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Michel Friedman: "Niemand darf mir vorschreiben, ob ich erwünscht bin oder nicht"

Michel Friedman
Michel Friedman Copyright  Foto /Nicci Kuhn
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Von Sonja Issel
Zuerst veröffentlicht am
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Nach der umstrittenen Ausladung von einer Veranstaltung in Ost-Deutschland geht der Publizist Michel Friedman nun in die Offensive. Im Gespräch mit Euronews kritisiert er die Entscheidung als "gefährliches Signal" und die Debatte um sein Honorar und seine Spesen als "antisemitisches Stereotyp".

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Eigentlich sollte Michel Friedman im Oktober 2026 anlässlich des 120. Geburtstags von Hannah Arendt im Literaturhaus "Uwe Johnson" in Klütz über Demokratie sprechen. Nun wurde der jüdische Publizist jedoch ausgeladen. Grund dafür sei die Sorge vor rechten Protesten. Er selbst sieht in dem Vorfall ein gefährliches Signal, wie Friedman im Gespräch mit Euronews betonte.

Was ist passiert?

Im Oktober 2026 findet anlässlich des 120. Geburtstags von Hannah Arendt im Literaturhaus „Uwe Johnson“ in Klütz eine Veranstaltung statt, an der ursprüglich auch Michel Friedman als Redner teilnehmen sollte. Der 69-jährige wurde eingeladen, um aus seinem erst kürzlich erschienenen Buch "Mensch! Liebeserklärung eines verzweifelten Demokraten" vorzulesen und über Demokratie zu sprechen.

Friedman hatte sich nach eigenen Angaben über die Einladung gefreut. "Gerade weil die Region stark von der AfD geprägt ist und ich den Mut dieser Einladung unterstützen wollte", so der Publizist im Gespräch mit Euronews.

Dann kam jedoch die Absage.

Literaturhaus nennt Sicherheitsbedenken - Michel Friedman zweifelt

Literaturhaus-Leiter Oliver Hintz erklärte, Bürgermeister Jürgen Mevius habe ihm am Telefon gesagt, ein städtisches Gremium lehne den Auftritt aus Sorge vor rechten Störern oder Hamas-Sympathisanten ab. Daraufhin habe Hintz die Einladung zurückgezogen. Zuvor habe bereits eine Mitarbeiterin des Hauses Bedenken geäußert.

Michel Friedman selbst zweifelt an der Begründung, es gehe hier vor allem um Sicherheitsbedenken. Sie wirke vorgeschoben, so der 69-jährige. "Wie soll jemand heute schon wissen, was im Oktober 2026 passiert?"

Zudem sei es die Aufgabe des Staates, derartige Veranstaltungen schützen, egal ob sie von Rechtsextremen, Linksextremen oder Islamisten bedroht würden. Eine Absage dürfe dabei nur als letztes Mittel in Betracht kommen, so Friedman. "Ein Jahr vorher schon mit derartigen Warnungen zu argumentieren ist eine Katastrophe."

Ein solches Vorgehen würde Künstlerinnen und Künstler ebenso ein wie generell alle Menschen, die ihre Meinung äußern wollen, einschüchtern.

Debatte um Kosten

Mevius widersprach laut der Deutschen Presse-Agentur dieser Darstellung. Er nannte wiederum finanzielle Gründe für die Entscheidung. Friedmans Honorar liege deutlich über den üblichen Sätzen. Außerdem soll der Bürgermeister mitgeteilt haben, Friedmans Auftreten passe nicht zu Klütz und man würde hohen Kosten bei der Veranstaltung fürchten. Gemeint war damit nach Angaben "FAZ", dass Friedman mit einem Fahrdienst zu der Veranstaltung kommen und in einem Hotel in Hamburg übernachten wollte.

Der Leiter des Literaturhauses, Oliver Hintz, stellte beim Sender NDR klar, dass die Kosten von Sponsoren übernommen worden wären. Auch der Förderverein bestätigte, dass die Stadt keine Ausgaben gehabt hätte.

Friedman zeigte sich im Gespräch mit Euronews über die Diskussion um angeblich hohe Kosten irritiert.

"Das erinnert an stereotype Zuschreibungen: der gierige Jude, der zu viel verlange. Ja, ich fliege nach Hamburg und fahre mit einem Auto weiter, auch aus Sicherheitsgründen. Aber die Kosten trägt der Förderverein, nicht die Stadt. Der Bürgermeister ist dafür weder zuständig noch inhaltlich legitimiert, über meine Teilnahme zu entscheiden."

Vorgehen in Klütz ist "gefährliches Signal"

Alles in allem sieht Michel Friedman in der Vorgehensweise in Klütz ein gefährliches Signal. "Ein Bürgermeister, der demokratisch handelt müsste, sollte sagen: "Ich lasse mich nicht einschüchtern. Ob ich Herrn Friedman mag oder nicht, ich sorge dafür, dass alle Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden." Damit gäbe er den Menschen Mut und das Vertrauen."

Ob nun finanzielle Gründe oder Sicherheitsbedenken - der bittere Beigeschmack der Ausladung von Michel Friedman in Klütz bleibt.

Er selbst signalisierte zu Euronews trotz der Debatte auch weiterhin die Bereitschaft zu weiteren Auftritten und betont sein Engagement für die Demokratie.

"Ich sage bei Veranstaltungen zu, wenn ich den Mut sehe, den es gerade in Regionen mit starkem AfD-Einfluss braucht. Genau deshalb wollte ich in Klütz sprechen: Dort gibt es Menschen, die trotz Einschüchterung für Demokratie und Freiheit einstehen. Am Ende müssen wir uns alle vernetzen, so wie auch die Antidemokraten vernetzt sind."

Zugleich machte er deutlich, dass er sich von Anfeindungen nicht abhalten lässt.

"Ich gehe in Deutschland, wohin ich will. Niemand darf mir vorschreiben, ob ich erwünscht bin oder nicht. Und kein Mensch in diesem Land sollte Angst haben müssen, egal ob er jüdisch, muslimisch, christlich, schwarz, schwul oder eine Frau ist."

Klare Reaktionen aus der Politik

Auch die Politik reagiert auf die Vorfälle in Klütz.

So hat der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, die Ausladung des Publizisten Michel Friedman im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur hart kritisiert. Es sei "ein direkter Angriff auf die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit in unserem Land und ein Armutszeugnis für die dortige Gemeinde", so Klein.

Der Grünen-Politiker und Vizepräsident des Bundestags, Omid Nouripour, schrieb derweil auf X:

"Hannah Arendt lehrt uns, dass Demokratie nur lebt, wenn wir sie verteidigen. Die Ausladung Michel Friedmans ist skandalös und zeigt, wie gefährlich es wird, wenn nicht nur Extremisten unsere Strukturen schwächen, sondern wenn wir uns von ihnen auch noch einschüchtern lassen."

Bürgermeister von Klütz verteidigt sich

Bürgermeister Mevius meldete sich inmitten der nun auch auf Bundesebene geführten Debatte noch einmal selbst zu Wort. Er betonte: "Im Namen der Stadtvertretung weise ich die gegen uns erhobenen Anschuldigungen entschieden zurück. Es gab, gibt und wird in der Stadtvertretung keine antisemitischen Äußerungen geben. Für uns sind Freiheit, Demokratie und Toleranz selbstverständlich."

Demonstration gegen Ausladung geplant

Der Widerstand gegen die Entscheidung in Klütz zeigt sich damit längst nicht mehr nur in offiziellen Stellungnahmen oder Kommentaren in sozialen Medien. Für den kommenden Montag ist in der Gemeinde eine Demonstration gegen die Ausladung Michel Friedmans angekündigt, wie der Landkreis Nordwestmecklenburg mitteilte. Die Organisatoren wollen damit ein Zeichen für Meinungsfreiheit und gegen das Einknicken vor rechtsextremen Drohkulissen setzen.

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