Die deutschen Behörden stehen auch unter dem Druck zu erklären, warum sie nicht schneller auf Hinweise reagiert haben, die sie über den Verdächtigen erhalten hatten.
In der Mitteldeutschen Zeitung berichten Kollegen des Verdächtigen, der als Psychiater in Sachsen-Anhalt tätig war, dass sie Zweifel an seiner Qualifikation als Arzt hatten. Offenbar hatte der Mann aus Saudi-Arabien den Spitznamen "Dr. Google", weil Taleb A. bei der Verschreibung von Medikamenten offenbar oft unsicher war.
Der Verdächtige war in einer Klinik für suchtkranke Straffällige beschäftigt. Er soll auch einer Patientin gesagt haben "Alkohol gut, Honig schlecht".
War die Sicherheit ausreichend?
Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang hat die Sicherheitsvorkehrungen am Weihnachtsmarkt von Magdeburg verteidigt, zwei Tage nachdem bei dem Anschlag fünf Menschen getötet und mehr als 200 verletzt wurden. Tamara Zieschang sagte, die hohe Polizeipräsenz auf dem Weihnachtsmarkt habe dazu beigetragen, dass der Täter innerhalb von drei Minuten festgenommen werden konnte. Zudem habe man intensiv von der neuen gesetzlichen Möglichkeit der stichprobenartigen Taschenkontrollen Gebrauch gemacht, um das Waffen- und Messerverbot auf den Weihnachtsmärkten durchzusetzen.
Ein Sachverständiger für Zufahrtsschutz, hatte im MDR Sachsen Anhalt erklärt, dass eigentlich alle möglichen Angriffsrouten so geschützt hätten werden müssen, dass eine Einfahrt unmöglich gewesen wäre.
Andere Experten verwiesen aber darauf, dass Weihnachtsmärkte, die Tausende Menschen anziehen, nie vollständig gesichert werden könnten.
Rettungsfahrzeuge müssten Zugang zum Gelände haben und laut Gesetz müssten mehrere Notausgänge vorhanden sein.
Hinweise aus dem vergangenen Jahr
Die deutschen Behörden stehen aber auch unter Erklärungsdruck, warum sie nicht schneller auf Hinweise reagiert haben, die sie im vergangenen Jahr über den Verdächtigen erhalten haben.
Der Chef des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, sagte in einem Interview mit dem ZDF, dass seine Behörde im November 2023 einen Hinweis aus Saudi-Arabien erhalten habe, der die Behörden veranlasst habe, "entsprechende Ermittlungsmaßnahmen" einzuleiten.
"Der Mann hat auch eine große Anzahl von Beiträgen im Internet veröffentlicht. Er hatte auch Kontakt zu verschiedenen Behörden, machte Beleidigungen und sogar Drohungen. Gewalttaten waren ihm jedoch nicht bekannt", so Münch.
Die Warnungen seien jedoch sehr unspezifisch gewesen, so Münch.
Auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gab an, im Spätsommer vergangenen Jahres einen Hinweis auf Taleb A. erhalten zu haben.
"Dieser wurde, wie jeder andere der zahlreichen Hinweise, ernst genommen", so das Amt in einem Beitrag auf X.
Sie wies aber auch darauf hin, dass sie keine Ermittlungsbehörde sei und die Informationen an die zuständigen Behörden weitergeleitet habe. Weitere Details wurden nicht genannt.
Und der Zentralrat der Ex-Muslime gab in einer Erklärung habe, dass der Verdächtige sie seit Jahren "terrorisiert" habe.
"Er teilte offenbar Überzeugungen aus dem rechtsextremen Spektrum der AfD und glaubte an eine groß angelegte Verschwörung zur Islamisierung Deutschlands. Seine wahnhaften Vorstellungen gingen so weit, dass er davon ausging, dass auch islamismuskritische Organisationen Teil der islamistischen Verschwörung seien", so der Rat in einer Erklärung.
Taleb A., ein saudischer Staatsbürger, der 2006 nach Deutschland kam und eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung erhielt, wurde am Sonntag wegen Mordes und versuchter Morde angeklagt.
Den Behörden zufolge entspricht er nicht dem üblichen Profil von Tätern extremistischer Anschläge. Er beschrieb sich selbst als Ex-Muslim, der dem Islam gegenüber sehr kritisch eingestellt war und in vielen Beiträgen in den sozialen Medien seine Unterstützung für die rechtspopulistische, einwanderungsfeindliche Partei Alternative für Deutschland (AfD) zum Ausdruck brachte.
Er bleibt in Untersuchungshaft, während die Behörden gegen ihn ermitteln.
Holger Münch vom Bundeskriminalamt sagte, die bisherigen Ermittlungen deuteten darauf hin, dass der Anschlag keinen islamistisch-terroristischen Hintergrund habe.
"Ganz im Gegenteil. Der Sachverhalt vor dem Anschlag lässt sich so einordnen, wie man es befürchten könnte. Die Motivation ist jedoch eine völlig andere. Ein atypischer Täter, wenn man so will, der nicht in ein solches Raster passt", sagte er dem ZDF.
Unterdessen bleibt der Weihnachtsmarkt in Magdeburg abgesperrt, die Ermittlungen der Polizei dauern an.