Der ukrainische Präsident Selenskyj sagt, das Tribunal sei eine "echte Chance", Gerechtigkeit zu erreichen. Er hofft, dass es eines Tages hochrangige russische Beamte, einschließlich Putin, für ihren Krieg gegen Ukraine vor Gericht stellen wird.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat mit dem Generalsekretär des Europarats, Alain Berset, am Mittwoch in Straßburg ein Abkommen für ein Sondertribunal für Verbrechen gegen die Ukraine unterzeichnet.
Ziel des Sondertribunals ist es, hochrangige russische Politiker für die "zahllosen Kriegsverbrechen" zu verurteilen, die die Ukraine den russischen Streitkräften seit dem Beginn der groß angelegten Invasion des Kremls im Februar 2022 vorwirft.
Bestehende internationale Gerichtshöfe, einschließlich des Internationalen Strafgerichtshofs IStGH in Den Haag, sind nicht befugt, russische Staatsangehörige für "Verbrechen der Aggression" zu verfolgen.
Erster Gerichtshof zur Ahndung der "Verbrechen der Agression"
"Gerechtigkeit für die Ukraine wird nicht warten", sagte Berset vor der Unterzeichnungszeremonie mit Selenskyj.
"Zum ersten Mal wird ein internationales Tribunal geschaffen, das sich mit dem Verbrechen der Aggression befasst. Dieser Gerichtshof wird im Rahmen des Europarats eingerichtet und wird diejenigen zur Rechenschaft ziehen, die unter Verletzung der UN-Charta Gewalt angewendet haben", fügte er hinzu.
Präsident Selenskyj verwies auf die Tribunale, die nach dem Zweiten Weltkrieg für die Verurteilung der Nazis eingerichtet wurden, und auf das Tribunal in Den Haag, das während der Jugoslawien-Kriege Personen aburteilte, die schwerer Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht beschuldigt wurden. Er argumentierte, dass diese Sondergerichte als Grundlage dafür dienen sollten, wie russische Beamte zur Verantwortung gezogen werden müssen.
"Wir alle erinnern uns an das Tribunal, das nach den Gräueln des Nationalsozialismus für Gerechtigkeit sorgte. Und die Welt wird Nürnberg nie vergessen. Jahre später, als Hass und Krieg in Teile Europas zurückkehrten, wurde ein weiteres Tribunal benötigt, damals für die Verbrechen im ehemaligen Jugoslawien", sagte Selenskyj in einer Rede vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarats.
"Jetzt brauchen wir das Gleiche für Russlands Aggression gegen die Ukraine. Dieses Verbrechen muss klar und gründlich verurteilt werden. Die Welt braucht ein ehrliches, historisches Urteil, damit alle, die für diesen Krieg verantwortlich sind, zur Rechenschaft gezogen werden können", fügte der ukrainische Regierungschef hinzu.
"Eine echte Chance", um Gerechtigkeit für die Ukraine herzustellen
Selenskyj zeigte sich optimistisch, dass das Tribunal eine "echte Chance" biete, dem ukrainischen Volk, das unter den "unsäglichen Verbrechen" der russischen Streitkräfte gelitten habe, endlich Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Der ukrainische Präsident drängte darauf, dass der russische Präsident Wladimir Putin, den er als "Kriegsverbrecher" beschuldigte, vor Gericht gestellt wird.
"Andere Institutionen, selbst internationale, haben nicht die Mittel, dies zu tun. Und wir müssen deutlich zeigen, dass Aggression zu Bestrafung führt", sagte Selenskyj.
Für die Ahndung von Kriegsverbrechen im Ukraine-Krieg ist der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag zuständig. Der IStGH hatte im März 2023 wegen des Vorwurfs der Zwangsdeportation ukrainischer Kinder im Zuge der russischen Offensive einen Haftbefehl gegen Putin ausgestellt. Der IStGH kann jedoch nicht gegen Moskau wegen des "Verbrechens der Aggression", also der Entscheidung zum Angriff auf die Ukraine, vorgehen. Das Sondertribunal soll diese Rechtslücke nun schließen.
Wo das ad-hoc-Strafgericht genau sein soll, ist noch nicht geklärt. Da der IStGH bereits in Den Haag liegt, würde sich die niederländische Stadt auf für das Sondertribunal eignen. Der ukrainische Präsident Selenskyj bezeichnete Den Haag als Standort für "perfekt".
Dem Europarat gehören 46 Staaten an. Er ist von der EU unabhängig und setzt sich für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte ein. Die Ukraine ist Mitglied. Russland wurde im März 2022 ausgeschlossen.