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Mehr als 72 Millionen Menschen in der EU als "armutsgefährdet" eingestuft

Europas "Armutsgefährdungs"-Benchmark
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Von Servet Yanatma
Zuerst veröffentlicht am
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Mehr als 72 Millionen Menschen in der EU gelten 2024 als armutsgefährdet. Die Armutsgefährdungsschwellen variieren allerdings stark zwischen den Ländern. Ein Überblick.

Mehr als 72 Millionen Menschen in der EU wurden im Jahr 2024 als "armutsgefährdet" eingestuft- das entspricht 16,2 % der Bevölkerung.

Dennoch sieht das Leben an der Armutsgrenze sehr unterschiedlich aus, wenn man die Armutsschwellen zwischen den Ländern vergleicht.

Die sogenannte Armuts­gefährdungs­quote zeigt, wie groß der Anteil der Menschen ist, die als armutsgefährdet gelten. Dazu zählen alle Personen, deren verfügbares Einkommen unter 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung liegt.

Eurostat weist jedoch darauf hin, dass dieser Indikator weder Wohlstand noch tatsächliche Armut misst.

Vielmehr spiegelt er ein niedriges Einkommen im Vergleich zu anderen im selben Land wider. Das bedeutet nicht zwangsläufig einen niedrigen Lebensstandard.

Im EU-Durchschnitt lag das jährliche Median-Äquivalenzeinkommen pro Person im Jahr 2024 bei 21.582 €. Kurz gesagt ist das Median-Äquivalenzeinkommen das mittlere bedarfsgewichtete Netto-Einkommen eines Haushalts, das die Größe und Zusammensetzung des Haushalts berücksichtigt. 60 % dieses Betrags von 2024 sind 12.949 €, also etwa 1.079 € pro Monat. Wer ein Einkommen unter diesem Wert hat, gilt als armutsgefährdet.

Die Zahlen auf Länderebene vermitteln jedoch ein viel klareres Bild. In der EU liegt diese Schwelle zwischen 391 € in Bulgarien und 2.540 € in Luxemburg.

Bezieht man die Beitrittskandidaten, für die Daten vorliegen, und die EFTA-Mitglieder mit ein, so reicht die Spanne von 201 € in der Türkei bis 2 596 € in der Schweiz. Norwegen gehört ebenfalls zu den drei Ländern, in denen der Schwellenwert über 2.000 € liegt.

Die Armutsgefährdungsschwelle liegt in Dänemark, Österreich, Irland, den Niederlanden und Belgien zwischen 1.500 und 2.000 €, wobei die Liste von der höchsten zur niedrigsten Schwelle innerhalb dieser Gruppe reicht.

In mehreren Ländern, darunter Lettland, Portugal, Kroatien, Litauen, Polen, Griechenland und die Slowakei, liegt diese Schwelle unter 750 €. In Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Serbien und der Türkei liegt sie unter 500 €.

Unter den "großen Vier" der EU hat Deutschland mit 1 381 € die höchste Armutsgefährdungsschwelle, gefolgt von Frankreich (1 278 €), Italien (1 030 €) und Spanien (965 €).

Für einen Haushalt mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern unter 14 Jahren beträgt die Armutsgefährdungsschwelle das 2,1-Fache der Schwelle für Alleinstehende. In der EU liegt sie bei 2 266 €, in der Türkei bei 423 € und in der Schweiz bei 5 452 €.

Wie lassen sich die Unterschiede erklären?

Die Armutsgefährdungsschwellen sind direkt mit dem Median-Äquivalenzeinkommen eines Landes verknüpft. Unterschiede in der Produktivität und der Industriestruktur erklären, warum diese Werte so stark variieren, so Giulia De Lazzari, Wirtschaftswissenschaftlerin bei der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Eine höhere Produktivität ermöglicht es den Ländern, höhere Löhne zu zahlen.

Infolgedessen zahlen Länder mit großen, hochwertigen Sektoren – etwa im Finanzwesen, in der IT oder in der Hightech-Fertigung – in der Regel höhere Löhne. Dadurch liegen auch ihre Armutsgefährdungsschwellen entsprechend höher.

Die Kluft wird geringer, wenn sie in Kaufkraftstandards (KKS) gemessen wird, doch die Unterschiede bleiben deutlich. KKS ist eine künstliche Währungseinheit, die so konzipiert ist, dass man mit einem KKS theoretisch in jedem Land die gleiche Menge an Waren und Dienstleistungen kaufen kann. Sie wird von der Europäischen Union zur Berechnung von Wirtschaftsvergleichen verwendet wird.

In KKS ausgedrückt reichen die Armutsgefährdungsschwellen für einen alleinstehenden Erwachsenen von 449 in Serbien bis 1.889 in Luxemburg.

Die Türkei, Ungarn, die Slowakei und Griechenland gehören zu den niedrigsten fünf Ländern. Am oberen Ende liegen Norwegen, die Schweiz, Österreich und die Niederlande.

Unter den großen Volkswirtschaften ist der Schwellenwert in Deutschland am höchsten. Es folgen Frankreich, Spanien und Italien mit jeweils 1.060.

Wo ist das Armutsrisiko am höchsten?

Nach Angaben von Eurostat waren im Jahr 2024 16,2 % der EU-Bevölkerung von Armut bedroht. Die Quote reicht von 9,5 % in der Tschechischen Republik bis zu 22,2 % in der Türkei und Nordmazedonien.

Die EU-Beitrittskandidaten sowie die Länder des Balkans und Osteuropas weisen höhere Quoten armutsgefährdeter Menschen auf. Unter den großen Volkswirtschaften ist die Quote auch in Spanien (19,7 %) und Italien (18,9 %) hoch, während Frankreich (15,9 %) und Deutschland (15,5 %) leicht unter dem EU-Durchschnitt liegen.

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