Der sowjetische KGB-Offizier Oleg Gordijewski hat den Verlauf des Kalten Krieges entscheidend beeinflusst und einen drohenden Atomkrieg verhindert. Er starb in seinem Haus in England, wo er seit 1985, als er zu den Briten überlief, lebte.
Gordijewski starb bereits am 4. März in seinem Haus in Godalming in der Grafschaft Surrey. Die Polizei erklärte am Samstag, dass sie seinen Tod nicht als verdächtig ansieht.
Historiker halten Gordijewski für einen der bedeutendsten Spione seiner Zeit. In den 1980er Jahren trugen seine Informationen dazu bei, eine gefährliche Eskalation der nuklearen Spannungen zwischen der UdSSR und dem Westen zu verhindern.
Der 1938 in Moskau geborene Gordijewski trat Anfang der 1960er Jahre in den KGB ein und diente in Moskau, Kopenhagen und London, wo er KGB-Stationschef wurde.
Er war einer von mehreren sowjetischen Agenten, die nach der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 durch Truppen des Warschauer Pakltes von der UdSSR desillusioniert waren und in den frühen 1970er Jahren vom britischen Geheimdienst MI6 angeworben wurden.
In dem 1990 erschienenen Buch "KGB: The Inside Story", das gemeinsam von Gordijewski und dem britischen Geheimdiensthistoriker Christopher Andrew verfasst wurde, heißt es, Gordijewski sei zu der Überzeugung gelangt, dass "der kommunistische Einparteienstaat unaufhaltsam zu Intoleranz, Unmenschlichkeit und der Zerstörung von Freiheiten führt". Er beschloss, dass der beste Weg, für die Demokratie zu kämpfen, darin bestand, für den Westen zu arbeiten".
In den kältesten Jahren des Kalten Krieges arbeitete er mehr als ein Jahrzehnt lang für den britischen Geheimdienst.
Atomkrieg verhindert
Im Jahr 1983 warnte Gordijewski Großbritannien und die USA, dass die sowjetische Führung so besorgt über einen nuklearen Angriff des Westens sei, dass sie einen Erstschlag in Erwägung ziehe. Als die NATO-Übung "Able Archer" in Moskau die Befürchtung weckte, es handele sich um einen verdeckten Aufmarsch, informierte Gordijewski den britischen Geheimdienst. Daraufhin unternahmen Washington und London Schritte, um Moskau zu versichern, dass es sich nicht um die Vorbereitung eines Atomangriffs handelte.
Anschließend bemühte sich US-Präsident Ronald Reagan um einen Abbau der nuklearen Spannungen mit der Sowjetunion.
Als 1984 der spätere sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow erstmals Großbritannien einen offiziellen Besuch abstattete, bereitete Gordijewski Gorbatschow auf die Reise vor - und er gab den Briten Tips, wie sie sich dem Reformpolitiker gegenüber verhalten sollten. Gorbatschows Treffen mit Premierministerin Margaret Thatcher war ein großer Erfolg. Anschließend sagte Thatcher: "Ich mag Herrn Gorbatschow. Mit ihm können wir arbeiten."
Der ranghöchste sowjetische Überläufer
Ben Macintyre, Autor des Buches "The Spy and the Traitor" über den Doppelagenten, erklärte gegenüber der BBC, Gordijewski habe es geschafft, "auf geheime Weise den Anfang vom Ende des Kalten Krieges einzuleiten".
Gordijewski wurde 1985 zu Konsultationen nach Moskau zurückgerufen und entschied sich zu gehen, obwohl er - zu Recht - befürchtete, dass seine Rolle als Doppelagent aufgedeckt worden war. Er wurde unter Drogen gesetzt und verhört, aber nicht angeklagt. Großbritannien arrangierte eine verdeckte Operation, um ihn aus der Sowjetunion herauszuschleusen: Gordijewsk wurde im Kofferraum eines Autos über die Grenze nach Finnland geschmuggelt.
Er war der ranghöchste sowjetische Spion, der während des Kalten Krieges überlief. Aus 2014 freigegebenen Dokumenten geht hervor, dass Großbritannien Gordijewski für so wertvoll hielt, dass Premierministerin Thatcher sich um einen Deal mit Moskau bemühte: Sie schlug dem Kreml vor, wenn Gordijewski Frau und Töchter zu ihm nach London ziehen dürften, würde Großbritannien nicht alle KGB-Agenten ausweisen, die er enttarnt hatte.
Moskau lehnte das Angebot ab, und Thatcher ordnete die Ausweisung von 25 Russen an, trotz der Einwände von Außenminister Geoffrey Howe, der befürchtete, dass dies die Beziehungen gerade zu dem Zeitpunkt beeinträchtigen könnte, als Gorbatschow für Entspannung sorgte.
Moskau reagierte mit der Ausweisung von 25 Briten. Das löste dann eine zweite Runde aus, in der jede Seite sechs weitere Diplomaten auswies. Doch trotz Howes Befürchtungen wurden die diplomatischen Beziehungen nie abgebrochen.
Gordijewskis Familie stand sechs Jahre lang unter 24-stündiger KGB-Überwachung, bevor sie 1991 zu ihm nach England ausreisen durfte. Gordijewski lebte den Rest seines Lebens unter britischem Schutz in Godalming, einer 64 Kilometer von London entfernten Kleinstadt in der Grafschaft Surrey.
Tod wird nicht als verdächtig behandelt
In Russland wurde Gordijewski wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. In Großbritannien erhob ihn Königin Elisabeth II. 2007 zum "Companion of the Order of Saint Michael and Saint George" für "Verdienste um die Sicherheit des Vereinigten Königreichs". Es ist eine der höchsten Auszeichnungen die in Großbritannien vergeben werde. Auch der fiktive britische Spion James Bond wurde für "Verdienste um die Sicherheit des Vereinigten Königreichs" mit dem "Order of St Michael and St George" ausgezeichnet.
Im Jahr 2008 behauptete Gordijewski, er sei vergiftet worden und habe 34 Stunden im Koma gelegen, nachdem er verdorbene Schlaftabletten eingenommen hatte, die ihm ein russischer Geschäftspartner gegeben hatte.
Die Risiken, denen er ausgesetzt war, wurden 2018 deutlich, als der ehemalige russische Geheimdienstoffizier Sergej Skripal und seine Tochter in der englischen Stadt Salisbury, wo Skripal seit Jahren zurückgezogen lebte, mit einem sowjetischen Nervenkampfstoff vergiftet wurden und schwer erkrankten.
Die Polizei von Surrey teilte mit, dass Beamte am 4. März zu einer Adresse in Godalming gerufen wurden, wo "ein 86-jähriger Mann tot aufgefunden wurde".
Das Kommisariat für Terrorismusbekämpfung hat die Ermittlungen übernommen. "Der Tod wird derzeit nicht als verdächtig eingestuft und es gibt keinen Hinweis auf ein erhöhtes Risiko für die Öffentlichkeit", teilte die Polizei von Surrey mit