"Mangelndes Fingerspitzengefühl", und "europäische Überheblichkeit" - so kritisieren brasilianische Politiker und Stimmen aus dem Bundestag die Belém-Bemerkung von Friedrich Merz. Nun liegt es an Umweltminister Schneider, die Lage vor Ort wieder zu beruhigen.
Bundeskanzler Friedrich Merz hat mit seiner Äußerung zu Belém vergangene Woche für erhebliche Kritik gesorgt.
Die kann der Bundeskanzler jedoch nicht verstehen - denn entschuldigen will er sich dafür nicht, wie Regierungssprecher Stefan Kornelius am Mittwoch auf einer Pressekonferenz verlauten ließ.
Nach seinem Besuch bei der Klimakonferenz hatte Merz auf einem Handelskongress in Berlin seine Eindrücke von der Stadt geschildert. "Ich habe einige Journalisten, die mit mir in Brasilien waren, letzte Woche gefragt: Wer von euch würde denn gerne hierbleiben? Da hat keiner die Hand gehoben", sagte er. "Die waren alle froh, dass wir vor allen Dingen von diesem Ort, an dem wir da waren, in der Nacht von Freitag auf Samstag wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind."
Dem Vorwurf, Merz habe sich damit "missfallend" oder gar "angewidert" über die Stadt geäußert, die die Weltklimakonferenz austrägt, widersprach Kornelius. Vielmehr habe der Kanzler damit unterstreichen wollen, dass wir in Deutschland in einem der schönsten Länder der Welt leben würden. Auch die Beziehungen zu Brasilien seien nicht gefährdet.
Aussage sorgt für Ärger in Brasilien
Zumindest für Unmut hat Merz in Brasilien dennoch gesorgt - auch beim Brasilianischen Präsidenten Lula da Silva.
Dieser empfahl Merz in Reaktion auf dessen Aussage, er hätte eine Bar besuchen, dort tanzen und die lokale Küche probieren sollen. Dann hätte der Bundeskanzler gemerkt, "dass Berlin ihm nicht einmal zehn Prozent der Qualität bietet, die der Bundesstaat Pará und die Stadt Belém bieten".
Weniger versöhnlich gibt sich Beléms Bürgermeister Igor Normando. Er kommentierte in einer Video-Botschaft auf X: "Leider verbreitet der deutsche Kanzler in seiner Rede Vorurteile und Arroganz - ganz anders als sein eigenes Volk, das auf den Straßen von Belém seine Faszination für unsere Stadt zeigt."
Der Bürgermeister von Rio de Janeiro, Eduardo Paes, ging sogar noch weiter. Laut WELT beschimpfte er Merz auf der Plattform X am Dienstag als "Nazi" und "Hitlers Vagabunden-Sohn". Kurze Zeit später sei der Kommentar jedoch verschwunden. Nun heißt es nur noch: "Es lebe die Freundschaft zwischen Brasilien und Deutschland."
Der Gouverneur des Bundesstaates Pará, Helder Barbalho, verband seine Kritik direkt mit der Klimapolitik von Merz. Auf X schrieb er, es sei kurios, dass jemand, der zur Erderwärmung beigetragen habe, die Hitze im Amazonasgebiet aber seltsam finde. Die "voreingenommene Rede" von Merz verrate "mehr über den Redner als über das Thema seiner Rede".
Die Abgeordnete Duda Salabert bezeichnete die Äußerung als Ausdruck von Arroganz. Man könne einen Politiker, der vom Klimaschutz spreche, aber Unbehagen zeige, sobald er den größten Regenwald der Erde betrete, nicht ernst nehmen. Belém sei kein Grund für Unbehagen - das eigentliche Unbehagen sei "die europäische Arroganz, die sich als Diplomatie tarnt".
Kritik aus Deutschland
Auch in Deutschland hat Merz mit seiner Formulierung deutliche Kritik ausgelöst.
Chantal Kopf, europapolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, nannte die Äußerungen "peinlich, unprofessionell, arrogant". Auf X schrieb sie: "Ein Bundeskanzler, der immer wieder vergisst oder einfach gleichgültig demgegenüber ist, welche Wirkung seine Worte haben".
Die Co-Vorsitzende der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Britta Haßelmann, fand ebenfalls klare Worte. Sie bezeichnete Merz Aussagen als "zum Fremdschämen".
Janine Wissler, ehemalige Vorsitzende der Partei Die Linke, ging in ihrer Kritik vor allem auf Merz’ außenpolitisches Auftreten ein. "Innenpolitisch kriegt er nichts hin, aber außenpolitisch macht er eine gute Figur, wurde öfter über Merz geschrieben. Nein. Auch das nicht", kommentierte sie.
Lisa Badum, klimapolitische Sprecherin der Grünen, die selbst vor Ort ist, zeigte in einem Video, dass sie Merz’ Einschätzung nicht teilt. Sie freut sich stattdessen darüber, dass Mangos auf der Straße liegen und gut schmecken. „Mir gefällt es hier sehr gut. Ich weiß wirklich nicht, was Merz hat“, so die Grünen-Politikerin auf X.
Auch Ricarda Lang kritisiert Merz - mahnt jedoch zugleich, dass die Debatte um seine Aussage zu viel Aufmerksamkeit binde und vom eigentlichen Thema ablenke.
Auf X schrieb sie, der Satz von Friedrich Merz sei "peinlich und außenpolitisch schädlich". Problematisch sei aber, dass dies bislang das sei, "was man am meisten von der Weltklimakonferenz mitbekommt". So drohe Politik "zu einer Aneinanderreihung von Empörung ohne wirkliche Substanz" zu verkommen. Statt über einen "offensichtlich onkelig-dummen Satz" zu diskutieren, müsse es um Inhalte gehen - etwa um den globalen Ausstieg aus fossilen Energien.
Umweltminister Schneider bemüht sich um Beschwichtigung
Um genau darum sollte sich Umweltminister Schneider eigentlich gerade vor Ort kümmern - inzwischen haben bei den Verhandlungen die zuständigen Minister der Teilnehmerstaaten das Zepter übernommen.
Der SPD-Politiker war bereits am Wochenende in Belém und nutzte seine Reise, um vor Beginn der Verhandlungen die Stadt und ihre waldreiche Umgebung kennenzulernen und mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.
In seiner Rede vor dem Konferenzplenum am Montag lobte Schneider den Gastgeber ausdrücklich. "Und die großartigen Menschen Brasiliens haben mich mit ihrer herzlichen Gastfreundschaft schon für sich eingenommen", sagte er, bevor er die Gastgeberregion zum Schluss mit den Worten "Viva Amazonia" hochleben ließ.
In Deutschland kümmert sich derzweil Schneiders Parteichef Lars Klingbeil um die Beschwichtigung rund um den Aufruhr um Merz Aussagen. "Ich glaube, insgesamt muss man sagen, war das ein sehr guter Besuch, den der Bundeskanzler auch in Belém hatte", so der Vizekanzler.