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Ukraine: Drohnen machen Jagd auf deutsche Ärzte und Angelina Jolie

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u Copyright  Niko Fromke, Eufomeda.
Copyright Niko Fromke, Eufomeda.
Von Diana Resnik
Zuerst veröffentlicht am
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Der deutsche Arzt Matthias Werner riskiert sein Leben in der Hölle von Cherson - genau dort, wo der Hollywoodstar zu einem Überraschungsbesuch gelandet war. Was sie dort erleben, macht selbst erfahrene Mediziner sprachlos.

Cherson ist eine der gefährlichsten Städte in der Ukraine. Nur wenige Kilometer von den russischen Stellungen entfernt versorgt ein deutsches Team von Ärzten ukrainische Dörfer unter Beschuss.

"Das Gefährlichste ist die Rein- und Rausfahrt", erzählt Matthias Werner, ein Hausarzt aus Freiburg. "Drohnen machen Jagd auf Zivilisten - im wahrsten Sinne des Wortes." Besonders gefährdet seien Feuerwehr und Krankenwagen. "Die werden von Drohnen gejagt", sagt der Hausarzt.

In Frontgebieten wie Cherson riskieren sie ihr Leben. 2023 hat der Arzt gemeinsam mit Kollegen die Hilfsorganisation "Eufomeda" gegründet (europäische Freiwilligenorganisation für medizinische Aufbauhilfe).

Angelina Jolie etwa 1 km von der Frontlinie entfernt.
Angelina Jolie etwa 1 km von der Frontlinie entfernt. @euronvanya, X.

Letzte Woche war der Hollywoodstar Angelina Jolie dort zu einem Überraschungsbesuch gelandet - allerdings als das Ärzteteam gerade nicht da war. "Das ist schade für Angelina Jolie", sagt der Hausarzt und lacht.

Werner ist vom Mut der Schauspielerin beeindruckt: "Man riskiert in Cherson tatsächlich sein Leben." Jolie besuchte zuletzt Cherson und Mykolajiw. In einem Interview habe sie gesagt, es gäbe keine Hilfe in Cherson - "das stimmt nicht", sagt Werner. "Wir sind ja immer wieder da."

Kein Geld um zu fliehen und kein Geld für Medikamente

Bei der Einfahrt in die Stadt halten Werner und sein Team immer wieder Ausschau nach kleinen Drohnen. Die seien besonders gefährlich, weil man sie nicht hört. Trotz der Gefahr fahren Werner und sein Team immer wieder in die gefährlichen Frontgebiete. "Inzwischen haben wir elf Touren hinter uns", sagt Werner. Er will helfen: "Die Leute haben nicht einmal Geld, um ins Ausland oder ins Landesinnere zu fliehen."

Kein Geld, um zu fliehen und kein Geld für Medikamente. Die medizinische Versorgung ist in den Frontgebieten sehr schlecht. Die Menschen hätten oft seit Jahren keinen Arzt mehr gesehen, erzählt Werner. "Viele von unseren Patienten gestehen uns dann, dass sie ihre Medikamente nicht genommen haben, weil sie sie nicht bezahlen konnten", berichtet der Allgemeinmediziner.

Besonders häufig kämen Psychopharmaka zum Einsatz. Die Menschen erleben tagtäglich Tod und Gewalt. Die Grausamkeit einiger russischer Soldaten hat Werner besonders schockiert. Von Zivilisten und Angehörigen der Opfer hört er immer wieder erschreckende Berichte:

Vom Krieg gebrochen

Zweijährige Zwillinge wurden exhumiert, dreizehn und sechzehnjährige wurden vergewaltig, erzählt Werner. "Uns wurde von der Dorfbevölkerung erzählt, dass die russischen Soldaten die ukrainischen Kriegsgefangenen in Oleksandrivka erschossen haben." Taten von Menschen, die es "bewusst und freiwillig" machten.

Der Arzt erinnert sich an zwei persönliche Eindrücke. Eines davon hat sein Kollege Niko Fromke aus Kirchzarten besonders eindrucksvoll dokumentiert: Er sieht zunächst aus wie ein Bettler. Doch bei näherer Betrachtung erkennt man einen ukrainischen Offizier. Er hat eine Mütze vor sich liegen. Seine Arme sind verschränkt und sein Körper wirkt hilflos, wie der eines Kindes.

Ein traumatisierter ukrainischer Soldat kniet auf der Straße.
Ein traumatisierter ukrainischer Soldat kniet auf der Straße. Niko Fromke, Eufomeda.

"Er war nicht mehr ansprechbar. Er war völlig traumatisiert", erzählt Werner. Etwas ähnliches hat er bereits bei einem Freund beobachtet, einem ehemaligen Dolmetscher, der jetzt als Soldat an der Front kämpft:

"Er konnte nicht lachen. Er guckte wie ein Toter durch einen durch", erinnert sich Werner. Einst ein lebensfroher Mensch, jetzt ein vom Krieg gebrochener Mann: "Er war völlig traumatisiert", erzählt der Arzt.

Werner sieht viel Leid. Deshalb will er gemeinsam mit seinen Kollegen, Dr. Gunter Weinreich, Niko Fromke und Roland Wagner, gegen den Krieg ankämpfen - mit welchen Mitteln auch immer.

"Wir wollen nicht berühmt werden", sagt Werner. Als Arzt will er nur helfen. Doch seinem Team fehlt auf Dauer die finanzielle Unterstützung. "Die brauchen wir auf jeden Fall."

Unterstützung brauchen auch die Menschen in der Ukraine, denn sie werden immer müder, sagt Werner. Große Hoffnungen macht der Arzt sich aber nicht: "Das ist etwas, was wir nicht mehr erleben sollten - nicht noch mal, nach 1945." Der Arzt macht sich aber nichts vor: Das könnte gut wieder passieren.

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