Ungarns Migranten-Paradox: Das Boot soll voll sein, aber es fehlt an Maschinisten

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Ungarn hat knapp 10 Millionen Einwohner und findet – nach Umfragen zu mindesten drei Vierteln – das reicht.

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Ungarn hat knapp 10 Millionen Einwohner und findet – nach Umfragen zu mindesten drei Vierteln – das reicht. Nicht mal gut 1.200 mehr will die Regierung ertragen, Migranten, die die EU nach Quote verteilen will. Eine Kopfnuss für das nationalkonservative Kabinett Viktor Orbán: Denn es gibt eigentlich zu wenig Menschen in Ungarn. Seit 2008 haben 400.000 das Land verlassen, seit den 1980er Jahren 850.000. Geburtenstarke Jahrgänge gehen in Rente, jedes Jahr fehlen Zehntausende, um sie zu ersetzen. Und Ungarn hat eine der niedrigsten Geburtenraten in Europa.

Péter Lakatos – CEO, Videoton-Holding

“Heute fehlen in vielen Teilen des Landes Arbeitskräfte – nicht nur in bestimmten Berufen, wie Schweißer, CNC-Maschinist (Computerized Numerical Control CNC-Computergesteuerte Maschinen), Koch oder Kellner, sondern auch weniger spezialisierte Kräfte, die am Fließband arbeiten und hier ausgebildet werden. Auch sie sind manchmal in ausreichender Zahl schwer zu finden.”

So der Chef der größten ungarischen Industriegruppe in einheimischem Privatbesitz mit knapp 10.000 Mitarbeitern.

#Ungarn: vor Referendum gg Flüchtlingsquote neue Reg.kampagne: “Lassen wir Brüssel wissen, damit sie auch verstehen” pic.twitter.com/ib5HACiqru

— Balazs Csekö (@balazscseko) 13 mai 2016

«Lasst uns ein Signal an Brüssel senden, damit sogar sie es verstehen», steht gleichzeitig in weißer Schrift auf blauen Plakaten landauf, landab. Sie werben für ein Referendum gegen eine Flüchtlingsquote am 2. Oktober. Die Frage: «Wollen Sie, dass die Europäische Union auch ohne Zustimmung des Parlaments die Ansiedlung nichtungarischer Staatsbürger in Ungarn vorschreibt?» Ungarn hat ebenso wie die Slowakei gegen den
Quoten-Beschluss der EU beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) geklagt.

Gleichzeitig spricht Wirtschaftminister Mihaly Varga von Immigration als Option.

#GOVT6358#EU migrant quota breakdown via BBCBreaking</a>: <a href="http://t.co/lq2m2bdGLF">http://t.co/lq2m2bdGLF</a> <a href="https://twitter.com/hashtag/migrantcrisis?src=hash">#migrantcrisis</a> <a href="https://twitter.com/hashtag/refugees?src=hash">#refugees</a> <a href="http://t.co/n0UX5DxuZz">pic.twitter.com/n0UX5DxuZz</a></p>&mdash; Karen Tong (kartonmedia) 22 septembre 2015

Ágnes Hárs – Wirtschaftsforscherin, Kopint-TARKI:

“Dies ist ein Teil eines sehr komplexen Problems. Wenn es gelänge, die massive Anti-Migrationspolitik ein wenig abzumildern, dann wäre das schon ein Erfolg. Aber dass das wirtschaftliche Ziel erreichbar ist, das glaube ich nicht.”

Mindestens ein Viertel der ungarischen Firmen haben Probleme Arbeitskräfte zu finden, so der Verband der ungarischen Arbeitgeber und Industriellen (MGYOSZ) in einer aktuellen Studie.

Andrea Hajagos – euronews:

“Wenn am Ende wirklich ausländische Arbeitnehmer eingeladen würden, in Ungarn zu arbeiten, dann wäre es nach Meinung von Experten immer noch die Frage, wie viele Leute überhaupt kommen, wegen der niedrigen Löhne und die Anti-Migrationspolitik der ungarischen Regierung.”

In seiner Anti-Flüchtlingspolitik zieht Regierungschef Orban auch mit Polen und Tschechien an einem Strang. Mit ihnen bilden Ungarn und die Slowakei die Visegrad-Gruppe. Polizisten aus diesen Ländern wurden in diesem Frühjahr an die mazedonisch-griechische Grenze entsandt, um bei der Schließung der Balkan-Route für Flüchtlinge zu helfen. Zusammen mit den Zäunen, die Ungarn 2015 an seinen Grenzen zu Serbien und Kroatien gebaut hat, ließ dies die Zahl der in Ungarn registrierten Flüchtlinge stark sinken: von 391.000 im Jahr 2015 auf 17.351 in der ersten Hälfte dieses Jahres.

Volksabstimmungen über vorhandene und rechtlich bindende
Ratsbeschlüsse erfüllen die EU-Kommission nach eigenen Angaben mit Sorge. Sie änderten aber nichts an den Beschlussverfahren, wie sie
der EU-Vertrag vorsehe. «Nach unserem Verständnis richtet sich das
ungarische Referendum auf künftig zu treffende Entscheidungen»,
so ein Behördensprecher in Brüssel. Damit würde ein
negatives Votum der Ungarn ins Leere laufen. Bundeskanzlerin Merkel erwartet, dass die Fragestellung des ungarischen Referendums «eine Antwort auf die jetzt schon herrschende Regierungspolitik» ergeben wird. «Insofern erwarte ich mir von dem Referendum keine Veränderung der augenblicklichen Situation», so Merkel.

su mit dpa

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