Für etwa die Hälfte der Menschen weltweit heißt Fernsehen heute Streamingdienste. Nicht mehr der Fernseher im Wohnzimmer, sondern Inhalte aus dem Netz.
Heute ist der Welttag des Fernsehens, auch wenn die Idee vom "hinsetzen und fernsehen" von Jahr zu Jahr abstrakter wird. Heute versammeln sich immer weniger Familien vor einem einzigen Bildschirm, um zwischen Sendern zu zappen. Immer mehr Menschen holen sich ihre Serien und Shows auf Abruf und auf dem Computer. Es ist die Ära des Fernsehens. Nur eben ohne Fernseher.
In den vergangenen zehn Jahren sind die kleinen "Unbequemlichkeiten", die das Fernsehen zu einem eigenen Erlebnis machten, verschwunden. Die lästige Warterei, bis eine Sendung endlich läuft, hat Streaming beendet.
Auch zum Entdecken muss niemand mehr durch die Sender zappen. Viele ziehen Plattformen vor, deren Algorithmen personalisierte Empfehlungen ausspielen (basierend auf Sehverlauf, Vorlieben und all den anderen Daten, die der Browser heimlich sammelt).
Für etwa 50 Prozent der Menschen weltweit ist "TV" heute gleichbedeutend mit Netflix, HBO und YouTube statt mit der Flimmerkiste im Wohnzimmer. Aus beiläufigem Konsum wurde ein hoch personalisiertes Erlebnis: Auf Netflix werden rund 80 Prozent der Titel über algorithmische Vorschläge ausgewählt, nicht über die Suche.
TV ist kein gemeinsames, fest getaktetes Programm mehr. Es ist eine ständig angepasste Auswahl aus Shows und Clips. Für jede Person kuratiert. Und das ist längst nicht alles.
Streaming als Standard
Was einmal Zusatz war – Netflix verschickte DVDs, YouTube zeigte Amateurclips – ist zum dominierenden Ökosystem für Serien, Filme, Dokus, Live-Sport und mehr geworden.
2015 lag das traditionelle Fernsehen (Kabel, Satellit, terrestrisch) beim Marktanteil noch vorn. 2025 entfallen in vielen westlichen Märkten mehr als 60 Prozent der gesamten TV-Zeit auf Streaming. Alte Netzwerke haben eigene Apps gestartet, z. B. Peacock, Max oder Paramount+, um gegen Netflix und Co. um Aufmerksamkeit zu kämpfen.
Mit Streaming kam ein neuer Konsumstil: "Binge-Watching". 2015 erschienen die meisten Serien noch wöchentlich. Geschichten entfalteten sich langsam – gut für den Plausch an der Kaffeemaschine und für gemeinsame Momente rund um Episoden und Staffelfinale.
Bis 2025 war dieser Rhythmus vorbei. Plattformen haben das Publikum auf sofortige Verfügbarkeit trainiert: ganze Staffeln erscheinen auf einmal, viele schauen sie an einem Wochenende oder in einem Rutsch.
Umfragen zeigen: Mehr als 70 Prozent bezeichnen sich als regelmäßige Binge-Watcher und sehen drei oder mehr Folgen hintereinander. Das verändert auch das Geschäftsmodell. Autorinnen und Autoren strukturieren Folgen in der Annahme, dass niemand eine Woche wartet. Plattformen setzen auf Funktionen wie Autoplay, um die Leute dranzuhalten.
Fernsehen ohne Fernseher
Bis 2025 heißt "fernsehen" auch: unterwegs das Handy zücken oder im Bett aufs Tablet schauen. Es geht nicht mehr um ein Gerät, sondern um eine Art von Inhalten.
Seit 2015 haben Millionen Haushalte Kabel- oder Satellitenabos gekündigt – wegen hoher Preise, mangelnder Flexibilität und besserer Alternativen. 2025 abonniert in vielen Ländern weniger als die Hälfte der Haushalte Pay-TV, jüngere Zuschauerinnen und Zuschauer steigen oft gar nicht erst ein.
Gleichzeitig machen smarte Geräte die Bildschirme austauschbar: Smartphones, Tablets, Laptops und Smart-TVs sind heute gleichwertige Zugänge zu Shows. Befragungen zeigen, dass mobile Videonutzung weltweit mehr als 70 Prozent aller Videoabrufe ausmacht.
Der Aufstieg des Second Screen
Vielleicht die folgenschwerste Veränderung: Fernsehen ist selten noch eine Einzeltätigkeit. Vor allem unter Vierzigjährige betreiben "Second Screen" und nutzen Handy oder Tablet, während der TV läuft. Rund 85 bis 90 Prozent geben an, beim Fernsehen ein weiteres Gerät zu benutzen.
Die Branche weiß das. Wie beim Binge-Watching wirkt es auf Dramaturgie und Design: mehr Bilder, die zum Pausieren einladen, mehr Untertitel und eine spürbare Verflachung der Dialoge, damit die Handlung auch mit halber Aufmerksamkeit verständlich bleibt.
Internationale Serien erobern die Spitze
Nicht alles ist kognitiv negativ. 2015 war das Fernsehen noch überwiegend national. Es gab Ausnahmen, doch die meisten schauten Programme aus dem eigenen Land. Untertitel und Synchronfassungen wirkten als Hürden; weltweite Erfolge blieben die Ausnahme.
Bis 2025 hat sich das gedreht. Dank Streaming-Plattformen mit globaler Reichweite ist internationaler Inhalt zur Regel geworden. Der Erfolg von Squid Game oder Haus des Geldes zeigt es: Streaming hat das ermöglicht.
Wichtig ist auch: Das Publikum blickt offener über Grenzen. Bis zu 40 Prozent der Zuschauerinnen und Zuschauer weltweit sagen, sie bevorzugen oder genießen internationale Inhalte; in Regionen wie Lateinamerika und Südostasien liegen die Werte noch höher. Plattformen investieren deshalb stark in regionale Originals – nicht nur für lokale Publika, sondern um diese Geschichten weltweit zu exportieren.