Eine Drohne, die lautlos durch die Tiefen des Wassers gleitet und Tiefseekabel wochenlang überwacht, ohne menschliches Zutun: Das ist die Unterwasserdrohne "Greyshark". Zwei EU-Länder soll das Bremer Unternehmen Euroatlas damit bereits überzeugt haben.
Ein neues Unterwasserfahrzeug, das mithilfe von Künstlicher Intellligenz gesteuert wird und über Tiefseekabel in der Ostsee wachen kann, entpuppt sich als Verkaufsschlager. Zwei EU-Länder sollen nach Informationen des Nachrichtendienstes Reuters Verträge zum Kauf von "Greyshark" abgeschlossen haben.
Die Verträge seien demnach insgesamt mehr als 100 Millionen Euro wert. Das erklärte der Chef des Unternehmens Eugen Ciemnyjewski. Hinter Greyshark steckt das Unternehmen Euroatlas aus Bremen. Die Unterwasserdrohne könnte demnächst beispielsweise kritische Infrastruktur auf dem Meeresboden überwachen und U-Boot-Bedrohungen aufklären.
Laut Ciemnyjewski habe es auch Anfragen aus anderen Ländern aus Europa und Asien gegeben. Die Verteidigungsministerien welcher Länder den Kauf bereits vertraglich besiegelt haben, wolle er nicht nennen. Die Euroatlas-Drohne Greyshark soll demnach allerdings für eine spezielle militärische Anwendung eingesetzt und nicht bewaffnet werden.
Die Greyshark soll Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 13 Knoten erreichen können, umgerechnet etwa 25 Stundenkilometer. Dabei gleitet sie fast lautlos durchs Wasser, aufgrund der Optik unerkannt von möglichen Feinden.
Unbemannte Lösungen für den Einsatz unter Wasser sind stark gefragt. Erst kürzlich hat der ukrainische Sicherheitsdienst SBU eine neue See-Drohne mit dem Namen Sea Baby vorgestellt. Diese Drohne kann Lasten bis zu 2.000 Kilogramm transportieren und kommt bis zu 1.500 Kilometer weit.
Seit dem Beginn der großangelegten russischen Invasion in der Ukraine ist es vor allem in der Ostsee vermehrt zu Angriffen unter Wasser gekommen. Infrastruktur auf dem Meeresboden hat unter Sabotageaktionen gelitten: Strom und Datenleitungen wurden immer wieder beschädigt.
Russland führe anhaltende Angriffe auf Unterseekabel in ganz Europa durch, sagte der leitende NATO-Experte für Cyber- und Hybridbedrohungen James Appathurai. Er sprach im Interview mit Euronews on einer Organisation im "paramilitärischen Stil".
Was kann die Greyshark?
Das Greyshark-System soll eine dauerhafte Präsenz in wichtigen Gewässern ermöglichen. Als Autonomes Unterwasserfahrzeug benötigt es weder ein Team, das es von außen steuert noch direkte Anweisungen. Mit künstlicher Intelligenz kann es eigene Entscheidungen fällen, die der jeweiligen Lage entsprechen.
Zu den zukünftigen Aufgaben als militärische Anwendung zählt zunächst die Überwachung der Unterwasserinfrastruktur. Die Drohne kann Pipelines, Kabel und andere Anlagen auf dem Meeresboden regelmäßig und dauerhaft überprüfen. Denn je nach Modell ist die Drohne so konzipiert, dass sie mehrere Stunden bis mehrere Wochen unter Wasser bleiben kann.
Durch den eigenen Vorteil, unter Wasser zu operieren, bleibt die Drohne in manchen Fällen abseits des Radarhorizonts gegnerischer Schiffe und kann außerdem unerkannt Informationen ermitteln.
Entdeckt die Greyshark Bedrohungen wie etwa Minen nahe Wasserstraßen oder kritischer Infrastruktur, kann sie mit Sonarwellen reagieren und für Abschreckung und Vertreibung sorgen. Die Bewegungen von möglichen Zielen werden traciert und aufgenommen. Letztendlich ist die Unterwasserdrohne auch ein Mittel zur Seekriegsführung. Sie sollte in der Lage sein, feindliche Präsenz und Sensoren zu erkennen und zu identifizieren sind.
Welche Aufgaben die zwei Verteidigungsministerien in den Vordergrund stellen, die Verträge mit Euroatlas abgeschlossen haben, ist unbekannt. Lediglich der Einsatz als spezielle militärische Anwendung steht fest.
Wie sieht die Ausstattung von Greyshark aus?
Der Greyshark hat 17 Sensoren, die beispielsweise elektromagnetische Bilder erfassen können oder mit sonaren Wellen das Echo testen. Die Sensoren ermöglichen auch Bilder mit Lasertechnologie und Unterwasserkameras und erfassen permanent Daten.
Außerdem ist das System mit einer modularen KI-Software ausgestattet, die von der Berliner Firma EvoLogics kommt. Je nach äußeren Einflüssen ist der Greyshark in der Lage, die Missionsprofile seiner Sensoren unterwegs zu verändern. Dazu benötigt die Drohne weder Funkkontakt, noch ein Auftauchen oder eine Pause für die Umstellung.
Bisher gibt es Greyshark in zwei Varianten: der Greyshark "Bravo" hat einen Batterieantrieb und ist sechseinhalb Meter lang. Der große Bruder "Foxtrot" misst knapp acht Meter Länge und hat eine Wasserstoff-Brennzelle. Beide verfügen über die gleiche Sensorik, unterscheiden sich aber in Reichweite und Ausdauer.
Die Wasserstoff-betriebene Version "Foxtrot" kann bis zu 16 Wochen und rund 8.000 Seemeilen bei 4 Knoten oder 1.100 Seemeilen bei 10 Knoten operieren. Der kleine Bruder "Bravo" hingegen hält sechs Stunden bei 10 Knoten durch und kann bis zu 60 Seemeilen zurücklegen oder fünfeinhalb Tage bei vier Knoten über 550 Seemeilen.
Auch Schwarmtaktiken gehören zum System: Mehrere Greysharks können gemeinsam operieren, sich selbst organisieren oder durch eine „Master“-Einheit geführt werden. Sie integrieren sich in NATO-Strukturen und wirken als Teil eines maritimen "Combat Cloud"-Netzwerks.
Letzte Tests in der Ostsee
Vergangene Woche ist die Greyshark "Bravo" noch auf Testfahrt in die Ostsee getaucht. Vor deutscher Küste operierte die Drohne autonom und getarnt. Das Mini-U-Boot, das mehr als vier Tonnen wiegt und keine Passagiere trägt, soll die Ostsee sicherer machen.
Im Gegenteil zur "Foxtrot"-Variante ist die "Bravo" damit serienreif. Die vergangenen Tests liefen erfolgreich. Sie wurden von Technikern und Ingenieuren auf einem Charterboot begleitet. Für den großen Bruder soll es jedoch bereits kommendes Jahr soweit sein. In der Produktion könnten 150 Stück dieser Unterwassergefährten pro Jahr entstehen.
Ende 2024 gab es mehrere prominente Fälle von Unterwasserkabeln, die beschädigt wurden oder ausfielen. So wurden beispielsweise zwei Telekommunikationskabel im November 2024 beschädigt. In einer gemeinsamen Erklärung äußerten Deutschland und Finnland ihre Besorgnis über einen möglichen Sabotageakt.
Etwa einen Monat später fiel das Strom-Unterseekabel Estlink 2 aus, auch bei weiteren Kabeln kam es zu Unterbrechnungen. Hier wird der Öltanker Eagle S, der mutmaßlich zu Russlands Schattenflotte gehören könnte, verdächtigt.
Auch ein mehrere Wochen treibender Öltanker, der mit dem Namen Eventin fuhr, soll Teil der sogenannten russischen Schattenflotte gewesen sein. Mit seinen rund 99.000 Tonnen Öl stellte er eine Sicherheits und Umweltgefahr dar. Insgesamt können die Beschädigungen nicht klar zugewiesen werden, doch es wird in einigen Fällen davon ausgegangen, dass es sich um mögliche Sabotageakte im Rahmen von Russlands hybrider Kriegsführung handeln könnte.