Nach monatelangen Verhandlungen wollte die Regierung die Bürgergeld-Reform am Mittwochmorgen im Kabinett beschließen. Doch kurz vor der Entscheidung kam es zu einem erneuten Streit: CDU-Wirtschaftsministerin Katherina Reiche legte den Gesetzentwurf von SPD-Arbeitsministerin Bärbel Bas auf Eis.
Reiche stört sich offenbar vor allem an dem geplanten Umgang mit Terminverweigerern, berichtet die Bild-Zeitung.
Bärbel Bas sieht vor, dass einem Bürgergeld-Empfänger die Leistung von 563 Euro als Single komplett gestrichen wird, wenn er drei Termine beim Jobcenter hintereinander ohne Reaktion versäumt. Meldet er sich im darauffolgenden Monat weiterhin nicht beim Amt, wird außerdem die Mietzahlung eingestellt.
Im Streit geht es um ein Detail: Im Gesetzentwurf ist vorgesehen, dass ein Jobcenter-Mitarbeiter dem Bürgergeld-Empfänger vor der vollständigen Kürzung der Leistung noch eine letzte Gelegenheit zur persönlichen Anhörung geben muss. Durch einen Kontaktversuch, etwa einen Anruf oder einen Besuch an der Haustür, soll geklärt werden, ob der Terminversäumer beispielsweise aus psychischen Gründen nicht erschienen ist.
Ziel ist, sicherzustellen, dass niemand, der tatsächlich krank oder hilfsbedürftig ist, auf der Straße landet. Gleichzeitig soll die vollständige Kürzung aller staatlichen Leistungen rechtlich abgesichert werden.
Dem Ministerium von Reiche geht das jedoch zu weit. Mit seinem Widerspruch verhinderte es, dass die Reform am Mittwoch im Kabinett beschlossen werden konnte. Die CDU-Ministerin blockierte konsequent.
Reiche entsandte niemanden aus ihrem Haus zur Staatssekretärsrunde, die am Dienstag sämtliche Vorbehalte gegen geplante Kabinettsbeschlüsse noch einmal besprechen und ausräumen sollte. Die übrigen Ministerien reagierten verärgert auf das Fernbleiben. Ein Teilnehmer der Runde sagte laut BILD-Informationen: „Ohne das Wirtschaftsministerium am Tisch ist die Runde reine Zeitverschwendung.“
Vorwürfe gegenüber Bas
Schließlich griff die Regierung zur Notlösung und nahm den Gesetzentwurf von der Tagesordnung des Kabinetts.
Reiche wirft Bas laut BILD-Informationen Manipulation am Gesetzestext vor: Das Bundesarbeitsministerium wolle „entgegen vorheriger Einigung“ einen vollständigen Leistungsentzug nur dann vorsehen, wenn zuvor eine persönliche Anhörung stattgefunden habe. Reiche vermutet, dass Bas eine Formulierung heimlich in den Gesetzestext eingefügt hat, die Terminverweigerern als Schlupfloch dienen könnte.
Das Arbeitsministerium wies den Vorwurf innerhalb der Regierung entschieden zurück. Die Beamten von Bas betonten, dass der gesamte Gesetzentwurf mit allen Formulierungen zuvor mit dem Kanzleramt abgestimmt worden sei.
Außerdem sei es genau umgekehrt: Scheitere der letzte Kontaktversuch, ende die Sanktion nicht, sondern der Weg für die vollständige Kürzung inklusive Mietzahlung sei dann frei.
Die Regierung versucht derzeit mit Hochdruck, den Streit beizulegen. Das Ziel: Die Bürgergeld-Reform soll nun am kommenden Mittwoch beschlossen werden, wie Kanzler Merz ankündigte.