Die 50-prozentigen Zölle von US-Präsident Donald Trump auf Stahl- und Aluminiumimporte treten ab Mittwoch in Kraft. Könnte Deutschlands Verteidigungsindustrie dennoch den Weg für einen Stahl-Boom ebnen?
Nachdem US-Präsident Donald Trump letzte Woche angekündigt hatte, die Zölle auf Stahl und Aluminium von 25 auf 50 Prozent zu verdoppeln, erklärte die Europäische Kommission, sie sei bereit, Vergeltungsmaßnahmen zu ergreifen.
Deutschland, eine der größten Exportwirtschaften der Welt - vor allem in den Bereichen Autos, Maschinen, Elektrogeräte und chemische Erzeugnisse - könnte mit Auswirkungen konfrontiert werden, wenn ein Überangebot zu sinkenden Preisen führt, was sich insbesondere auf seine angeschlagene Stahlindustrie auswirken könnte.
Da sich die Automobilindustrie jedoch angesichts der zunehmenden geopolitischen Spannungen auf die Aufrüstung konzentriert, könnte die Stahlindustrie vor einem Aufschwung stehen, denn Waffen brauchen Stahl.
Könnte die deutsche Stahlindustrie nach Jahren des Kampfes vor einem Comeback stehen?
Der Wert der Aktien des deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall hat sich seit Jahresbeginn verdreifacht und liegt nun bei fast 2.000 Euro pro Aktie, nachdem die neue deutsche Regierung unter dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz versprochen hat, Milliarden Euro an zusätzlichen Ausgaben für die deutsche Verteidigung freizusetzen.
Die Hoffnung kehrt allmählich in die Branche zurück, da Deutschland die Produktion von Rüstungsgütern wieder hochfährt.
Der verteidigungspolitische Sprecher und Bundestagsabgeordnete Thomas Erndl sagte Euronews, dass die Stahlindustrie "derzeit unter den hohen Energiepreisen leidet, wie ein Großteil der Wirtschaft".
Die Regierung Merz habe "Maßnahmen ergriffen, um diese Belastung schnell zu reduzieren und die Industrie mit weiteren marktwirtschaftlichen Instrumenten zu unterstützen", so Erndl. Dies ist nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine sicherheitspolitische Frage", wobei er hinzufügte, dass Subventionen nicht auf der Tagesordnung stünden.
Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung sieht vor, die Stromsteuer auf das europaweit zulässige Minimum zu senken, die Netzentgelte zu kürzen und die Umlagen zu reduzieren.
Reicht die Senkung der Energiekosten aus, um eine schrumpfende Branche zu retten?
Dank Billigimporten aus China, explodierenden Energiepreisen in ganz Europa und der Umstellung auf klimafreundlicheren Wasserstoff hat die Stahlindustrie seit einiger Zeit zu kämpfen und stottert.
Die Zahl der Beschäftigten in der Stahlbranche in Deutschland ist seit Jahrzehnten dramatisch rückläufig. Im Jahr 1990 waren noch rund 175.000 Menschen in der Stahlindustrie beschäftigt. Heute sind es nur noch knapp 78.000.
Tobias Aldenhoff, Leiter Wirtschafts- und Handelspolitik bei der Wirtschaftsvereinigung Stahl, erklärte gegenüber Euronews, dass die Stahlindustrie in Deutschland derzeit unter massivem Druck stehe.
Er verweist auf die Umstellung von fossilen Brennstoffen auf eine klimaneutrale Produktion und sagt, dass die Umwelt schon vorher eine Herausforderung war.
Nach Angaben des Verbandes ist die Rohstahlproduktion in diesem Jahr bisher um 12 Prozent gesunken und wurde im vergangenen Jahr von Krisen überschattet.
Die Stahlindustrie ist auch für die Automobil-, Maschinen- und Anlagenbauindustrie wichtig.
"Wenn es den Abnehmerbranchen wieder besser geht, wird sich das auch positiv auf die Stahlnachfrage auswirken. Inwieweit die Stahlunternehmen hieran partizipieren können, hängt von den Rahmenbedingungen ab", so Aldenhoff weiter.
Für die EU sei es sehr wichtig, "sich mit wirksamen Mitteln gegen die Folgen von Preisdumping oder die stetig wachsenden internationalen Überkapazitäten, insbesondere in China, zu wehren", so der Verband.
Die Europäische Kommission hat im März einen Aktionsplan für Stahl und Metalle auf den Weg gebracht, der darauf abzielt, unfaire Handelsmaßnahmen, die dem Stahlsektor von internationalen Konkurrenten auferlegt werden, zu minimieren und die Einfuhrbeschränkungen zu überprüfen, die während der letzten Trump-Regierung festgelegt wurden und im Juni 2026 auslaufen sollen.
Aldenhoff sagt: "Es besteht ein dringender Bedarf an einem neuen, wirksamen Instrument, das den EU-Markt vor einer Überflutung durch Massenimporte schützt. Darüber hinaus müssen die bestehenden Antidumping- und Antisubventionsinstrumente überarbeitet werden."
Schlechte Nachrichten für die deutsche Wirtschaft
Berichten zufolge bereitet der deutsche Industrieriese Thyssenkrupp jedoch den Verkauf eines weiteren Anteils von 30 Prozent an seiner Stahlsparte an den tschechischen Milliardär Daniel Křetínský vor, der bereits im vergangenen Jahr einen Anteil von 20 Prozent erworben hatte.
Medienberichten zufolge wird das Unternehmen derzeit zerlegt und in Teilen verkauft, wobei 11.000 Arbeitsplätze abgebaut werden sollen.
Die Zerschlagung des 200 Jahre alten deutschen Unternehmens dient als Metapher für die deutsche Wirtschaft im Allgemeinen. Schlechte Investitionen in Übersee und steigende Energiekosten haben die Stahlproduktion zunehmend unrentabel gemacht.
Außerdem leidet die Branche unter einem weltweiten Überangebot an Stahl, vor allem aus Asien. ThyssenKrupp Steel verzeichnete kürzlich einen Verlust von 23 Millionen Euro für das erste Halbjahr.
Ein Sprecher von Rheinmetall erklärte gegenüber Euronews, man begrüße die Entwicklung des Panzerstahlmarktes, der sich diversifiziere, da neue Anbieter, auch aus Deutschland, Stahl produzierten.
Nachdem ThyssenKrupp vor einigen Jahren die Produktion von Panzerstahl eingestellt hatte, war Rheinmetall hauptsächlich von ausländischen Lieferungen, vor allem aus Schweden, abhängig.
Die ersten Lieferungen hat Rheinmetall nach eigenen Angaben bereits aus inländischen Quellen bezogen.
"Der Bedarf von Rheinmetall an Panzerstahl beläuft sich auf mehrere Tausend Tonnen pro Jahr, wobei sich die Nachfrage allein in den letzten zwei Jahren verdoppelt hat", so der Sprecher weiter und betonte, dass für die Rheinmetall-Kunden vor allem der Preis und die Verfügbarkeit wichtig seien.
Ist jetzt der richtige Zeitpunkt für die Schließung der ThyssenKrupp Stahlsparte?
Die Schließung der Stahlsparte von ThyssenKrupp steht schon seit langem im Raum, obwohl das Unternehmen immer noch 50 Prozent behalten wird, selbst wenn Křetínský die anderen 30 Prozent kauft.
Die Möglichkeit, dass die deutsche Regierung Thyssenkrupp aus der Patsche hilft, ist ebenfalls sehr unwahrscheinlich, da sie nicht über das Know-how verfügt, um ein solches Unternehmen zu führen. Sollte das Unternehmen weiterhin Verluste machen, würden letztlich die Steuerzahler die finanzielle Last tragen.
Der neue Wettlauf um die Wiederaufrüstung Deutschlands reicht nicht aus, um ein Stahlwerk offen zu halten.
Nach Ansicht von Experten, die mit der deutschen Stahlindustrie vertraut sind, haben die Unternehmen derzeit kaum einen Wettbewerbsvorteil, wenn sie in Deutschland bleiben wollen, da die Wirtschaft stagniert.
Stahl ist seit langem ein globaler Rohstoff, und Deutschland arbeitet bereits mit der Tschechischen Republik im Automobilsektor zusammen. Auch wenn der Verkauf der Stahlsparte von Thyssenkrupp für die Rüstungsindustrie kein Problem darstellt, so ist er doch ein großer Verlust für die deutsche Wirtschaft.