem, weil die Nahrungsmittelkrise die erste Stufe einer Sicherheitskrise ist, und das wollen wir nicht. Deshalb müssen wir sie mit ins Boot holen, und ich denke, das wird helfen. Sie werden an Bord kommen.

"Als der Krieg gegen die Ukraine begann, gab es eine wirklich starke Solidarität in Europa, und ich glaube, wir haben zum ersten Mal wirklich Einigkeit gegen die russische Aggression gezeigt. Aber die Welt hat uns in diesem Moment zugeschaut und die afrikanischen Staaten haben gesagt: 'Oh, das ist interessant, wenn in Europa etwas passiert, dann zeigt man sich solidarisch, zeigt Stärke. Wir hatten in den Jahren zuvor so viele Krisen in Afrika. Wo seid ihr gewesen? Was zählt ein Leben in Afrika im Vergleich zu Europa?"
Karl Nehammer

Karl Nehammer: Als der Krieg gegen die Ukraine begann, gab es eine wirklich starke Solidarität in Europa, und ich glaube, wir haben zum ersten Mal wirklich Einigkeit gegen die russische Aggression gezeigt. Aber die Welt hat uns in diesem Moment zugeschaut und die afrikanischen Staaten haben gesagt: 'Oh, das ist interessant, wenn in Europa etwas passiert, dann zeigt man sich solidarisch, zeigt Stärke. Wir hatten in den Jahren zuvor so viele Krisen in Afrika. Wo seid ihr gewesen? Was zählt ein Leben in Afrika im Vergleich zu Europa? Darüber müssen wir nachdenken. Der Grund, warum sie das nicht unterstützen, ist, dass sie sagen, jetzt kommt ihr, jetzt wollt ihr, dass wir die Sanktionen gegen Russland unterstützen. Aber wir brauchen auch den russischen Mais. Warum sollen wir das tun? Wir brauchen die russischen Düngemittel, warum sollen wir das tun? Wir müssen dem Kontinent unser Interesse auf eine Art und Weise zeigen, dass sie uns vertrauen können.

Eduard Heger: Wir sagen den Ländern um uns herum, wenn sie sich uns anschließen wollen, müssen sie sich selbst reformieren. Aber wir sehen, dass angesichts dieser globalen Herausforderungen auch die globalen Organisationen reformiert werden müssen. Denn, wie Karl gerade sagte, fragen die Länder anderer Kontinente, warum habt ihr euch nicht so verhalten, als wir in Schwierigkeiten waren - das ist eine sehr berechtigte Frage, denn wir sind diejenigen, die die Demokratie und die Werte der Freiheit, der Rechtsstaatlichkeit usw., der Gerechtigkeit und der fairen Behandlung hochhalten. Dann fragen sie: Wie können wir loyal sein und eine faire Beziehung gewähren und uns dann nicht fair gegenüber allen verhalten?

Werden Nahrungsmittel als Waffen eingesetzt?

Euronews: In den ersten Tagen der russischen Invasion, als es um die Frage der Druckmittel ging, ging es auch um die russische Energie. Darüber, dass Russland Energie als ein Druckmittel einsetzt. Jetzt die Frage von Heinrich, ob Putin auch Lebensmittel als Waffe einsetzt. Syrien, Libanon und Ägypten sind in hohem Maße von Getreide aus der Ukraine und Russland abhängig. Könnte die Nahrungsmittelknappheit zu einer neuen Flüchtlingswelle führen? Werden Nahrungsmittel als Waffe eingesetzt?

"Putin setzt jegliche Waffe ein, die er findet, um uns zu schwächen, um uns auseinanderzubringen, denn das ist sein einziges Mittel, das er im Moment hat. Er hat keine starke Armee, wie alle dachten, und vielleicht er selbst glaubte. Er kann die Ukraine nicht so schnell besiegen, wie er dachte. Er wird also jedes Mittel einsetzen, um Fortschritte zu erzielen. Wir sollten davor keine Angst haben, denn wir sind sehr stark."
Eduard Heger

Eduard Heger: Er benutzt alles als Waffe. Bevor er Lebensmittel als Waffe einsetzte, setzte er Informationen als Waffe ein. In der Slowakei und in anderen Ländern an der Ostflanke wurde ein hybrider Krieg geführt. So viele Fehlinformationen, so viele Falschmeldungen, das hatten wir in den vergangenen Monaten noch nicht erlebt. Er setzt jegliche Waffe ein, die er findet, um uns zu schwächen, um uns auseinanderzubringen, denn das ist sein einziges Mittel, das er im Moment hat. Er hat keine starke Armee, wie alle dachten, und vielleicht er selbst dachte. Er kann die Ukraine nicht so schnell besiegen, wie er dachte. Er wird also jedes Mittel einsetzen, um Fortschritte zu erzielen. Wir sollten davor keine Angst haben, denn wir sind sehr stark. Wir müssen nur verstehen, auf welche Prinzipien wir hinarbeiten müssen, und nach Lösungen suchen. Schauen Sie sich Finnland, Schweden und Dänemark an, was in den vergangenen Wochen mit ihnen passiert ist. Wir wären ohne die aktuelle Situation nicht in der Lage, diese Entscheidungen über ihre Sicherheit zu treffen. Diese Aggression, auch wenn sie uns nicht gefällt und wir sie nicht für richtig halten, hat tatsächlich einen Prozess in Gang gesetzt, zu dem wir nicht bereit waren oder zu dem wir nicht den Mut hatten. Das gibt uns die große Hoffnung, dass sie es schaffen können, wenn wir die gleichen Prinzipien befolgen. Und für die Lebensmittel, über die wir gesprochen haben, gibt es Lösungen. Aber wir brauchen mehr Partner. Der Hafen von Odessa wird die Nagelprobe sein, ob wir in der Lage sind, die Sicherheit der Ukraine zu gewährleisten und gleichzeitig den Ukrainern den Export zu ermöglichen. Wenn wir das schaffen, ist das ein großer Schritt nach vorn. Aber wir werden andere Partner brauchen, die das Meer sichern.

Euronews: Eine Frage von Alexandra Brzozowski, entschuldigen Sie, wenn ich den Namen falsch ausgesprochen habe, Frage an beide Redner: Putin wird einen Preis für die Freigabe der Schwarzmeerhäfen verlangen. Wären Sie bereit, im Gegenzug die EU-Sanktionen aufzuheben? Herr Bundeskanzler, Sie haben vor kurzem mit Wladimir Putin telefoniert, er hat gesagt, dass er sich der Frage der Lebensmittelsicherheit durchaus bewusst sei und dass er auch signalisiert habe, dass er bereit ist, Exporte über die Seehäfen zuzulassen, aber das hänge von der Aufhebung der Sanktionen ab.

Karl Nehammer: Das hat er auch zu Olaf Scholz und Emmanuel Macron gesagt, die ihn nach meinem Anruf angerufen haben. Er hat die Sanktionen nicht erwähnt, als er davon sprach, die Ausfuhr von Getreide aus den Häfen am Schwarzen Meer zu erlauben. Wenn man mit dem Präsidenten Russlands spricht, stellt sich immer die Frage, wie weit man ihm vertrauen kann. Wir müssen verschiedene Dinge tun, wie Eduard sagte. Es ist sehr wichtig, Odessa zu öffnen. Andererseits weiß niemand, wie lange der Krieg dauern wird. Die Welt braucht jetzt Getreide. Es geht um zwei parallele Dinge. Wir müssen herauszufinden, ob er wirklich ein Partner in der Frage ist, das Korn zu exportieren oder nicht.

Euronews: Wie kann man das herausfinden? Das ist ein sehr hoher Preis, um zu testen, ob es Vertrauen gibt oder nicht. Und wenn das nicht funktioniert, was wäre dann der Preis?

Karl Nehammer: Nein, keine Frage von Sanktionen und der Frage, das Korn herauszubringen. Das muss in diesem Szenario eine Rolle spielen. Ich glaube, wir brauchen jetzt die Vereinten Nationen und den Generalsekretär, der sein Bestes gibt. Wir werden sehen, wie weit wir gehen können. 

Euronews: Was sagen Sie dazu, Herr Ministerpräsident? 

Eduard Heger: Die Sanktionen sollte man nicht unbedingt an die Hafenfreigabe koppeln. Das ist eine andere Frage. Das sind völlig unterschiedliche Fragen aufgrund seines Angriffs. Ein völlig anderes Thema. Wir müssen den Handlungsspielraum erweitern. Wir brauchen weitere Partner, die dazu kommen, dann geht es nicht mehr nur um die beiden Seiten, es geht nicht um den Handel zwischen der EU und Russland. Andere Partner werden für mehr Sicherheit sorgen, denn im Moment verhandeln wir nicht wirklich. Es finden nicht wirklich Verhandlungen statt, weil Wladimir Putin keine Verhandlungen mit irgendjemandem zulässt. Er verhandelt nicht. Wir müssen begreifen, dass er nicht verhandelt. Er führt seinen Plan aus. Ich habe kein Zeichen der Hoffnung gesehen, dass er verhandeln würde. Wir müssen also den Hafen durch eine dritte Kraft öffnen, die die Sicherheit gewährleistet, als Schiedsrichter, so kommen wir an das Getreide. Gleichzeitig müssen wir versuchen, Getreide über die grünen Linien auszuführen, denn wir müssen alle Szenarien durchspielen. Wir können nicht alles auf ein Szenario setzen. Alle Szenarien, die wir ausführen können, müssen wir gleichzeitig ausführen, weil wir nur dann Erfolg haben. Das ist eine so schwierige Situation. Es gibt im Moment so wenig Antworten, so viele Fragen. Nur wenn wir uns anstrengen und gemeinsam nach neuen Antworten suchen, können wir erfolgreich sein.

"Es gibt im Moment so wenig Antworten, so viele Fragen. Nur wenn wir uns anstrengen und gemeinsam nach neuen Antworten suchen, können wir erfolgreich sein."
Eduard Heger

Frage aus dem Publikum: Mein Name ist Pavel, ich bin ein slowakischer Außenpolitik-Analyst. Ich möchte Ihnen, Herr Bundeskanzler, eine etwas persönliche Frage zu Ihnen und Wladimir Putin stellen. Haben Sie besondere Beziehungen zu Wladimir Putin?

Karl Nehammer: Nein, ich habe keine besonderen Beziehungen zu ihm. Aber ich denke, dass es auch in Konflikten notwendig ist, mit beiden Seiten zu sprechen. Als ich mich entschlossen habe, zuerst in die Ukraine zu fahren, danach zu Präsident Putin, habe ich darüber mit der Kommissionspräsidentin, mit dem Ratspräsidenten, mit dem deutschen Bundeskanzler, mit dem polnischen Präsidenten gesprochen, weil er einer der schärfsten Kritiker in dieser Frage ist. Als ich dort war, habe ich einen Mann gesehen, der in seiner eigenen Kriegslogik lebt. Bevor ich nach Moskau reiste, war ich in Bucha und habe zum ersten Mal in meinem Leben ein Massengrab gesehen. 

Es war notwendig und richtig, ihn damit zu konfrontieren. Es ist notwendig, nicht nur am Telefon zu reden, einander in die Augen zu sehen. Die österreichische Haltung ist wirklich neu, denn früher haben wir immer, oder oft, erklärt, aufgrund unserer Neutralität ist es nicht möglich, dieses oder jenes zu tun. Jetzt vertreten wir eine klare Position. Wir haben uns für alle Sanktionen ausgesprochen. Wir unterstützen die Lieferung von Munition und Waffen. Wir können es nicht selbst tun, aber wir unterstützen es. Ich habe bereits gesagt: Wir haben keine Zeit. Wir müssen jetzt Lösungen finden. Und es ist wirklich eine große Frage, was das für die Sicherheit in Europa bedeutet. Wir sind in Österreich in einer besonderen Lage, mehr als die Slowakei. Wir bieten jetzt mehr als 75.000 Ukrainern Schutz. Und gleichzeitig habe ich 21.000 Asylbewerber aus der ganzen Welt. Syrien. Afghanistan, 21.000 jetzt. Was bedeutet das für das Ende des Jahres? Es ist eine Frage der Sicherheit: Was bedeutet es, wenn es in der Welt Hunger gibt, wenn Nordafrika destabilisiert wird? Es ist wichtig, alle Informationen auszutauschen. Jeder muss alles versuchen, um diesen Krieg zu beenden. Vor allem Putin und wir alle müssen ihn dazu drängen, ihn dazu zu bringen, zu sagen: Stopp. Nicht weiter.

Euronews: Herr Ministerpräsident, ein kurzes Fazit.

Eduard Heger: Auch diese Gesprächsrunde hat gezeigt, dass wir vor immer größeren Herausforderungen stehen. Ich sage nicht Probleme, denn wir müssen sie als Herausforderungen betrachten. Aber wir sehen auch, wie wichtig Foren wie dieses sind, denn dieses Forum hat zwei große Themen eröffnet. Erstens der Wiederaufbau der Ukraine, von dem wir dachten, das würde die letzte Diskussion sein, die wir führen: Krieg in der Ukraine und dann Wiederaufbau. Jetzt sehen wir, dass das Ganze viel größer wird und wir vielleicht immer noch nicht sehen, was danach kommt: Es geht um Energie und den Krieg und jetzt eine Hungersnot, die ein globales Problem ist. Es ist also sehr gut, dass wir über den Wiederaufbau gesprochen haben, der im europäischen Kontext wichtig ist. Aber die globale Dimension, die in diesem Forum eröffnet wurde, muss Beachtung finden. Wir brauchen Foren wie dieses, in denen Menschen aus der ganzen Welt zusammenkommen, um nach Lösungen zu suchen und schnell und umfassend Antworten auf die Herausforderungen zu finden. Das ist unsere Aufgabe. Wir werden im nächsten Jahr viele Foren wie dieses erleben, die wir sehr ernsthaft angehen müssen. Denn die Foren in der Vergangenheit waren eher Diskussionen, wir entwarfen eine Vision. Jetzt bauen wir eine Vision auf, während wir sie leben. Das ist eine ganz andere Dimension. Vielen Dank auch an das Forum und an Sie, dass Sie uns diese wichtigen Fragen gestellt haben. Lassen Sie uns gemeinsam nach Lösungen suchen und lassen Sie uns viel mehr globale Akteure daran beteiligen.

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