Wohnort und Wohlstand der Familie sind entscheidend für die Zukunft der eigenen Kinder. In Süddeutschland gibt es weniger Kinderarmut, Jugendarbeitslosigkeit und mehr Ausbildungsplätze, so der Bericht "Teilhabeatlas".
Nicht alle jungen Menschen in Deutschland haben die gleichen Chancen. Den Unterschied macht bereits, ob Kinder auf dem Land oder in der Stadt groß werden und in welcher Region Deutschlands sie aufwachsen.
Im Süden gibt es weniger Kinderarmut, Jugendarbeitslosigkeit und junge Menschen können aus einem großen Arbeitsplatzangebot wählen. Das teilte eine Studie, die sich mit den Teilhabemöglichkeiten von jungen Menschen beschäftigt, der sogenannte Teilhabeatlas.
Kinderarmut in Großstädten am größten
Mehr als jedes vierte Kind in Duisburg, Bremerhaven und Gelsenkirchen lebte 2022 in einer Familie, die Leistungen wie etwa Bürgergeld bezog. Diese Kinder (bis 15 Jahre), die staatliche Transferleistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches beziehen, wachsen in Kinderarmut auf.
In Süddeutschland hingegen ist Armut ein selteneres Problem. In Städten wie Biberach, Neu-Ulm oder im Oberallgäau ist nur jedes zwanzigste Kind von Armut betroffen.
Je höher die Kinderarmutsquote in einer Stadt oder in einem Kreis ist, desto niedriger die Teilhabechancen, so der Teilhabeatlas. "Eine Teilhabehürde kommt selten allein", heißt es in dem Bericht. Kinderarmut und Jugendarbeitslosigkeit sind oft verschränkt mit einem niedrigen Angebot an Ausbildungsplätzen.
Neben dem Nord-Süd-Gefälle innerhalb Deutschlands ist Kinderarmut auch zukunftsweisend für die Betroffenen. "Aufwachsen in Armut 'begrenzt, beschämt und bestimmt' oft das Leben von Kindern und Jugendlichen – heute und mit Blick auf ihre Zukunft", heißt es im Teilhabeatlas.
Der nationale Bildungsbericht 2024 der Arbeiterwohlfahrt (AWO) zeigt auf, dass "vererbte" Bildungsnachteile den Weg aus der Armut blockieren können. Kinder aus armen Familien lernen sprachliche und mathematische Fähigkeiten langsamer. Bleiben die Bildungsnachteile erhalten, weil etwa der Zugang zu gesellschaftlicher Teilhabe oder Lernunterstützung fehlt, kann sich Armut über Generationen verfestigen.
Mehr als zehn Prozent Schulabbrecher in Ostdeutschland
Um später erfolgreich in die Berufswelt zu starten, wird ein Schulabschluss häufig vorausgesetzt. Doch junge Menschen in den ostdeutschen Bundesländern und im Norden tun sich damit schwerer: Im Jahr 2022 lag der Anteil der jungen Menschen ohne Schulabschluss dort vielerorts bei zehn bis 15 Prozent.
"Hier starten besonders viele junge Menschen ohne das nötige Rüstzeug und mit stark verringerten Chancen auf einen Ausbildungsplatz in den nächsten Lebensabschnitt", so der Bericht.
Im Kreis Dithmarschen im hohen Norden Deutschlands brechen beispielsweise mehr als zwölf Prozent die Schule vor einem Abschluss ab. Hier liegt die Industrie- und Hafenstadt Brunsbüttel. Eine der Gemeinschaftsschulen im Ort ist eine sogenannte "Perspektivschule".
Mit zusätzlichem Geld von Schleswig-Holstein werden zwei Kräfte bezahlt, die den Fehlzeiten bei Schülern auf den Grund gehen. Durch das Erfassen und Dokumentieren der Fehlzeiten sollen Muster auffallen, denn oftmals ist das Fernbleiben vom Unterricht der erste Schritt Richtung Schulabbruch.
Im Westen und Südwesten Deutschlands hingegen ist die Quote der Schulabbrecher deutlich niedriger. In weiten Teilen Bayerns liegt der Anteil an Jugendlichen ohne Schulabschluss zwischen drei und sechs Prozent.
Jugendarbeitslosigkeit verhindert den Weg in die Selbstständigkeit
Ohne Schulabschluss sind auch die Möglichkeiten auf einen Arbeitsplatz eingeschränkt. Hinzu kommt, dass Regionen mit hohen Schulabbrecherquoten oftmals ein geringeres Angebot an Ausbildungsplätzen haben.
Menschen unter 25 Jahren, die weder Ausbildungs- noch Studienplatz haben und auch keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, werden in der Jugendarbeitslosigkeit statistisch erfasst. Diese Gruppe ist oftmals von staatlichen Leistungen abhängig und in seinen Entfaltungsmöglichkeiten eingeschränkt.
Im Jahr 2022 lag die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland insgesamt bei 4,4 Prozent. Dabei sind der Nordosten und das Ruhrgebiet besonders betroffen. "Ohne Arbeit haben junge Menschen häufig auch schlechtere Zukunftsperspektiven und weniger Kontakt zu anderen Menschen", so der Bericht. "Das kann dazu führen, dass sie durch die Arbeitslosigkeit nicht nur weniger Geld zur Verfügung haben, sondern damit verbunden auch weniger am gesellschaftlichen Leben teilhaben können und sozial isoliert sind."
Mobilität stellt Jugendliche vor Herausforderungen
Ob Sport oder Musikunterricht, junge Menschen auf dem Land können nicht immer selbstständig zu Treffpunkten kommen. Den Führerschein kann man frühestens mit 17 für begleitetes Fahren machen, öffentliche Verkehrsmittel kommen auf dem Land meistens nicht öfter als stündlich.
Wer auf dem Land groß wird, ist in seiner Mobilität deutlich eingeschränkter als junge Menschen in städtischen Regionen. Bei Vereinsaktivitäten sind die daher deutlich abhängiger von ihrem Umfeld und auf Fahrdienste angewiesen.
"Auch Jugendtreffs sind bei vielen beliebt. Sie erfüllen eine wichtige Funktion, denn sie können kostenlos genutzt werden, bieten Raum, sich mit Freundinnen und Freunden zu treffen, und für eine weitestgehend eigenständige Freizeitgestaltung", so der Bericht.
Eine der Handlungsempfehlungen des Berichts ist, kostenlose und vielfältige Freizeitangebote für junge Menschen zu schaffen. Während es in Gymnasien oftmals Arbeitsgemeinschaften gibt, ist in Gemeinschaftsschulen die Möglichkeit der Mitwirkung gering.
Der Bericht fordert insbesondere, junge Menschen an der Gestaltung ihrer Lebenswelt aktiv zu beteiligen. Er macht darauf aufmerksam, dass 42 Prozent der Wähler bei der vergangenen Bundestagswahl über 60 Jahre alt waren - gegenüber knapp vier Prozent potenzieller Erstwähler. Junge Menschen würden auch politisch mehr Gewicht benötigen.