Nachdem 19 Drohnen den polnischen Luftraum verletzten, hat Moskau sein Großmanöver “Sapad-2025” in Belarus gestartet. Nur wenige Kilometer entfernt trainiert die Bundeswehr für den Ernstfall. Eine Lage-Analyse.
Die Bundeswehr und die russischen Streitkräfte üben derzeit nur wenige Kilometer voneinander entfernt. Während im Baltikum rund 8.000 Bundeswehr-Soldaten im Rahmen der Großübung "Quadriga 2025" den Ernstfall trainieren, ist am Freitag das "Sapad-2025"-Manöver der russischen und belarussischen Armeen gestartet. Beide Großmanöver werden von dem russischen Drohnen-Vorfall in Polen überschattet.
Am vergangenen Mittwoch drangen 19 Drohnen in den polnischen Luftraum ein. Der polnische Generalleutnant der Reserve Jarosław Gromadziński wertete dies als gezielte Provokation, mit der Russland die Reaktionsfähigkeit der NATO austesten wollte.
Diesen Eindruck bestätigte auch Oberst a.D. Ralph Thiele, Präsident von EuroDefense Deutschland. Im Gespräch mit Euronews betont er, dass Russland durch solche Vorfälle "ein sehr gutes Bild darüber bekommt, wie die Verteidigung der NATO reagiert und was sie kann".
Besonders deutlich wurde das bei der Abwehr der Drohnen: Nur ein Teil der billig produzierten Fluggeräte wurde abgeschossen - und das teils mit hochgerüsteten Kampfflugzeugen. "Als würde man mit einer Kanone auf eine Fliege schießen", ergänzt General Gromadziński.
Als Reaktion auf den Drohnen-Vorfall in Polen verstärkte das deutsche Verteidigungsministerium die Luftverteidigung an der Ostflanke. Die Bundesregierung verlängert den deutschen Beitrag zum Schutz des polnischen Luftraums und stimmt die Maßnahmen eng mit NATO und Alliierten ab.
Die derzeit eingesetzte Alarmrotte am Luftwaffenstützpunkt Laage wird bis zum 31. Dezember 2025 verlängert – ursprünglich sollte der Einsatz Ende September enden. Die Zahl der Eurofighter-Flugzeuge inklusive Besatzungen wird auf vier verdoppelt.
"Die Luftwaffe stellt die Einsatzbereitschaft sofort sicher", teilte das Ministerium mit.
Sapad 2025: NATO wird getestet
Gromadziński sieht in dem Drohnen-Vorfall "eine deutliche Verbindung zu Sapad", weil man zunächst wissen muss, dass Sapad nicht nur vom 12. bis 16. September stattfindet. "Die Übung begann bereits viele Monate vorher. Nur wenige wissen, dass sie nur alle vier Jahre durchgeführt wird, weshalb es eine lange Vorbereitungsphase gibt, die der eigentlichen Hauptphase vorausgeht", erklärt er.
Russland und Belarus testen mit ihrem gemeinsamen Militärmanöver "Sapad 2025" die Reaktion der NATO. Truppen in Belarus üben die Abwehr von Angriffen, Verteidigungskämpfe, Luftunterstützung für Bodentruppen sowie Kampf gegen Sabotage- und Aufklärungseinheiten.
"Die aktuelle "Sapad"-Übung ist sehr spezifisch, sie hat keine massenhafte Dimension, sondern dient vielmehr dazu, Verfahren und Strukturen zu testen", so Gromadziński zu Euronews. "Alle Provokationen an unserer Grenze passen in diese Übungen." Dass Russland das belarussische Territorium für diese Übung nutze, passe dem General zufolge zu der Provokation.
Thiele zufolge sei die Anzahl der Soldaten für die Sapad-Übung reduziert worden, weswegen ihm die Übung keine großen Sorgen bereite. Jedoch habe er aufgrund der Suwałki-Lücke Verständnis für die Aufregung der Polen und Balten.
Die Suwałki-Lücke ist ein schmaler Landstreifen zwischen Litauen und Polen, der den einzigen Landweg zwischen den baltischen Staaten und der restlichen NATO bildet. Russland könnte diesen Korridor leicht sperren und das Baltikum isolieren. "Und ich sage mal ganz objektiv dazu: Die NATO weiß schon seit Jahrzehnten, dass sie das Gebiet auch schlecht verteidigen kann", so Thiele.
Gromadziński weist darauf hin, dass Russland bei der Übung neue Kommandostrukturen testet. "Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass Russland seine Kommandostrukturen seit einem Jahr verändert hat", erklärt er.
"Früher gab es in unserer Richtung den sogenannten Westlichen Militärbezirk, der in die Bezirke Moskau und Leningrad unterteilt war - Letzterer existierte zuvor nicht. Bei dieser Übung spielt genau der Leningrader Militärbezirk die Hauptrolle, er führt die Übung durch. Interessant ist, dass auch der Kaliningrader Bezirk nun dem Leningrader unterstellt ist. Innerhalb der Übung trainieren die Russen zudem mit zwei neu gebildeten Divisionen", fügt Gromadziński hinzu.
Zur selben Zeit: Bundeswehr übt mit “Quadriga 2025” für den Ernstfall
Parallel bereitet sich die NATO auf mögliche Szenarien auf der eigenen Seite der Grenze vor. Die Bundeswehr trainiert zusammen mit 13 weiteren NATO-Mitgliedern die Verteidigung der Ostflanke im Rahmen der Übung "Quadriga 2025".
Zwar gebe es dem Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, zufolge keine Anzeichen, dass "Sapad" als Tarnung für Angriffsvorbereitungen dient, dennoch bleibe man aufmerksam.
Auf Anfrage von Euronews bestätigte ein Sprecher des Quadriga-Medienzentrums, dass es bisher keine Änderungen am Übungsbetrieb als Reaktion auf die Drohnenvorfälle in Polen gebe. "Die Übungsserie Quadriga ist nicht gegen jemanden gerichtet, sondern dient dazu, das Bündnis zu verteidigen", sagt der Sprecher.
"Sie ist und bleibt eine Verteidigungsübung. Wir testen unsere eigenen Fähigkeiten und zeigen das auch klar nach außen." Die Drohnenabwehr ist von Anfang an als Übungsinhalt eingeplant und Teil moderner Operationsführung, heißt es.