Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz trifft Donald Trump zum ersten Mal im Weißen Haus. Es könnte der Beginn einer schrecklichen Freundschaft sein. Wie sind Merz' Vorgänger mit den jeweiligen Männern im Oval Office umgegangen? Euronews wirft einen Blick auf nicht immer einfache Beziehungen.
An diesem Donnerstag trifft der neue deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz zum ersten Mal im Weißen Haus mit US-Präsident Donald Trump zusammen.
Die Begegnung steht unter keinem guten Stern. Schon während seiner ersten Amtszeit äußerte sich Trump regelmäßig abfällig über Deutschland und entwickelte zu Bundeskanzlerin Angela Merkel ein Nicht-Verhältnis, das von gegenseitiger persönlicher Abneigung geprägt war.
Trumps erratische Handelspolitik, die besonders die Europäische Union und hier wiederum vor allem Deutschland im Visier hat, sowie Trumps Rückzug von traditionell gefestigten transatlantischen Positionen zur gemeinsamen Verteidigung und Russland haben Merz herausgefordert, noch bevor dieser ins Kanzleramt einzog.
Wie sich das beiderseitige Verhältnis zwischen Merz und Trump künftig entwickelt, dürfte entscheidend davon abhängen, wie der Bundeskanzler seinen ersten Besuch im Oval Office absolviert – Volodymyr Selenskij lässt grüßen!
Merz‘ Grundproblem ist, dass Trump die Axt an das deutsch-amerikanische Verhältnis gelegt hat und an guten Beziehungen zu Berlin nicht sonderlich interessiert ist.
Diese Situation ist ein Novum für einen Bundeskanzler. Merz‘ Vorgänger seit 1949 erlebten Höhen und Tiefen in ihren Beziehungen zu den jeweiligen amerikanischen Präsidenten, aber die enge Freundschaft zwischen beiden Ländern wurde dabei nie in Frage gestellt.
Wie kamen sie also miteinander aus?
Konrad Adenauer (1949-63) vs. Dwight D. Eisenhower, John F. Kennedy
Konrad Adenauer ist 73, als er 1949 zum ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt wird. Vier Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist das Land aber noch kein souveräner Staat.
Adenauer ist sich dessen nur zu bewusst. Er sucht ein enges und vertrauensvolles Verhältnis zu den USA und hält sich sehr genau an Vorgaben aus Washington.
1953 reist Adenauer zum ersten Mal in die USA – es ist der erste Besuch eines deutschen Regierungschefs in Washington überhaupt! Seine Gespräche mit US-Präsident Dwight D. Eisenhower (1953-61) verlaufen freundschaftlich.
Für Adenauer sind der Schutz, die Hilfe und die militärische Präsenz der USA unabdingbar für die demokratische Entwicklung Deutschland sowie Frieden und Wohlstand in Europa.
Mit Eisenhower und vor allem dessen Außenminister John Foster Dulles entwickelt Adenauer enge persönliche Beziehungen, die dem deutsch-amerikanischen Verhältnis insgesamt zugutekommen.
Dagegen ist das Verhältnis Adenauers zu John F. Kennedy (1961-63) nicht unproblematisch.
Sowohl altermäßig als auch politisch sind die beiden weit voneinander entfernt. Adenauer ist 1963, seinem letzten Amtsjahr, bereits 87 – und der 41 Jahre jüngere Kennedy sieht in ihm einen Mann der Vergangenheit.
Die Haltung des Bundeskanzlers zur deutschen Frage erscheint Kennedy als zu rigide und wenig flexibel angesichts sich ändernder Verhältnisse in Europa.
Umgekehrt hegt Adenauer ein konstantes Misstrauen gegenüber amerikanisch-sowjetischen Verhandlungen. Er glaubt, dass eine Annäherung der beiden Supermächte nur auf Kosten Deutschlands und dessen politischen Ziel der Wiedervereinigung stattfinden kann.
Ludwig Erhard (1963-66) vs. Lyndon B. Johnson
Nach den Mißtönen zwischen Adenauer und JFK entwickeln sich die Beziehungen ziwschen Bundeskanzler Ludwig Erhard und Kennedys Nachfolger Lyndon B. Johnson (1963-69) wieder sehr freundschaftlich.
In Deutschland ist die Außenpolitik in jenen Jahren durch den Konflikt zwischen “Atlantikern” und “Gaullisten” gekennzeichnet. Letztere wollen ein enges Zusammengehen mit Frankreich, was Erhard zugunsten eines atomaren Schutzes der USA ablehnt.
Erhard und Johnson begegnen sich von Beginn an mit Sympathie und treffen sich in Erhards kurzer Amtszeit fünf Mal. Das erste Mal nur einen Monat nach Johnsons Amtseinführung, als der Texaner den Deutschen auf seine Ranch einlädt.
Willy Brandt (1969-1974) vs. Richard Nixon
Mit Willy Brandt zieht 1969 erstmals ein Sozialdemokrat ins Bundeskanzleramt ein.
Brandt versteht sich als ein selbstbewusster Partner der USA. Seine “Ostpolitik”, die eine Verständigung mit der DDR, Polen und der Sowjetunion suchte, wird in Washington indes mit großem Argwohn betrachtet.
US-Präsident Richard Nixon (1969-74) mißtraut Brandt, der er für einen “deutschen Nationalisten” hält. Dagegen ist Brandt um ein gutes Verhältnis zu Nixon bemüht und vermeidet offene Kritik am Krieg in Vietnam.
Persönlich haben sich beide praktisch nichts zu sagen. In Anspielung auf Brandts uneheliche Herkunft nennt Nixon diesen im kleinen Kreis gelegentlich “den Bastard”.
Helmut Schmidt (1974-82) vs. Gerald Ford, Jimmy Carter
Mitte der 1970er-Jahre ist das deutsch-amerikanische Verhältnis so gut wie nie zuvor. US-Präsident Gerald Ford (1974-77) und Bundeskanzler Helmut Schmidt kennen und schätzen sich, privat sind sie eng befreundet.
Die Übereinstimmung in den zentralen Themenfeldern ist groß, ebenso die vertrauensvolle Offenheit, in der über Differenzen gesprochen wird.
Doch Ford verliert die Wahl 1976 gegen seinen Herausforderer Jimmy Carter (1977-81).
Carter ist außenpolitisch unerfahren und setzt auf einen Beraterstab, der nicht von den Denkfabriken der Ostküste stammt – wo Schmidt seit Jahrzehnten gut vernetzt ist und hohes Ansehen genießt.
Schmidt, der zu Belehrungen neigt, sieht in Carter einen Anfänger, der von den komplexen Problemen der Welt nur eine begrenzte Ahnung hat.
Die bleibt Carter nicht verborgen – die Beziehungen landen rasch auf einem Tiefpunkt.
Als es um die Stationierung der Neutronenbombe geht, kommt es zu schweren Verstimmungen. Schmidt macht sich unter großen innenpolitischen Schwierigkeiten für das von Washington gewollte Waffensystem stark.
Als Carter aus innenpolitischen Gründen deren Herstellung dann in letzter Minute wieder stoppt, fühlt sich Schmidt bloßgestellt.
Helmut Kohl (1982-1998) vs. Ronald Reagan, George Bush, Bill Clinton
Anders als Schmidt hat Helmut Kohl keinen persönlichen Bezug zu den USA und spricht kein Englisch. Gleichwohl zeigt er von Anfang an transatlantische Solidarität und bemüht sich, zu jedem US-Präsidenten, mit dem erst es zu tun hat, eine persönliche Beziehung aufzubauen.
Seiin Verhältnis zu Ronald Reagan (1981-89) trägt sogar freundschaftliche Züge, die selbst die peinliche Bitburg-Kontroverse überdauern.
Kohl hatte 1985 Reagan während dessen Deutschland-Aufenthalts zu einem Besuch auf dem Soldatenfriedhof Bitburg in der Eifel eingeladen – als Zeichen der Aussöhnung unter ehemaligen Feinden.
Als herauskommt, dass auf dem Friedhof nicht nur Wehrmachtssoldaten, sondern auch Angehörige der Waffen-SS begraben sind, bricht in Washington ein Sturm der Entrüstung aus.
Das Weiße Haus will den Besuch streichen, doch Reagan bleibt stur und stützt so den deutschen Kanzler.
Ein freundschaftliches und enges Verhältnis entwickelt Kohl auch zu Reagans Nachfolger George Bush (1989-93), was die Kommunikation zwischen beiden Regierungen während des Zusammenbruchs der DDR und des deutschen Wiedervereinigungsprozesses erleichtert.
In den 90er Jahren werden die deutsch-amerikanischen Beziehungen nicht zuletzt von der Frage bestimmt, wie viel Verantwortung Deutschland in der Welt übernehmen soll.
US-Präsident Bill Clinton (1993-2001), zu dem Kohl ein noch besseres Verhältnis hat als zu Reagan, reagiert positiv auf die deutsche Entscheidung, Bundeswehrsoldaten als Teil einer internationalenn Friedenstruppe auf den Balkan zu schicken.
In seinen Memoiren spricht Clinton fast liebevoll und mit viel Respekt über seine Wertschätzung für Kohl. Er sei “nicht nur körperlich” der beeindruckendste politische Führer seit Jahrzehnten in Europa gewesen, so Clinton.
Gerhard Schröder (1998-2005) vs. George W. Bush
Ganz anders entwickelt sich das Verhältnis zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und US-Präsident George W. Bush. Wohl nie zuvor war die Stimmung zwischen Bonn (später Berlin) und Washington so eisig wie in jenen Jahren.
Der Grund: das Nein der rot-grünen Bundesregierung zum Irak-Krieg.
Misstrauen, persönliche Verletzungen, unverhohlene Abneigung – das Zerwürfnis zwischen beiden Politikern ist total.
Sichtbar wird dies noch Jahre später, als beide nicht mehr im Amt sind, als sich anläßlich der Veröffentlichung von Bush’ Memoiren 2010 beide der Lüge bezichtigen.
Angela Merkel (2005-21) vs. Barack Obama
Unter Bundeskanzlerin Angela Merkel entspannt sich das deutsch-amerikanische Verhältnis wieder. Anders als mit Schröder kommt Bush mit Merkel gut zurecht und nennt sie “eine Freundin”.
Dagegen erwärmt sich das Verhältnis der Bundeskanzlerin zu Barack Obama nur langsam.
2008 verweigert sie dem damaligen Präsidentschaftskandidaten in Berlin eine Rede vor dem Brandenburger Tor – Obama muss mit der Siegessäule vorliebnehmen.
Doch nach Obamas Wahl ist das Verhältnis zunehmend von gegenseitigem Vertrauen geprägt, ohne überschwänglich zu werden.
Beide pflegen einen nüchternen und pragmatischen Politikstil und eine liberale Sicht auf die Welt, was die Zusammenarbeit erleichtert.
Olaf Scholz (2021-25) vs. Joe Biden
In gewisser Weise hat Bundeskanzler Olaf Scholz Glück: US-Präsident Joe Biden gilt als vermutlich letzter großer US-Transatlantiker alter Schule. Das erleichtert die Zusamenarbeit.
Beide mögen sich, arbeiten vertrauensvoll zusammen, bezeichnen sich als Freunde.
Tatsächlich stimmt sich Scholz mit Biden häufiger und enger ab als mit seinen europäischen Kollegen.
Bei der Ukraine-Hilfe tut Scholz nichts, ohne die Zustimmung Bidens eingeholt zu haben.
Bei ihrem letzten Treffen warnen beide vor einem Ende der Ukraine-Hilfe. Das ist jetzt Sache ihrer Nachfolger.