Andrij Schewtschenko: "Zusammen gegen die Aggression stehen"

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Von Anelise BorgesSabine Sans
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Er ist einer der erfolgreichsten Fußballspieler, die sein Land je hervorgebracht hat, und vertritt nun den Kampf seines Volkes gegen die russische Invasion.

Das ukrainische Fußballidol Andrij Schewtschenko spricht im Interview mit The Global Conversation über das Leben seit Ausbruch des Krieges, die Reaktionen aus der Sportwelt und er appelliert an die Welt, die Ukraine nicht zu vergessen. Der ehemalige Stürmer und Fußball-Trainer engagiert sich für UNITED24, eine von Präsident Wolodymyr Selenskyj gegründete Fundraising-Plattform. Euronews-Reporterin Anelise Borges interviewte Andrij Schewtschenko am 6. August in London.

Anelise Borges: Mein heutiger Gast ist eine Legende in der Welt des Sports. Er ist einer der erfolgreichsten Fußballspieler, die sein Land je hervorgebracht hat, und vertritt nun den Kampf seines Volkes gegen die russische Invasion. Andrij Schewtschenko, danke für das Gespräch mit euronews. Meine erste Frage lautet: Sie kommen aus einer Welt der Erfolge und Siege, Sie haben die Welt des Fußballs auf den Kopf gestellt. Und heute sprechen Sie mit mir über ein Land, das mit Zerstörung und Vertreibung konfrontiert ist. Hätten Sie jemals gedacht, dass Sie in eine solche Lage kommen, dass dies mit Ihrem Land geschehen würde?

**Andrij Schewtschenko:**Ja, das ist schwer zu glauben. Alles begann 2014, zuerst mit der Annexion der Krim, dem Krieg in Donezk, das war der erste Teil des Konflikts.

Ich erinnere mich noch daran, dass ich zwei Wochen zuvor viel mit meiner Familie gesprochen habe, mit meiner Schwester, meiner Mutter, wir haben überlegt und darüber gesprochen, was wir tun werden. Aber ich konnte es nicht glauben, und meine Familie sagte: Nein, das ist unmöglich, wir glauben nicht, dass das passieren wird. Als dann die Botschaft der USA, die italienische, alle europäischen Botschaften Kiew und die Ukraine verließen, da begannen wir uns wirklich Sorgen zu machen. Als der Krieg am Morgen des 24. begann, erhielt ich einen Anruf von meiner Mutter. Als ich sah, dass meine Mutter mich anrief, war mir sofort klar, dass etwas Schlimmes passiert war. Ich ging ans Telefon und hörte die Stimme meiner Mutter, sie weinte und sagte, dass der Krieg begonnen hatte. Das war... die schwierigste Zeit in meinem Leben.

Seitdem hat sich für uns alles verändert.

Es ist für mich schwer zu glauben. Der Sport hatte nie wirklich mit Politik oder Krieg zu tun, er war immer weit weg von Konflikten. Der Sport transportiert eine andere Botschaft, er bringt Menschen zusammen, keine Aggression, das Fairplay ist sehr wichtig. 

Die Welt des Sports musste Partei ergreifen

Euronews: Auch die Welt des Sports ist von diesem Krieg betroffen. Die Reaktionen darauf sind außergewöhnlich: Russische Mannschaften und Sportler wurden von Wettkämpfen ausgeschlossen - oder durften unter strengen Neutralitätsregeln spielen. Viele Analysten sagen, dass der Einmarsch Russlands in die Ukraine die Sportwelt gezwungen hat, sich für eine Seite zu entscheiden und politischer zu werden. Stimmen Sie dieser Meinung zu? Und ist das gerade jetzt wichtig?

Andrij Schewtschenko: Natürlich. Wie ich bereits sagte, hat der Sport eine starke Botschaft, besonders an junge Leute, die junge Generation, auch an die Welt: Wir stehen zusammen gegen die Aggression. Die Entscheidung der FIFA und der UEFA, alle russischen Mannschaften von vielen Wettbewerben, alle russischen Vereine seit Kriegsbeginn von allen Wettbewerben auszuschließen, war eine klare Botschaft, der ich absolut zustimme.

Euronews: Viele haben russische Sportler dafür kritisiert, dass sie sich nicht zu Wort gemeldet und gegen den Krieg Stellung bezogen haben. Was sagen Sie dazu? Sollten sich aktuell mehr russische Sportler gegen diese Invasion positionieren?

**Andrij Schewtschenko:**Ich urteile nicht über Menschen. Wir sind alle sehr unterschiedlich. Aber wenn man stark ist, wenn man sein Leben leben und anständig sein will, sollte man seine Meinung sagen. Wir müssen alle zusammenstehen und uns deutlich und vereint gegen diese Aggression aussprechen. 

Unterschiedliche Reaktionen auf unterschiedliche Flüchtlinge

Euronews: Wir haben eine außergewöhnliche Reaktion auf die Millionen Menschen erlebt, die vertrieben wurden und von denen viele die Ukraine verlassen mussten. In Europa gab es eine außerordentliche Bereitschaft, diesen Menschen zu helfen und sie aufzunehmen. Das war ganz anders als die Reaktion auf Menschen, die aus anderen Krisengebieten wie Syrien oder anderen Teilen des Nahen Ostens kamen. Haben Sie das auch so empfunden? Ist Ihnen das aufgefallen?

**Andrij Schewtschenko:**Ich persönlich denke, dass uns eine Situation erst betroffen macht, wenn sie einen persönlich berührt. Und ich bin mir sicher, dass es das Beste ist, wenn wir uns um diesen Konflikt, diese Situation sorgen. Die Welt muss sofort reagieren. Wir müssen zusammenstehen und sofort auf diese Aggression und jegliche Aggression in der Welt reagieren.

Botschaft an die Welt: Vereint gegen jegliche Aggression

Euronews: Haben Sie eine Botschaft an die Menschen in der Ukraine, einige sind Sportler wie Sie, die alles stehen und liegen gelassen, ihr altes Leben aufgegeben haben und jetzt gegen Russland kämpfen. Und an die Menschen in der Welt, die Sie aufgrund Ihrer Siege und Ihrer wunderbaren Karriere sehr gut kennen, wie wichtig es ist, die Ukraine, diesen Konflikt nicht zu vergessen?

**Andrij Schewtschenko:**Meine Botschaft an die Welt ist, dass es mehr als sechs Monate her ist, dass der Krieg begann, und natürlich ist die Aufmerksamkeit für den Krieg wie Wellen - es geht auf und ab. Meine Botschaft lautet: Es herrscht Krieg, die Situation ist sehr kritisch. Jeden Tag verlieren die Menschen ihre Hoffnung, ihre Häuser, ihr Leben. Sie brauchen dringend Hilfe. Seien Sie nicht gleichgültig. Ich weiß, dass viele von Ihnen schon sehr viel geholfen haben. Und dafür möchte ich allen danken. Aber ich weiß auch, dass die Ukraine mehr Hilfe braucht. Bitte seien Sie nicht gleichgültig. Unser Volk steht zusammen. Meine Botschaft war immer "Sláva Ukrayíni!" (Ruhm der Ukraine).

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