Frauen kämpfen gegen die "gläserne Wand"

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Von Euronews
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Anne-Marie Dominguez Consultant: “Man sagte mir, ok, Sie sind kompetent, mit Ihnen wollen wir arbeiten. Aber gleichzeitig gab man mir zu verstehen, wenn Sie auch nur den kleinen Finger rühren, wollen wir das wissen und absegnen. Das war sehr peinlich, und ich hatte wirklich das Gefühl, sie sagten das, weil ich eine Frau bin.”

Euronews-Reporterin Monica Pinna fragte Leute auf der Straße: “Wie viele Frauen in Europa arbeiten in Führungsetagen?”

“In Europa 35 Prozent, würde ich sagen.”

“20 Prozent, nicht mehr.”

“25 Prozent?”

“35 Prozent.”

“Es müssen 70 Prozent sein.”

Euronews-Reporter Monica Pinna erläutert: “Nur drei Prozent der Chefs in großen europäischen Unternehmen sind Frauen, im Vorstand liegt die Frauenquote bei 14 Prozent. In der EU herrscht die Auffassung, dass wir in diesem Tempo weitere 50 Jahre für ein ausbalanciertes Verhältnis zwischen Männern und Frauen in den Führungsetagen brauchen.”

Frauen sind in Unternehmensvorständen immer noch unterrepräsentiert. Die “gläserne Decke”, die Frauen daran hindert, Spitzenpositionen zu erreichen, existiert noch immer in ganz Europa. Anne Marie Dominguez ist ein Beispiel dafür. Nachdem sie ihre Klage gegen eine französische Firma wegen ungerechtfertigter Entlassung gewonnen hatte, gründete sie in Lyon ihr eigenes Geschäft. Sie erzählt: “Mein Aktionsradius war sehr eingeschränkt. Ich musste mich immer rechtfertigen, für Maßnahmen immer rückfragen. Alles was die Budgets und meinen Handlungsspielraum betraf, musste unterschrieben und genehmigt werden. Ich hatte sehr, sehr wenig Freiheit. Man gab mir nicht die Verantwortung für meine Arbeit, für meine Position.”

Immer mehr Länder drängen auf eine Änderung. Sie setzen entweder auf Unternehmensinitiativen zur Selbstregulierung, oder sie erlassen rechtliche Bestimmungen. In der EU-Kommission wird eine Gesetzesvorlage vorbereitet, die darauf abzielt, die Frauenquote in Vorstandsetagen bis 2020 auf 40 Prozent anzuheben. Avivah Wittenberg Cox, die mit Führungskräften an Gleichstellungsfragen arbeitet, glaubt, dass Quoten dieses tief verwurzelte Problem bewusster machen: “Ich wünschte, wir hätten eine ‘gläserne Decke’, das wäre besser als das, was wir in Wirklichkeit haben. Das Symbol der gläsernen Decke vermittelt den Eindruck, dass Frauen lediglich keinen Zugang zu den obersten Führungsetagen haben. Das entspricht aber nicht meinen Erfahrungen aus den Unternehmen. Fast von der ersten Führungsebene an können Sie beobachten, dass dort immer mehr Männer vertreten sind, während die Anzahl der Frauen zurückgeht. Das ist keine gläserne Decke, das ist eine Granitdecke”.

Großbritannien gehört zu den Ländern, die die Kluft zwischen den Geschlechtern verstärkt mit Initiativen zur Selbstregulierung verkleinern wollen, und die gegen europäische Quoten sind.

Bis 2007 betrug der Frauenanteil in großen börsennotierten englischen Unternehmen 12 Prozent. Heute sind es mehr als 16 Prozent.

Ein Ergebnis, das den Richtlinien der Regierung und der Arbeit von Organisationen wie dem “30 Percent Club” zu verdanken sind, die mit Führungskräften daran arbeiten, die Kultur in Unternehmen zu ändern. Gy Collins vom “30 Percent Club”: “Bis 2015 wollen wir eine Frauenquote von 30 Prozent in den britischen Vorständen erreichen. Und nach einem recht langsamen Start machen wir wirklich gute Fortschritte. Seit März diesen Jahres sind 44 Prozent der neu ernannten Vorstände weiblich. Wir kommen voran und es ist definitiv Schwung in die Sache gekommen.”

Euronews-Reporterin Monica Pinna: “Nach einer neueren Studie könnte ein höherer Frauenanteil das Bruttoinlandsprodukt der Eurozone um bis zu 13 Prozent steigern. Aber was ist der Schlüssel, um ein Gleichgewicht der Geschlechter zu erreichen?”

“Gender Balance” gehört schon seit Jahren zu den Unternehmenszielen der internationalen Beratungsfirma “Accenture”. Ein Viertel des Vorstands ist weiblich, das liegt weit über dem britischen Durchschnitt: Fiona O’Hara ist Produktionsleiterin und verantwortlich für Gleichstellung. Sie erklärt, was ihr Unternehmen unternimmt, um Frauen zu fördern:

“Accenture kümmert sich bereits seit Jahren um eine Gleichstellung der Geschlechter. Eines der Dinge, die wir herausfanden, war, dass nur gut 75 Prozent der Frauen nach dem Mutterschaftsurlaub zurückgekommen sind. Wir haben es jetzt geschafft, diese Quote auf 90 Prozent zu erhöhen, weil wir diese Frauen verstärkt unterstützen, wenn sie wiederkommen wollen. Wir sind sehr flexibel in der Handhabung.”

“Accenture” hat auch ein Mentoring-Programm für Frauen eingerichtet, die Karriere machen wollen. Simon Eaves erzählt: “Wir haben das Programm vor etwa einem Jahr gestartet und ich betreue fünf Frauen. Das sind leistungsstarke Frauen aus unserer Organisation, mit denen ich viel Zeit verbringe und als Coach und Mentor dazu beizutrage, ihre Karriere bei ‘Accenture’ zu unterstützen.”

Die Thales-Gruppe ist spezialisiert auf Raumfahrt, Verkehr und Sicherheit. Das Unternehmen arbeitet aktiv an der Gleichstellung der Geschlechter, 22 Prozent der Mitarbeiter auf der ganzen Welt sind Frauen. Vier von 16 Vorstandsmitgliedern sind weiblich, das entspricht einer Quote von 25 Prozent. Marion Broughton ist Vizepräsidentin von Thales UK: “Sobald ich ins Management aufstieg, musste ich viel mehr arbeiten. Natürlich wird überprüft, ob man die richtige Entscheidung getroffen hat, als man eine Frau in diese Führungsposition gebracht hat. Ich musste wirklich sehr hart arbeiten, um Karrriere zu machen, aber das war für mich kein Hindernis.”

Thales hat sich zum Ziel gesetzt, die Zahl seiner Frauen in Führungspositionen stetig zu erhöhen: Der Anteil der weiblichen Führungskräfte ist von neun Prozent im Jahr 2009 auf 11Prozent im Jahr 2012 gestiegen. Vizepräsidentin Anne Ravaran: “Die eigenen Initiativen des Unternehmens sind wichtig. Es wäre ein strategischer Fehler, wenn es sich nicht für die Gleichstellung der Geschlechter einsetzen würde.”

Frankreich gehört mit Italien, Belgien, den Niederlanden und Spanien zu den europäischen Ländern, die eine Quotenregelung eingeführt haben. Das bedeutet, dass bis 2017 40 Prozent der Vorstandsmitglieder in diesen Ländern weiblich sein müssen. In Frankreich gibt es die größten Zuwächse von Frauen in Führungspositionen: Dort stieg der Frauenanteil von neun Prozent im Jahr 2007 auf 22 Prozent im Jahr 2012. Allein seit der Gesetzesverabschiedung im vergangenen Jahr gab es einen Zuwachs um 10 Prozent.

Aber nicht für jeden sind Quoten das Allheilmittel. Es gibt durchaus negative Stimmen, die sich über Sanktionen und Mittelmäßigkeit Sorgen machen. Wie Pia Heitz Casanova, CEO EURO CRM: “Eine Quote wird immer noch in Bezug auf Minderheiten vorgeschlagen und das kann einen ziemlich negativen Effekt haben. Genauso wie wenn jemand sagt: ‘Du bist eine Frau, du bist bloß in dieser Position und im Vorstand, weil du eine Frau bist und weil es die Quote gibt.”

Dagegen sagt die Vizepräsidentin der EU-Kommission Viviane Reding, die für den Gesetzesentwurf gekämpft hat, dass die Quotenregelung nur eine vorübergehende Maßnahme sein solle, bis ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in den Vorstandsetagen erreicht sei: “Es wäre völlig falsch, Frauen nur einzustellen, weil sie Frauen sind. Wir müssen Frauen einstellen, weil sie Talente haben, weil sie etwas können und weil sie eine Bereicherung sind. Es geht nicht nur um den weiblichen Faktor, es geht um menschliche Fähigkeiten. Und es wäre falsch, einen Teil dieser Fähigkeiten nicht zu nutzen, nur weil es weibliche Fähigkeiten sind.”

Eine Vorstandsquote könnte ein Meilenstein für die Gleichstellung der Geschlechter bedeuten, aber wird es auch die Unternehmensführung beeinflussen? Eine Balance im Vorstand bedeutet laut Avivah Wittenberg Cox nicht unbedingt, dass das Verhältnis auch im Unternehmen ausgewogen ist: “Unserer Meinung nach ist der beste Indikator, ob ein Unternehmen frauenfreundlich ist, nicht so sehr die Vorstandsebene, über die derzeit hauptsächlich diskutiert wird. Viel wichtiger sind die Gremien, die das Unternehmen tatsächlich leiten. Im Vorstand ist es relativ einfach, eine Balance zu erreichen. Man muss nur ein paar Frauen berufen, nicht unbedingt leitende Angestellte, wie es viele Unternehmen derzeit machen.”

Bonus ITV: Balance und Führung

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