Immer mehr Mittelmeer-Flüchtlinge: Seenotretter fordern koordinierte EU-Einsätze

Seenotretter der "Sea-Watch 3" verteilen Rettungswesten an 108 Menschen in einem Boot in Seenot im zentralen Mittelmeer
Seenotretter der "Sea-Watch 3" verteilen Rettungswesten an 108 Menschen in einem Boot in Seenot im zentralen Mittelmeer Copyright Nora Boerding/Sea-Watch via AP
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Von Anelise Borges
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Die Seenotretter warnen vor den Risiken, die mit der steigenden Zahl der Überfahrten verbunden sind und fordern den Einsatz einer "angemessenen, staatlich geführten und proaktiven Flotte für die Seenotrettung".

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Angesichts der steigenden Zahl von Migranten, die versuchen, das Mittelmeer zu überqueren und in Seenot geraten, fordern drei Hilfsorganisationen die Unterstützung der EU bei der Durchführung von Such- und Rettungsaktionen.

SOS Mediterranee, Ärzte ohne Grenzen (MSF) und Sea-Watch haben in den letzten Wochen Tausende von Menschen aus überfüllten, seeuntauglichen Booten gerettet.

Innerhalb von fünf Tagen haben die "Geo Barents", ein von Ärzte ohne Grenzen betriebenes Such- und Rettungsschiff, und die "Ocean Viking", ein von SOS Mediterranee in Partnerschaft mit der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IF RC) gechartertes Such- und Rettungsschiff, sechzehn Flüchtlingsboote aus Seenot gerettet.

Warten vor den verschlossenen Toren Europas

 An Bord der "Geo Barents" befinden sich noch immer über 600 Menschen, darunter mehr als 150 Minderjährige, denen trotz Anfragen an Italien und Malta kein Zielhafen zugewiesen wurde,

Die Seenotretter warnen vor den Risiken, die mit der steigenden Zahl der Überfahrten verbunden sind, und fordern die europäischen Mitgliedstaaten auf, eine angemessene, engagierte und proaktive Such- und Rettungsflotte bereitzustellen, die im Mittelmeer als Teil eines europäischen Mechanismus zur Rettung von Menschenleben operiert.

Xavier Lauth. Einsatzleiter von SOS Mediterranee und derzeit an Bord der "Ocean Viking" sagt: "Dies sind sehr wichtige Momente des kollektiven Bewusstseins, um zu erkennen, dass dieser Mechanismus unerlässlich ist, um Leben zu retten. Es ist unerlässlich, dass es Rettungssituationen gibt, die ordnungsgemäß koordiniert und ordnungsgemäß organisiert sind und nicht der Zivilgesellschaft oder manchmal der kommerziellen Schifffahrt oder Fischereibooten überlassen werden, die ebenfalls im Bereich der ihnen zur Verfügung stehenden Mittel Rettungen auf See durchführen. 

Daher denke ich, dass diese Momente, in denen Europa und alle europäischen Bürger:innen sich des Ernstes der Situation im zentralen Mittelmeer bewusst werden, auch ein Schlüsselmoment sind, um einen koordinierten Rettungsmechanismus auf See zu fordern."

Italien registrierte in diesem Jahr bereits mehr als 42.000 Menschen

Seit die EU die Such- und Rettungsaktionen im Mittelmeer eingestellt hat, sind solche Initiativen dem Ermessen der Staaten überlassen. Aber NGOs sagen, dass viele EU-Staaten Notrufe ignorieren oder sogar mit den libyschen Behörden zusammenarbeiten, um Asylsuchende zurückzuschicken.

Auf der zentralen Mittelmeerroute wurden nach UN-Angaben allein in diesem Jahr bislang 907 Migranten als tot oder vermisst gemeldet.

In den vergangenen Wochen hatten die Helfer mit ihren Schiffen Hunderte Migranten an Bord geholt, die von Afrika aus nach Europa übersetzen wollten. Italien registrierte in diesem Jahr bislang mehr als 42 000 Menschen - das sind schon jetzt deutlich mehr als im gesamten 2021, als 30 000 gezählt worden waren. Das Mittelmeerland hat immer größere Probleme, die Leute vernünftig zu registrieren und aufzunehmen. Das für rund 350 Menschen konzipierte Flüchtlingslager auf der Insel Lampedusa etwa ist extrem überfüllt.

Laut der Internationalen Organisation für Migration ist das zentrale Mittelmeer die tödlichste Migrationsroute der Welt. Seit 2014 sind fast 20.000 Menschen bei dem Versuch der Überfahrt gestorben oder verschwunden.

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