Nach einem Angriff auf einen Rentner haben rechte Gruppen in Torre Pacheco zur "Jagd auf Migranten" aufgerufen. Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen ultrarechten Gruppen und Polizei eskalieren.
Innerhalb von nur 72 Stunden sind gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen ultrarechten Gruppen und der Polizei in Torre Pacheco eskaliert. Die Gemeinde in der Region Murcia in Spanien ist zum nationalen Brennpunkt einer Krise geworden.
Steine werden geworfen, Leuchtkugeln abgefeuert, rassistische Slogans gerufen. Hassrede und Desinformation in den sozialen Netzwerken verschärfen die Situation.
Auslöser war der gefilmte und im Internet verbreitete Angriff auf einen Rentner, der eine Welle der Gewalt gegen die zugewanderte Bevölkerung lostrat. Nach Angaben der Stadtverwaltung leben in der Gemeinde Torre Pacheco mehr als 90 Nationalitäten.
Das Opfer, ein 68-Jähriger, war offenbar von jungen Männern aus dem Hinterhalt attackiert worden. Der Angriff hat im Rahmen einer "viralen Kampagne" eine Welle an Gewalt losgetreten. Grund dafür ist, dass er, so der Rentner gegenüber lokalen Medien, von drei Jugendlichen aus Nordafrika überfallen wurde. Einer der Angreifer soll minderjährig gewesen sein. Bisher wurde niemand im Zusammenhang mit dem Vorfall verhaftet.
Rechtsextreme und ultrarechte Gruppen sollen danach zur "Jagd auf Migranten" aufgerufen haben.
Es folgten drei Nächte mit Ausschreitungen. Auch Gruppen aus anderen umliegenden Ortschaften beteiligten sich, wie die örtlichen Behörden bestätigten. Im Viertel San Antonio, in dem viele der Migrantenfamilien wohnen, wurden Steine geworfen, Fackeln angezündet, Räumlichkeiten gestürmt und rassistische Hassrede ausgerufen.
Nach Angaben der Regierungsdelegation wurden inzwischen acht Personen verhaftet: fünf Spanier und drei maghrebinische Staatsbürger, von denen zwei in direktem Zusammenhang mit dem ursprünglichen Angriff oder dessen Vertuschung stehen sollen. Sie sehen sich mit Vorwürfen der Aggression, Sachbeschädigung, Störung der öffentlichen Ordnung und Volksverhetzung konfrontiert.
Kämpfe eskalieren: Polizeipräsenz verstärkt
Die Polizeipräsenz wurde durch den Einsatz von mehr als 75 Beamten verstärkt, darunter Mitglieder der Guardia Civil (Zivilgarde), der örtlichen Polizei und der dortigen sogenannten "Anti-Aufruhr-Einheiten" USECIC und GRS. Dank dieser Einsätze konnten die Unruhen unter Kontrolle gehalten werden - nach Angaben des Senders RTVE wurde damit eine Wiederholung der Zusammenstöße verhindert.
Die Angst bleibt jedoch bestehen. "Die Migranten gehen nicht raus (auf die Straße). Und die Einheimischen auch nicht", sagte ein Anwohner gegenüber der Zeitung El País.
Viele Geschäfte haben ihre Rollläden heruntergelassen, und einige Familien, vor allem marokkanischer Herkunft, haben beschlossen, ihre Kinder nicht zur Schule zu schicken oder sogar vorübergehend ihre Häuser nicht mehr zu verlassen."
Die Rolle der Desinformation
Auf sozialen Netzwerken wurde von bisher Unbekannten zur "Jagd auf Migranten" aufgerufen. Das soll Konsequenzen haben: Die Guardia Civil hat eine Untersuchung eingeleitet, um die Verantwortlichen hinter der verschlüsselten Nachricht zu finden. Plattformen wie "VerificaRTVE" und "Newtral" bestätigten, dass viele der zur Rechtfertigung der Gewalt verwendeten Videos alt, manipuliert oder schlichtweg falsch waren.
Die spanische Regierung reagierte scharf. Die Ministerin für Migration, Elma Saiz, erklärte, dass "Spanien kein Land ist, in dem Einwanderer gejagt werden". Sie beschuldigte Rechtsextreme, mit ihren Reden Hass geschürt zu haben. Innenminister Fernando Grande-Marlaska machte in einem Interview mit "Cadena SER" direkt die Rechtsaußen-Partei Vox für die Verbreitung von Botschaften verantwortlich, die "dieser Situation Vorschub geleistet haben".
Die Vox-Partei hatte bei den letzten Kommunalwahlen in Torre Pacheco fast 19 Prozent der Stimmen erhalten. Vox veröffentlichte auf ihrem offiziellen X-Konto mehrere Nachrichten, in denen sie Einwanderer nordafrikanischer Herkunft direkt für den "Terror" verantwortlich machte.
Saiz und die stellvertretende Vorsitzende Yolanda Díaz beschuldigten die Partei, "mit rassistischen Reden die Straßen in Brand zu setzen" und "Schmerz zu benutzen, um zu spalten". Vox wies jede Verantwortung für die Unruhen zurück und forderte stattdessen eine "harte Hand gegen illegale Einwanderung".
Einwohner: "Wir haben das Gefühl, dass wir alleine sind"
Der Bürgermeister von Torre Pacheco, Pedro Ángel Roca, hat die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt und die Angriffe verurteilt. Ein Teil der Einwanderergemeinde beschwerte sich darüber, dass die offizielle Reaktion nur "lauwarm" gewesen sei. "Wir haben das Gefühl, dass wir alleine sind", sagte ein marokkanischer Ladenbesitzer gegenüber "El Mundo".
Die Gemeinde Torre Pacheco, dessen Wirtschaft sich auf die intensive Landwirtschaft konzentriert, ist seit jeher durch das Zusammenleben der verschiedenen Gemeinschaften, aber auch durch starke soziale Ungleichheiten gekennzeichnet.
Nach Angaben der Gemeinde sind 32 Prozent der Einwohner Ausländer, von denen viele in der Landwirtschaft arbeiten. Laut Mariola Guevara, der Regierungsbeauftragten in Murcia, werden die Sicherheitsvorkehrungen so lange wie nötig aufrechterhalten.