Ein Korruptionsskandal im ukrainischen Energiesektor löst in Kyjiw ein politisches Beben aus: Die Energieministerin Switlana Hryntschuk tritt zurück. Die ukrainische Regierung hat auch Justizminister Herman Haluschtschenko vorläufig von seinen Aufgaben entbunden.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den Rücktritt der Justiz- und Energieminister des Landes gefordert erklärt: "Sie können ihr Amt nicht weiter ausüben."
"Es ist eine Frage des Vertrauens", sagte Selenskyj am Mittwoch und fügte hinzu: "Wenn es Anschuldigungen gibt, müssen diese beantwortet werden."
"Die Entscheidung, sie ihres Amtes zu entheben, ist eine operative Maßnahme, so schnell wie möglich. Ich habe die Premierministerin der Ukraine gebeten, die Rücktritte dieser Minister einzufordern", erläuterte er.
"Ich bitte die Abgeordneten der Werchowna Rada, diese Anträge zu unterstützen. Alles Weitere muss im rechtlichen Rahmen entschieden werden."
Die ukrainische Premierministerin Yulia Svyrydenko kündigte an, dass sowohl Justizminister Herman Haluschtschenko als auch Energieministerin Switlana Hryntschuk ihre Rücktritte eingereicht haben.
Sie erklärte außerdem, dass die Regierung das Sanktionsverfahren gegen Oleksandr Tsukerman und Timur Mindich, Selenskyjs früheren Geschäftspartner, eingeleitet habe.
Von Selenskyj wird erwartet, die Sanktionen nach Zustimmung des Rates in Kraft zu setzen.
Haluschtschenko war seit 2021 zunächst Energieminister der Ukraine und wurde im Juli dieses Jahres zum Justizminister ernannt. Gegen ihn ermittelt nun das Nationale Antikorruptionsbüro (NABU) im Zusammenhang mit einer groß angelegten Korruptionsaffäre bei Energoatom.
Haluschtschenko sagte, er unterstütze die Entscheidung der Regierung, ihn zu suspendieren, und fügte hinzu, er habe ein Gespräch mit dem Premierminister geführt.
"Ich stimme voll und ganz zu: Zuerst muss eine politische Entscheidung getroffen werden, und erst dann sollten wir uns mit allen Details befassen", erklärte er auf Facebook.
"Ich klammere mich nicht an das Amt des Ministers und werde auch nicht daran festhalten. Ich glaube, dass eine Suspendierung während der Ermittlungen eine zivilisierte und angemessene Vorgehensweise ist. Ich werde mich auf dem Rechtsweg verteidigen und meine Position beweisen".
Zuvor hatte die ukrainische Regierung auch ihre Entscheidung bekannt gegeben, den Aufsichtsrat von Energoatom aufzulösen.
NABU-Untersuchung geht weiter
Am Dienstag hatte die ukrainische Anti-Korruptionsbehörde Anklage gegen acht Personen wegen Bestechung, Amtsmissbrauchs und illegaler Bereicherung erhoben.
Außerdem wurden Tonbänder veröffentlicht, auf denen die Gruppe unter Verwendung von Codenamen und verschlüsselter Sprache über angebliche Schmiergelder und Bestechungen spricht.
Nach Angaben des NABU soll Timur Mindich, ein ehemaliger Geschäftspartner des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der Hauptorganisator des mutmaßlichen Korruptionsplans sein.
Er ist Miteigentümer von Kvartal 95, einer Produktionsfirma, die vom ukrainischen Präsidenten gegründet wurde und sich früher in seinem Besitz befand.
Der Anti-Korruptions-Staatsanwalt Serhiy Savytskyi sagte bei einer Gerichtsanhörung am Dienstag, Mindich habe angeblich ein Verbrechen begangen, indem er Haluschtschenko unrechtmäßig beeinflusst habe.
Nach Angaben des NABU dauerten die Ermittlungen 15 Monate und führten zu 1.000 Stunden Abhörmaßnahmen und 70 Razzien.
Auch Haluschtschenko ist auf den NABU-Bändern zu hören.
Im Zentrum der Affäre steht der Unternehmer Tymur Minditsch, ein langjähriger Geschäftspartner Selenskyjs. Der Hauptverdächtige soll sich der Festnahme entzogen und ins Ausland geflüchtet sein.