Rund 21.000 Unterrichtsstunden fallen wöchentlich an Berliner Schulen aus. Das Start-up "LifeTeachUs" verwandelt mit der Hilfe von freiwilligen Experten Freistunden in Fachwissen.
Gespannt hören sie zu: Etwa zwei Dutzend Schüler des Rosa-Luxemburg-Gymnasiums in Berlin bekommen an diesem Tag Unterricht der etwas anderen Art.
Eigentlich hätten die Schüler in dieser Stunde Deutschunterricht. Doch weil die Lehrerin auf Klassenfahrt ist, springt Henrik Schober als Vertretung ein. Der Politikwissenschaftler erklärt die Mechanismen von Fake News, das Thema hatte er selbst vorgeschlagen. Normalerweise sitzen ihm an der Berliner Hertie School, wo er lehrt, Erwachsene gegenüber.
Manche Jugendliche verbringen "auf YouTube, Instagram, Snapchat, TikTok Stunden täglich", so Schober. Aber auch für diejenigen, die wenig Kontakt mit dem Internet haben, sei es wichtig, über Risiken und Gefahren aufgeklärt zu werden.
Für Schober ist es das fünfte Mal, dass das Start-up "LifeTeachUs" ihn in die Schule bringt. "Ich bin davon überzeugt, dass solche Angebote gebraucht werden." Freiwillige wie er könnten das überlastete Schulsystem helfen zu stabilisieren. Außerdem könnte Kindern wichtiges Wissen vermittelt werden, das sonst auf der Strecke bleibt.
Das Ziel der Initiative: Vertretungsstunden und Unterrichtsausfälle mit Inhalten aus der Praxis abfedern. Mittlerweile machen bundesweit mehr als 300 Schulen mit. Täglich kommen vier neue Schulen hinzu, erklärt Gründer Ludwig Thiede. "Die Arbeit, die wir machen, kommt extrem gut an. Wir merken, dass sich sehr viele Eltern auch selbst engagieren."
21.000 ausgefallene Stunden wöchentlich
Am Anfang waren Lehrkräfte und Eltern skeptisch. Schließlich stehen Fremde ohne pädagogische Ausbildung vor den Kindern. Doch viele Lehrer seien mittlerweile dankbar, dass ihr Unterricht durch das Fachwissen der Experten ergänzt wird. Die Idee kam Thiede, als er selbst noch Schüler war und immer wieder Unterricht ausfiel.
Das ist mittlerweile rund zehn Jahre her. Das Problem der fehlenden Lehrkräfte und ausfallenden Stunden an deutschen Schulen ist geblieben.
Für die Schüler der Klasse 7.2 ist "LifeTeacher" Schober eine erfreuliche Abwechslung zu den üblichen Vertretungsstunden. Aufmerksam hören die Kinder zu, machen begeistert mit. "Wenn eine Vertretungslehrerin gekommen wäre, hätten wir, glaube ich, einen Film geguckt", erzählt die 12-jährige Paula. Oft hat sie sich in der Stunde gemeldet.
"Ich fand es spannend, weil es später im Leben etwas bringen wird und man gelernt hat, wie man Fake News erkennt", resümiert die ebenfalls 12-jährige Elli.
Allein in Berlin fallen wöchentlich fast 21.000 Unterrichtsstunden ersatzlos aus, wie aus einem Bericht der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie hervorgeht. Hinzu kommen 67.000 Vertretungsstunden. Insgesamt findet somit mehr als jede zehnte Unterrichtsstunde nicht planmäßig statt.