Laufende Nasen, Augenjucken... rund zwölf Millionen Menschen in Deutschland haben Heuschnupfen. 2050 könnte jeder Zweite von Atemwegsallergien betroffen sein, warnen Forscher.
Rund jeder Dritte in Deutschland leidet unter einer chronischen allergischen Erkrankung. Bis 2050 könnte jeder Zweite von Atemwegsallergien betroffen sein, warnt die Europäische Akademie für Allergie und klinische Immunologie. Woran liegt das und was können Betroffene tun? Euronews hat mit Experten gesprochen.
Pollenallergien treten zu Beginn der Blütezeit besonders intensiv auf. Experten warnen jedoch, dass sich der Zeitraum vergrößern könnte.
Woher kommt Heuschnupfen?
"Die Pollensaison startet früher und kann auch länger anhalten", erklärt Anja Schwalfenberg vom Deutschen Allergie- und Asthmabund (DAAB) auf Nachfrage von Euronews. Pollenallergien könnten sich durch Auswirkungen des Klimawandels in ihrem Beginn, ihrer Dauer und ihrer Intensität verändern.
"Es ist eine interessante Gemengelage, die dazu führt, dass man den Eindruck gewinnen kann, dass allergische Krankheiten zugenommen haben", nuanciert Prof. Dr. Thomas Fuchs, Facharzt an der Universitätsmedizin Göttingen und Pressesprecher des Ärzteverbands Deutscher Allergologen (AEDA).
Neben dem Klimawandel als Beschleuniger ist auch die Vererbung allergischer Reaktionen auf bestimmte Stoffe ein wichtiger Faktor. "Wenn beide Eltern z.B. Heuschnupfen haben, oder allergisches Asthma, dann wird ein Kind aus dieser Familie im Alter von etwa sechs Jahren in etwa zwei Drittel der Fälle auch erkrankt sein", so Fuchs vom AEDA.
Auch der Lebensstil beeinflusst, wie resistent Menschen gegenüber Allergien sind. So haben Forschende nach Angaben des DAAB herausgefunden, dass Kinder, die in ländlicher Umgebung aufwachsen, ein geringeres Allergierisiko als Stadtkinder haben. "Der Kontakt mit bestimmten Bakterienbestandteilen während der Kindheit bewirkt möglicherweise, dass das Immunsystem Allergene besser toleriert, so dass es seltener zu allergischen Reaktionen kommt“, so Schwalfenberg.
Pollen in Städten sind 'aggressiver'
In der Stadt kommt zum schwächeren Immunsystem auch die niedrigere Luftqualität. "Menschen, die an vielbefahrenen Straßen wohnen (müssen), sind konfrontiert mit 'aggressiveren Pollen'. Die können leichter eindringen in den Organismus und allergische Reaktionen hervorrufen", erklärt Fuchs.
Eine Untersuchung von Forschern des Klinikums Augsburg hat ergeben, dass beispielsweise Stickoxide aus Diesel-Motoren oder Ozon das Pflanzenwachstum, die Pollenproduktion und den Allergengehalt von Pollen beeinflussen können.
"Es können mehr Pollen ausgebildet werden, die auch noch mehr Allergene enthalten. Ein höherer CO2-Gehalt der Luft führt zu einer steigenden Pollenproduktion und damit zu einer stärkeren Pollenbelastung", erklärt der DAAB. Die Allergene lagern sich "an Feinstaubpartikeln in der Luft an", wie sie vermehrt in Städten vorkommen.
Durch die Feinstaubbelastung werden die Schleimhäute von Stadtbewohnern angegriffen. Luftschadstoffe führen unter anderem dazu, dass sich Schleimhäute entzünden und infolge "undicht" werden könnten. Allergene dringen dadurch in den Körper und alarmieren das Immunsystem - was wiederum langfristig eine Allergie auslösen kann.
Heuschnupfen & Asthma: Eine Allergie kommt selten allein
"Mit der pollenallergischen Reaktion kann in etwa 50 Prozent der Fälle auch eine Nahrungsmittelallergie verbunden sein", erklärt Fuchs. "Zum Beispiel gegen Steinobst und Haselnüsse. Diese Allergie kann im Extremfall zum Tode führen."
Der Allergologe betont, wie wichtig eine richtige Behandlung über einen Facharzt wie Dermatologen oder Allergologen sei. "Ein Drittel der Patienten, die sich nicht ausreichend behandeln lassen, bekommen dieses Asthma, das ist eine Form von Luftnot, welche auch außerhalb der Blütezeit auftreten kann."
Asthma ist zwar behandelbar, aber nicht rückgängig zu machen. "Durch eine frühzeitige Behandlung mit der Hyposensibilisierung hofft man, das Risiko für die Entwicklung eines allergischen Asthmas gut zu senken", sagt auch Schwalfenberg vom DAAB. Die dreijährige Behandlung ist bisher die einzige Art der Therapie, die direkt an der Ursache allergischer Erkrankungen ansetzt.
Linderung können Betroffene auch mit Medikamenten erreichen. Hier warnt Fuchs vom AEDA jedoch vor rezeptfreien Präparaten aus der Apotheke, "zum Beispiel Antihistaminika. Die haben durchaus Nebenwirkungen, verursachen Müdigkeit oder Herzprobleme", erklärt er.
Gräser sind die Gewinner des Klimawandels
Einzig eine persönlich abgestimmte Diagnostik helfe wirklich weiter. Oftmals betreffen allergische Reaktionen bestimmte Pollen und Gräser, die unterschiedliche Blühzeiten haben. Diese sollte man nachverfolgen. Die Hauptsaison von Gräsern ist etwa von Mai bis einschließlich Juni, so der DAAB. Aber auch im "September oder Oktober fliegen noch Graspollen durch die Luft", wenn der Sommer trocken und warm ist, so Fuchs.
Schwalfenberg erklärt: "Gräser vertragen einen Temperauranstieg sehr gut. Sie sind Gewinner des Klimawandels. Schon jetzt gehören sie bei Pollenallergien zu den häufigsten Allergieauslösern." Es können auch neue Allergieauslöser hinzukommen und sich stärker ausbreiten wie die stark allergene Ambrosia, dessen Pollen nach Angaben der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg am stärksten allergen sind.
Das laufende Jahr ist für Allergiker nicht zuträglich. Deutschland war von Anfang Februar bis Mitte April so trocken wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Auch weite Teile Europas waren in dieser Periode zu trocken.
"Ist es sehr trocken und regnet es über längere Zeit nicht, kann sich eine große Menge unterschiedlicher Partikel in der Luft ansammeln und auch immer wieder aufgewirbelt werden", so der DAAB. Die Prognosen des DWD für den Sommer zeigen an, dass ein Niederschlagsdefizit weiterhin wahrscheinlich ist.
In den letzten Jahren gab es darüber hinaus "weltweit einige Berichte zu starken Atemwegsbeschwerden im Zusammenhang mit Unwetterereignissen", so Schwalfenberg vom DAAB. "Dies wird als sogenanntes Gewitter-Asthma bezeichnet. Besteht ein Heuschnupfen und allergisches Asthma, können dadurch schwere Asthmaanfälle durch sehr kleine allergene Partikel auftreten. Aber auch bei Patienten mit Heuschnupfen kann es bei einer solchen Wetterlage zu Asthma kommen."
Die Gefahr zur Bildung von sehr kleinen Pollenstücken scheint nach Angaben des DAAB vor allem bei großen Pollenmengen durch Gräser, bei heftigen Unwettern und trockenem Wetter erhöht zu sein. "Halten Sie sich bei Unwettern mit starken Winden und Gewittern während der Haupt-Pollensaison lieber in Innenräumen auf", empfiehlt Schwalfenberg.