Ägypten hat einen "Gegenplan" zu den Ideen von US-Präsident Donald Trump für den Gazastreifen vorgelegt, den seine arabischen Partner beim Gipfel in Kairo unterstützten. Was sieht dieser Plan vor - und welche Beweggründe haben die Länder in der Region?
Die Staats- und Regierungschefs der arabischen Länder haben an diesem Dienstag in Kairo über den Wiederaufbau des Gazastreifens beraten. Dabei zeichnete sich Unterstützung für einen ägyptischen Vorschlag ab, der einen Wiederaufbau über fünf Jahre für 53 Mrd. US-Dollar vorsieht.
An dem vom ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi ausgerichteten Gipfeltreffen nahmen auch der Emir von Katar, der Vizepräsident der Vereinigten Arabischen Emirate und der Außenminister Saudi-Arabiens teil - Länder, deren Unterstützung für jeden Nachkriegsplan von entscheidender Bedeutung ist. Auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, war bei den Treffen dabei.
Wiederaufbau für 53 Mrd. Dollar binnen fünf Jahren - mit den Palästinensern
Ägypten hat einen 112-seitigen Entwurf des 53-Milliarden-Dollar-Plans für den Wiederaufbau des Gazastreifens bis 2030 veröffentlicht. Anders, als es die Idee von US-Präsident Trump vorsieht, soll die palästinensische Bevölkerung währenddessen nicht aus dem Gazastreifen umgesiedelt werden. In der ersten Phase soll mit der Beseitigung nicht explodierter Munition und der Beseitigung der mehr als 50 Millionen Tonnen Schutt begonnen werden, die durch die israelischen Bombardierungen und Militäroffensiven entstanden sind.
Hunderttausende von Übergangswohnungen sollen errichtet werden, in denen die Bevölkerung des Gazastreifens während des Wiederaufbaus leben kann. Der Schutt würde recycelt und zum Teil als Aufschüttung für die Schaffung von Erweiterungsflächen an der Mittelmeerküste des Gazastreifens verwendet.
In den folgenden Jahren sieht der Plan vor, den Streifen vollständig umzugestalten und „nachhaltige, grüne und begehbare“ Wohn- und Stadtgebiete mit erneuerbaren Energien zu bauen. Es werden landwirtschaftliche Flächen saniert und Industriezonen und große Parkanlagen geschaffen. Auch die Eröffnung eines Flughafens, eines Fischerei- und eines Handelshafens sind geplant.
Keine Macht für die Hamas
In dem ägyptische Vorschlag ist vorgesehen, dass die Hamas die Macht an eine Übergangsverwaltung aus politisch Unabhängigen abgibt, bis eine reformierte Palästinenserbehörde die Kontrolle übernehmen kann. Auch der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas, Chef der vom Westen unterstützten Behörde und Gegner der Hamas, nahm an dem Gipfeltreffen teil.
Israel hat jegliche Rolle der Palästinensischen Autonomiebehörde im Gazastreifen ausgeschlossen und zusammen mit den Vereinigten Staaten die Entwaffnung der Hamas gefordert. Die Hamas, die die Existenz Israels nicht anerkennt, hat hingegen erklärt, sie sei bereit, die Macht im Gazastreifen an andere Palästinenser abzutreten, werde aber erst dann ihre Waffen abgeben, wenn es einen palästinensischen Staat gebe.
In seiner Rede auf dem Gipfeltreffen betonte der ägyptische Präsident, dass der Plan „das Recht des palästinensischen Volkes auf den Wiederaufbau seiner Nation wahrt und seine Existenz in seinem Land garantiert“. Parallel sei ein Weg für den Frieden notwendig, um eine „umfassende, gerechte und dauerhafte Lösung“ für die palästinensische Sache zu erreichen.
„Es wird keinen wirklichen Frieden ohne die Errichtung eines palästinensischen Staates geben“, bekräftigte al-Sisi. „Es ist an der Zeit, einen ernsthaften und effektiven politischen Weg einzuschlagen, der zu einer dauerhaften und nachhaltigen Lösung für die palästinensische Sache gemäß den international legitimierten Resolutionen führt.“
Gegenvorschlag zum umstrittenen Plan von Donald Trump
Die umstrittene Idee des US-Präsidenten zielt darauf ab, den Gazastreifen zu "übernehmen" und seine rund 2,1 Millionen Bewohner zu vertreiben, um eine "Riviera des Nahen Ostens" zu schaffen.
Die Konferenz in Kairo sei äußerst wichtig, denn sie solle den USA und Israel zeigen, dass die gesamte Region hinter dem ägyptischen Plan stehte, erklärt Riccardo Fabiani von der Denkfabrik International Crisis Group. Andere sind jedoch skeptischer. "Nichts Überraschendes. Solche Notgipfel finden oft statt, wenn es etwas von regionaler Bedeutung gibt", so der palästinensische Politik-Experte Tahani Mustafa gegenüber Euronews.
Welche Beweggründe haben die Länder in der Region?
Zwei derjenigen, die am eifrigsten an der Ausarbeitung eines Plans für den Gazastreifen arbeiten, sind Jordanien und Ägypten. Ein wichtiger Beweggrund ist, dass sie von Trumps Vertreibungsplänen am meisten betroffen wären. Die ägyptische Sinai-Halbinsel und Jordanien wurden als Standorte für die Umsiedlung von Millionen vertriebener Gaza-Bewohner ins Gespräch gebracht. Khaled Fahmy, ägyptischer Professor an der Tufts University stellt klar: "Al-Sisi hat sich seit Beginn des Krieges und noch vor den Ankündigungen Trumps standhaft gegen diesen Plan ausgesprochen. Der Sinai-Plan ist für Ägypten ein No-Go".
Ägypten hatte in den vergangenen Jahren mit einer Wirtschaftskrise zu kämpfen, und der Zustrom von Flüchtlingen, von denen einige Hamas-Kämpfer sein könnten, wird von einigen als potenzielles weiteres Wirtschafts- und Sicherheitsrisiko angesehen.
Das Königreich Jordanien war seit 1948 Ziel vieler Palästinenser. Nach Angaben des UN-Hilfswerks für Palästinenser UNRWA sind 2,2 Millionen palästinensische Flüchtlinge dort registriert, wobei die reale Zahl wahrscheinlich noch viel höher ist. Deshalb wollen die Behörden nicht noch mehr Menschen aufnehmen.
Viele andere wichtige Akteure in den Gesprächen kommen von jenseits des Roten Meeres, alle mit unterschiedlichen Motiven. An der diplomatischen Front war Katar während des gesamten Konflikts und auch bei früheren Gewaltausbrüchen zwischen Israel und der Hamas ein zentraler Vermittler bei den Waffenstillstandsverhandlungen.
Dies liegt zum Teil daran, dass das Land stets die politische Führung der Hamas beherbergt hat, während es gleichzeitig enge Beziehungen zu den US-Unterhändlern für Israel unterhält.
Und dann sind da noch die Vereinigten Arabischen Emirate, die zu den engsten regionalen Verbündeten Israels gehören. Während der vorangegangenen Präsidentschaft Trumps unterzeichneten die Emirate ein diplomatisches Normalisierungsabkommen mit Israel, was andere dazu veranlasste, sie zu beschuldigen, die palästinensische Sache zu vernachlässigen. Seit Beginn des Krieges zwischen Israel und Hamas im Jahr 2023 hat der Staat jedoch wiederholt seine Unterstützung für die Palästinenser bekundet.
Dennoch haben sich die VAE bei der Bereitstellung von Finanzhilfen für den Wiederaufbau zurückgehalten und sich auch für die Ermöglichung eines freiwilligen Transfers der Palästinenser eingesetzt", so Fahmy. Zumindest in der Öffentlichkeit werden diese Pläne wohl kaum auf breite Unterstützung stoßen.
Auch Saudi-Arabien bleibt sowohl diplomatisch als auch finanziell ein äußerst wichtiger Akteur. Kronprinz Mohammed Bin Salman hat ein enges Verhältnis zu Trump. Saudi-Arabien hat das Abraham-Friedensabkommen mit Israel nie unterzeichnet.
"Saudi-Arabien hat versucht, die palästinensische Frage bei seinen Verhandlungen über die Normalisierung in den Vordergrund zu stellen", erläutert Mustafa. Dies habe nichts mit seinen Beziehungen zu Israel zu tun, sondern damit, "was die Saudis von den Amerikanern bekommen können" - ihrem wichtigstem internationalen Verbündeten.
Die Palästinensische Autonomiebehörde, die bei dem Gipfeltreffen auch vertreten war, wird inzwischen vielfach in Frage gestellt. "Leider wird sie nur von einer Institution vertreten, und diese Institution wird von einem Mann und seinen beiden Leutnants geleitet", meint der palästinensische Politik-Experte Tahani Mustafa.
Fabiani ist jedoch der Meinung, dass die Konferenz nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollte und bezeichnet sie als "heikles, aber existenzielles diplomatisches Spiel, bei dem es darum geht, eine Koalition zu bilden".