WHO warnt vor "lebensbedrohlichem Winter" in der Ukraine

Cherson, Ukraine
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Von Julika Herzog mit dpa, AFP, AP
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Russland zerstört mit Raketenangriffen seit Mitte Oktober gezielt das Energiesystem der Ukraine.

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Es ist der erste Schnee in Kiew. Und in der Ukraine sind Hunderttausende Häuser und Wohnungen, Schulen und Krankenhäuser ohne Heizung. Zehn Millionen Menschen haben keinen Strom.

"Größte Attacke auf Gesundheitsversorgung seit Zweiten Weltkrieg"

Die Weltgesundheitsorganisation warnt, den Ukrainerinnen und Ukrainern stehe ein "lebensbedrohlicher Winter" bevor.

"Wir erwarten, dass 2 bis 3 Millionen weitere Menschen ihre Häuser auf der Suche nach Wärme und Sicherheit verlassen werden. Sie werden mit großen gesundheitlichen Problemen konfrontiert sein, darunter Atemwegsinfektionen wie Covid-19, Lungenentzündung, Influenza und dem Risiko von Diphtherie und Masern, in einer nicht ausreichend geimpften Bevölkerung", sagte WHO-Regionaldirektor Hans Kluge am Montag in der ukrainischen Hauptstadt Kiew.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat seit Beginn des russischen Kriegs in der Ukraine mehr als 700 Angriffe auf die Gesundheitsinfrastruktur in dem Land registriert. "Das ist ein Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht und die Kriegsregeln", so Kluge. In der Folge seien Hunderte Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen nicht länger voll funktionsfähig, weil es an Brennstoff, Wasser und Strom mangle.

"Das ist die größte Attacke auf die Gesundheitsversorgung auf europäischem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg", unterstrich Kluge vor allem im Hinblick auf die russischen Angriffe auf das ukrainische Energiesystem.

Gezielt und völkerrechtswidrige Angriffe auf Energiesystem

Im kürzlich befreiten Cherson ist die Lage besonders angespannt. Die russische Armee hat bei ihrem Abzug vor 10 Tagen die Energieinfrastruktur zerstört - es gibt immer noch kein Wasser und keinen Strom.

"Wie konnten sie das tun? Jeder Mensch versteht, wie es sich anfühlt, kein Wasser und keinen Strom zu haben. Sie haben es absichtlich gemacht, aus reiner Wut - wie konnten sie das tun?", sagt eine Frau, die mit ihrer Tochter und Enkeln in Cherson lebt.

Russland zerstört mit Raketenangriffen seit Mitte Oktober gezielt und völkerrechtswidrig das Energiesystem der Ukraine. Nach Aussage von Kremlsprecher Dmitri Peskow soll die Regierung des Nachbarlands so an den Verhandlungstisch gezwungen werden.

Stromnetz bleibt auf Monate labil

Bei Temperaturen von bis zu minus 20 Grad Celsius düfte das durch russische Raketentreffer schwer beschädigte Stromnetz der Ukraine auf Monate hinaus äußerst störanfällig bleiben. Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte, das Land habe am Montag nicht nur mit geplanten Abschaltungen, sondern auch mit plötzlichen Stromausfällen zu kämpfen gehabt. Der Verbrauch übersteige die Stromproduktion, alle müssten Energie sparen.

Der Stromversorger Yasno teilte mit, die Ukrainer müssten wohl mindestens bis Ende März mit Ausfällen oder Abschaltungen rechnen.

IAEA: AKW Saporischschja im Wesentlichen intakt

Das Atomkraftwerk Saporischschja, das früher mehr als 25 % des ukrainischen Stroms produzierte, erzeugt keinen mehr. Und der intensive Beschuss des Werks wie vergangenes Wochenende ist Anlass zur Sorge vor einer noch größeren Katastrophe.

Trotz des intensiven Beschusses am Wochenende ist das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja nach Einschätzung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) weitgehend intakt. Es gebe keine unmittelbaren Bedenken hinsichtlich der nuklearen Sicherheit, sagte IAEA-Generaldirektor Rafael Grossi am Montagabend nach dem Besuch eines Expertenteams vor Ort.

Die vier IAEA-Experten hätten das größte europäische Atomkraftwerk ausführlich unter die Lupe genommen. Der Status der sechs Reaktoreinheiten sei stabil und die Unversehrtheit des abgebrannten Brennstoffs, des frischen Brennstoffs und des schwach-, mittel- und hochradioaktiven Abfalls in ihren jeweiligen Lagereinrichtungen sei bestätigt worden.

Dennoch hätten die IAEA-Experten verbreitete Schäden auf dem Gelände festgestellt. "Dies ist ein großer Anlass zur Sorge, da es die schiere Intensität der Angriffe auf eines der größten Atomkraftwerke der Welt deutlich macht", so Grossi.

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