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So vertreiben Menschen in Nordeuropa den Winterblues

Passanten gehen über einen Platz in Helsinki. Sie spiegeln sich in einer Pfütze. Aufgenommen am 14. November 2025 in Finnland.
Am 14. November 2025 spiegelt eine Pfütze in Helsinki, Finnland, Passanten am Platz. Copyright  Sergei Grits/AP Photo
Copyright Sergei Grits/AP Photo
Von AP mit Euronews
Zuerst veröffentlicht am
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Expertinnen und Experten verraten, wie Sie in den dunkelsten Monaten Licht finden. Auf nordische Art: Kerzen, draußen sein, helle Farben und Wärme.

Die nordischen Länder kennen den langen, dunklen Winter.

Trotz wenig bis gar keinem Tageslicht und monatelanger Kälte haben die Menschen in Nordeuropa und jenseits des Polarkreises gelernt, mit dem jährlichen Winterblues umzugehen – mental und körperlich. Er kann schon im Oktober einsetzen und für manche bis in den April dauern.

Die Wintersonnenwende ist am 21. Dezember. In der Nordhalbkugel ist das der kürzeste Tag und die längste Nacht des Jahres. Danach nimmt das Tageslicht täglich zu. Der Winter bleibt dennoch noch eine Weile.

Die Nachrichtenagentur Associated Press sprach mit Fachleuten in Norwegen, Schweden und Finnland über den Winterblues. So finden Sie Licht – im wahrsten und im übertragenen Sinn – in den dunkelsten Monaten:

Schlaf und soziale Gewohnheiten sind entscheidend

Dr. Timo Partonen, Forschungsprofessor am Finnischen Institut für Gesundheit und Wohlergehen, sagt: Der dunkle Winter beeinflusst unseren zirkadianen Rhythmus.

Bei wenig Tageslicht kann sich unsere innere Uhr nicht richtig neu einstellen oder synchronisieren. Das bringt den Schlaf durcheinander. Im Winter schlafen wir oft länger, so Partonen. Trotzdem wachen wir nicht erholt auf und bleiben den Tag über müde.

Partonen empfiehlt einen Dawn-Simulator, auch als Sonnenaufgangs-Wecker bekannt. Er erhellt das Schlafzimmer nach und nach und weckt sanfter.

Wir sind nicht nur müder. Im Winter ziehen wir uns auch eher sozial zurück. Wir reagieren reizbarer, so Partonen, und geraten schneller mit Freunden in Streit.

Es ist wichtig, Beziehungen zu pflegen, sagt er. In Isolation bessern sich die Symptome selten.

Bewegung hilft ebenfalls gegen den Winterblues. Nehmen Sie am besten eine Freundin oder einen Freund zum Training mit.

So beugen Sie auch der typischen Gewichtszunahme im Winter vor, meist zwei bis fünf Kilogramm pro Jahr, sagt Partonen. Dahinter steckt Heißhunger auf Kohlenhydrate, vor allem abends.

Lichttherapie hilft bei vielen Beschwerden

Schätzungen zufolge leiden weltweit Millionen Menschen an saisonaler Depression. Auch bekannt als Seasonal Affective Disorder, kurz SAD. Typisch sind depressive Episoden, die im Herbst beginnen und im Frühling oder Sommer abklingen.

Mediziner erkennen auch eine mildere Form, die subsyndromale SAD. Es gibt zudem eine Sommervariante, über die jedoch weniger bekannt ist.

Forscher untersuchen, wie spezialisierte Zellen im Auge den blauen Anteil des Lichtspektrums in neuronale Signale umwandeln, die Stimmung und Wachheit beeinflussen. Sonnenlicht enthält viel blaues Licht. Wenn die Zellen es aufnehmen, aktiviert das die Wachheitszentren im Gehirn. Wir fühlen uns wacher und oft auch besser.

Die Forscherin Kathryn Roecklein von der University of Pittsburgh testete Menschen mit und ohne SAD, um zu sehen, wie ihre Augen auf blaues Licht reagieren. Als Gruppe waren Menschen mit SAD weniger empfindlich für blaues Licht als andere – besonders im Winter.

Das deutet auf eine Ursache der Winterdepression hin.

In schweren Fällen brauchen Betroffene klinische Unterstützung und Antidepressiva. Christian Benedict, Pharmakologe an der Universität Uppsala in Schweden, empfiehlt Lichttherapie sowohl für Menschen mit SAD als auch bei mildem Winterblues.

„Es ist kein Schicksal, kein jährliches oder saisonales Schicksal, gegen das man nichts tun kann“, sagt Benedict. „Man kann gegensteuern.“

Eine Routine der morgendlichen Lichttherapie, mit Geräten, die etwa 20-mal heller leuchten als normale Innenraumbeleuchtung, hilft Menschen mit und ohne SAD.

Die Lichttherapie bringt den zirkadianen Rhythmus in Gang und erhöht den Serotoninspiegel im Gehirn, so Benedict.

Studien empfehlen täglich morgens rund 10.000 Lux für etwa 30 Minuten. Spezielle Lampen kosten zwischen 70 und 400 US-Dollar (60 bis 345 Euro). Manche Produkte, die als SAD-Lampen beworben werden, sind jedoch nicht hell genug.

Partonen empfiehlt, jeden Vormittag sowohl einen Dawn-Simulator als auch eine Lichttherapie-Lampe zu nutzen.

Eine positive Haltung als Überlebensstrategie

Und vergessen Sie nicht, die hellen Seiten zu sehen.

Es ist entscheidend, den Winter anzunehmen statt ihn zu fürchten, sagt Ida Solhaug, Associate Professor für Psychologie an der Universität Tromsø, auch bekannt als Arctic University of Norway, der nördlichsten Universität der Welt.

Stellen Sie eine positive Haltung als Überlebensstrategie in den Vordergrund und lernen Sie, den Wechsel der Jahreszeiten zu schätzen. Das sei eine typisch norwegische Denkweise, sagt sie, und sie kann den Unterschied machen, wenn es monatelang kaum Tageslicht gibt.

„Das gehört zur Kultur“, sagt sie.

Man sollte auch Innen- und Außenaktivitäten nutzen, sagt sie. Drinnen darf Hygge einziehen – die dänische Obsession für Gemütlichkeit. Auf die Couch, mit Decken und einem Film.

Aber nicht den ganzen Winter in den Winterschlaf verfallen. Nach dem Film raus an die frische Luft – mit Thermoskanne zur Fika, der traditionellen schwedischen Kaffeepause. Selbst an grauen Tagen hilft ein kurzer Spaziergang, sagt sie.

Und wer mutig ist, geht wie viele Menschen in den nordischen Ländern eisbaden.

Solhaug springt mindestens einmal pro Woche in die eisigen Gewässer vor Tromsø – eine Insel rund 350 Kilometer nördlich des Polarkreises. Das belebt sie im langen Winter, sagt sie.

„Fordern Sie sich heraus und suchen Sie im Dunkeln nach Licht“, sagt sie.

Viele Nordländer sagen schließlich: Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung.

Auch Finnlands Präsident Alexander Stubb hat Tipps für nordische Winter. Auf die Frage im vergangenen Monat, wie man die kalte Saison übersteht, gab er sehr konkrete Ratschläge.

„Nehmen Sie ein Eisbad, gehen Sie danach in die Sauna, dann noch einmal ein Eisbad, noch einmal Sauna, dann duschen und rausgehen. Sie schaffen das“, sagte Stubb.

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