Der Kosmonaut Oleg Artemjew wurde aus der Crew-12-Mission abgezogen, nachdem er angeblich verbotenes SpaceX-Material fotografiert hatte. Ersetzt wird er nun durch Andrei Fedjajew.
Moskau hat einen Kosmonauten ersetzt, der für eine kommende SpaceX-Mission vorgesehen war. Laut russischen Medien soll er in der SpaceX-Trainingseinrichtung in Kalifornien Fotos von geheimen Materialien gemacht haben.
Oleg Artemjew wurde daraufhin von der Crew-12-Mission zur Internationalen Raumstation abgezogen. Wie das investigative Magazin The Insider berichtete, wird ihm vorgeworfen, gegen US-Vorschriften verstoßen zu haben, indem er Triebwerke und andere sensible Unterlagen von SpaceX fotografierte.
Der Raumfahrtanalyst Georgy Trishkin erklärte gegenüber The Insider, Quellen hätten bestätigt, dass eine behördenübergreifende Untersuchung eingeleitet wurde.
Die mutmaßlichen Verstöße ereigneten sich während eines Trainings in der SpaceX-Anlage in Hawthorne. Artemjew soll sein Mobiltelefon benutzt haben, um geheime Materialien abzufotografieren und zu versuchen, sie vom Gelände zu entfernen. Der Bericht wurde zudem von einem Telegram-Kanal der russischen Raumfahrtindustrie bestätigt.
"Es ist schwer vorstellbar, dass ein erfahrener Kosmonaut einen derart gravierenden Fehler versehentlich macht", sagte Trishkin dem Magazin.
Die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos gab am Dienstag bekannt, dass der 54-jährige Artemjew durch Andrej Fedjajew ersetzt wird, der bereits 2023 an der Crew-6-Mission von SpaceX teilgenommen hat. Roskosmos erklärte, die Umbesetzung stehe "im Zusammenhang mit der Versetzung von Oleg Artemjew an einen anderen Arbeitsplatz", ohne die Berichte über die Untersuchung zu kommentieren.
Artemjew absolvierte bislang drei Raumflüge und verbrachte 560 Tage im All. Seit 2019 sitzt er zudem in der Moskauer Stadtduma. Fedjajew, 43, verbrachte während der Crew-6-Mission 186 Tage an Bord der ISS. Der Flug startete im März 2023 und kehrte im September desselben Jahres zurück.
Der Start der Crew-12-Mission ist frühestens für den 15. Februar 2026 mit dem SpaceX-Raumschiff Crew Dragon im Rahmen des kommerziellen Besatzungsprogramms der NASA geplant. NASA und SpaceX haben sich bisher weder zu Artemjews Ausschluss noch zu den Vorwürfen geäußert.
Von den "Zarenwölfen" zum Uran-Bataillon
Die Raumfahrt gehört weiterhin zu den wenigen Bereichen gehört, in denen Russland und der Westen trotz der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 noch zusammenarbeiten.
Im Juli vereinbarten NASA und Roskosmos, den Betrieb der ISS bis 2028 zu verlängern. Die Station soll bis 2030 kontrolliert außer Dienst gestellt werden.
Zugleich gerät Russlands Raumfahrtprogramm zunehmend in die Kritik, da es den Krieg in der Ukraine direkt unterstützt.
Der ehemalige Roskosmos-Chef Dmitri Rogosin drohte Anfang 2022 wiederholt, Russland aus dem ISS-Programm zurückzuziehen, und behauptete, US-Sanktionen könnten dazu führen, dass die Station unkontrolliert auf amerikanisches oder europäisches Gebiet stürze. Ohne russische Kooperation, so deutete er an, könne die ISS in einen "unkontrollierten Deorbit" geraten. NASA-Administrator Bill Nelson wies die Drohungen zurück und lobte die Professionalität der übrigen russischen Raumfahrtmitarbeiter.
Rogosin – ein nationalistischer Politiker, früherer NATO-Botschafter und für seine Teilnahme an rechtsextremen Veranstaltungen bekannt – wurde im Juli 2022 entlassen und durch Juri Borissow ersetzt. Anschließend stilisierte er sich zum Anführer der Freiwilligeneinheit "Zarenwölfe", die Berichten zufolge neue Waffen für russische Truppen testet. Seine Selbstdarstellung in teurer Militärkleidung brachte ihm Kritik des später getöteten Wagner-Chefs Jewgeni Prigoschin ein, der dies als "PR-Masche" bezeichnete.
Im Dezember 2022 wurde Rogosin verletzt, nachdem ihn in einem Restaurant im russisch besetzten Donezk ein Schrapnell einer Präzisionsmunition traf.
Unterdessen startete Roskosmos im Juni 2023 eine Rekrutierungskampagne für das "Uran-Bataillon", eine Freiwilligeneinheit, die in der Ukraine kämpft. Borissow erklärte 2024, mehr als 1.000 Mitarbeiter der Raumfahrtindustrie seien inzwischen in den Krieg involviert, und Satellitensysteme der Agentur lieferten russischen Truppen Echtzeitinformationen.
Borissow, ehemaliger stellvertretender Verteidigungsminister, wurde im Februar von Präsident Wladimir Putin entlassen und durch den stellvertretenden Verkehrsminister Dmitri Bakanow ersetzt.
Die Europäische Weltraumorganisation stellte bereits im März 2022 die Zusammenarbeit mit Roskosmos an der ExoMars-Rover-Mission ein. Das britische Satellitenunternehmen OneWeb beendete ebenfalls die Kooperation und wechselte zu anderen Startanbietern.