Neue, von der britischen Regierung finanzierte Tests zur Erprobung von Methoden zur Reflektion von Sonnenlicht zur Bekämpfung des Klimawandels haben im Internet zu Verschwörungstheorien geführt.
Im Internet kursieren Fehlinformationen, nachdem kürzlich bekannt wurde, dass die britische Regierung Experimente mit Geo-Engineering im Freien finanzieren wird.
Unter Geo-Engineering versteht man vorsätzliche und großräumige Eingriffe in die Umwelt der Erde, um die Auswirkungen des Klimawandels aufzuhalten.
Forschungsprojekt zur Reflektion von Sonnenstrahlung
Es gibt zwei Hauptgruppen: das Management der Sonneneinstrahlung (Solar Radiation Management, SRM), bei dem ein kleiner Teil des Sonnenlichts und der Wärme in den Weltraum zurückreflektiert wird, um die Erde abzukühlen, und die Beseitigung von Kohlendioxid (Carbon Dioxide Removal, CDR).
Großbritannien konzentriert sich auf Ersteres: Die Regierung will rund 56,8 Millionen Pfund (67 Millionen Euro) für ein Projekt bereitstellen, das mit sonnenreflektierenden Partikeln in der Stratosphäre und dem Besprühen reflektierender Wolken mit Meerwasser experimentieren wird.
Die hinter dem Projekt stehende Advanced Research and Invention Agency (Aria) hat erklärt, dass die Tests nur in kleinem Maßstab durchgeführt werden und dass sie auch untersuchen wollen, wie Geo-Engineering international geregelt werden könnte.
Wenn sich Geo-Engineering als sicher erweist, könnte es zur Abkühlung des Planeten und zur Verlangsamung der globalen Erwärmung eingesetzt werden, um mehr Zeit für die Bewältigung der Klimakrise zu gewinnen.
Obwohl sich die britischen Pläne noch im Versuchsstadium befinden, behaupten viele Social-Media-Nutzer, dass das Land bereits seit Jahren ohne öffentliche Zustimmung Geo-Engineering betreibt, um die Bevölkerung zu kontrollieren.
Diese User unterstützten auch die weithin entlarvte "Chemtrails"-Verschwörungstheorie, laut der Kondensstreifen von Flugzeugen schädliche Chemikalien enthalten, die angeblich über in Europa versprüht werden - und andere dazu verwendet würden, um die Sonne zu verdunkeln und das Licht zu blockieren.
"Unmöglich im Geheimen durchzuführen"
EuroVerify hat diese Behauptungen Experten vorgelegt, die sie entschieden zurückwiesen.
"Es wäre unmöglich, groß angelegte Experimente zur Wetterveränderung im Geheimen durchzuführen. Es ist einfach nicht machbar", sagt Jim Franke, Forscher in der Abteilung für geophysikalische Wissenschaften der Universität Chicago.
"Die Anzahl der Flugzeuge, die benötigt werden, um dieses Material dorthin zu fliegen, wo es benötigt wird, und der Strahlungseffekt wären durch öffentlich verfügbare Informationen leicht zu ermitteln", fügt er hinzu.
Wolfgang Cramer, Professor für globale Ökologie und Forscher am CNRS, dem französischen Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung, meint, dass es zwar viel berechtigte Kritik am Geo-Engineering gebe, es aber falsch sei, Regierungen zu beschuldigen, sie würden in böser Absicht forschen.
"Ich bin sicher, dass Regierungen wie die Großbritanniens und anderer Länder ein ehrliches Ziel verfolgen, dass sie wirklich ein Problem der Menschheit lösen wollen", sagt er zu EuroVerify. "Ich denke, es gibt eine Debatte darüber,* und es gibt nicht notwendigerweise nur Bösewichte und Gutmenschen."
Die Experten wiesen auch zurück, dass die Ankündigung des britischen Geo-Engineering-Experiments nur eine Tarnung für die Tatsache sei, dass Großbritannien und andere Länder bereits seit Jahren im Geheimen SRM betreiben.
"Das ist völliger Unsinn, dafür gibt es absolut keine Beweise", so Cramer und wies darauf hin, dass man SRM-Experimente nicht mit Wolkenimpfungstechniken verwechseln dürfe, die in einigen Teilen der Welt eingesetzt werden, um Niederschläge zu verstärken und Regen zu produzieren.
"Das ist nicht das, was ich meine, wenn ich von Solar Radiation Management spreche, denn Solar Radiation in dieser Definition ist die langfristige Manipulation der Strahlungsbilanz der Atmosphäre", fügt er hinzu.
Ähnlich äußert sich Franke, der darauf hinweist, dass in der Vergangenheit neben den Computersimulationen zum Geo-Engineering auch vereinzelte Experimente in kleinem Maßstab durchgeführt worden seien - doch letztlich sei es realitätsfern zu glauben, dass Regierungen so weitreichende Verfahren über einen so langen Zeitraum heimlich durchführen könnten.
"Es werden [von angesehenen Universitäten] Abhandlungen über Geo-Engineering veröffentlicht, und ich bin mir sicher, dass das in die Online-Sphären sickert und auf die Art und Weise fehlinterpretiert wird, wie die Leute diese Dinge gerne interpretieren", sagte er. "Es wird etwas erzeugt, das diese Art von Verschwörungstheorie unterstützen kann".
Warum ist Geoengineering so umstritten?
Die allgemein schleppenden Versuche der internationalen Gemeinschaft, Treibhausgasemissionen zu verringern, haben viel Frustration ausgelöst und viele dazu veranlasst, Geo-Engineering als wichtigste Waffe gegen die globale Erwärmung zu betrachten.
Die wissenschaftliche Gemeinschaft ist jedoch geteilter Meinung über die Umsetzung, einerseits weil dadurch Ressourcen von der Bekämpfung der eigentlichen Ursachen des Klimawandels abgezogen werden und die Motivation zur CO2-Einsparung verringert würde, und andererseits wegen der Fragen, wie solche Systeme auf der Weltbühne geregelt werden könnten.
"Technisch und finanziell wäre es [SRM] möglich", so Cramer. "Man bräuchte eine Flugzeugflotte, die rund um den Planeten an kritischen Stellen positioniert wäre und im Grunde Tag und Nacht fliegt und die Partikel in die Atmosphäre einbringen würde.
"Modellberechnungen zufolge könnte man damit die globale Durchschnittstemperatur ein wenig senken", erklärt er.
Er fügt jedoch hinzu, dass seine Hauptbedenken in Bezug auf das SRM-Geo-Engineering sind, wie lange es dauern würde, bis man es wirklich nutzen könnte, wie sehr verschiedene Teile der Welt davon profitieren würden und wie es überwacht werden könnte.
"Es würde wahrscheinlich etwa ein Jahrzehnt dauern, bis man die Auswirkungen sehen kann. Und in einigen Gebieten würde die Erwärmung stärker ausfallen, in anderen viel schwächer, vielleicht sogar so stark, dass sie sich nicht einmal darüber freuen würden" sagt er.
"Es wird eindeutig Gewinner und Verlierer geben... die Atmosphäre ist eine hochdynamische Struktur, und wenn man die Strahlungsmenge, die sie zu jedem Zeitpunkt und an jedem Punkt des Raums durchläuft, kontrollieren will, ist dies aufgrund der chaotischen Natur der Atmosphäre nicht möglich."
Die Experten sind der Meinung, dass ein globales SRM-System ein internationales Gremium zur Regelung seiner Umsetzung erfordern würde, was es anfällig für politische Launen macht. Theoretisch könnte sich ein Land jederzeit zurückziehen, was der Initiative schaden und die bis dahin erzielten Fortschritte zunichte machen würde.
Außerdem müsste das Gremium möglicherweise Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte lang bestehen, bis die globalen Temperaturen ausreichend gesenkt sind und SRM langsam ausläuft, was erhebliche finanzielle und technische Ressourcen erfordert.
Zu den unerwünschten Auswirkungen auf die Umwelt sagt Franke, dass SRM Geo-Eengineering zu einer Verlangsamung des Wasserkreislaufs führen könnte.
"Wenn man die einfallende Sonnenstrahlung ein wenig reduziert, verringert sich die Verdunstung und der atmosphärische Transport von Wasserdampf und damit auch der entsprechende Niederschlag", sagte er. "Diese allgemeine Verlangsamung des Wasserkreislaufs könnte sich also regional auswirken, indem es in einigen Regionen weniger Niederschläge gibt.
Er fügt hinzu, dass das Ausmaß und die Größenordnung dieser Auswirkungen noch sehr ungewiss seien, so dass die Frage offen sei, ob das solare Geo-Engineering für die Verfügbarkeit von Wasser für Menschen und Pflanzen auf der ganzen Welt von Vorteil sei oder nicht.*
Andere Nebeneffekte, wie die Beeinträchtigung der Photosynthese von Pflanzen durch eine Verringerung des Sonnenlichts, wurden ebenfalls als mögliches Problem angesprochen. Sie sind aber noch nicht ausreichend erforscht und genau deshalb sind weitere Forschungen und Experimente erforderlich.
Trotzdem zeigen die bisherigen Computermodelle, dass ein moderates Maß an SRM "fast alle wichtigen Klimagefahren verringern würde", so Franke.
"Suchen Sie sich die Klimagefahr aus, die für Ihr Gebiet am relevantesten ist: extreme Feuchtkugeltemperaturen im Sommer, Küstenerosion, die durch den Anstieg des Meeresspiegels verursacht wird oder das Schmelzen der Gletscher", sagt er. "Was auch immer es ist: in fast allen Fällen mildert das solare Geo-Engineering diese Klimagefahr".
"Ich bin für die Erforschung von Geo-Engineering, aber nicht für die Durchführung von Geo-Engineering", fügt Franke hinzu. "Die Entscheidung, so etwas zu tun, müsste von einer internationalen Koalition von Führungsgremien getroffen werden, und dabei hoffentlich die beste verfügbare Forschung nutzen."