Integrationskurs-Kosten befinden sich auf einen Höchststand. Trotzdem landen viele Migranten im Sozialsystem. Die iranische Lehrerin Amirsedghi erzählt bei Euronews: "Ein relevanter Teil in den Kursen ist nicht integrierbar." Trotz "hoher Durchfallquoten" werden "weiter Sozialleistungen gewährt."
Im Jahr 2024 hatte Deutschland für Migration insgesamt Ausgaben von rund 28 Milliarden Euro. Allein die Kosten für Integrationskurse haben sich seit 2022 etwas mehr als verdoppelt: von 586 Millionen Euro auf 1,23 Milliarden Euro im Jahr 2024. Das bedeutet einen neuen Höchststand der Integrationskurs-Kosten seit 2015.
Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine AfD-Anfrage von René Springer hervor, die Euronews vorliegt. Seit dem Jahr 2015 wurden 6,4 Milliarden Euro für Integrationskurse ausgegeben. Aus den Tabellen geht auch hervor, dass fast jeder zweite Migrant das Kursziel des Erwerbs von ausreichenden Deutschkenntnissen auf dem Niveau B1 („Zertifikat Deutsch") verfehlt hatte. So lag die Teilnehmerzahl mit B1-Ergebnis 2023 nur bei 55 Prozent.
Das betreffe demnach nicht nur Menschen aus dem Nahen Osten oder Afrika, sondern auch aus der Ukraine. Im Jahr 2023 erreichte fast nur etwas mehr als jeder Zweite der ukrainischen Prüflinge das Kursziel B1 (55,5 Prozent).
Der Bundestagsabgeordnete René Springer (AfD) meint zu Euronews: „Wir verpulvern Milliarden für Migranten in Integrationskursen und am Ende liegen sie uns im Sozialsystem auf der Tasche."
"Viele von ihnen müssen zunächst einmal alphabetisiert und überhaupt schriftfähig gemacht werden. Die dürftigen Ergebnisse dieser Investition zeigen sich in den weiterhin schlechten Beschäftigungsquoten vieler Migranten", kritisiert Springer weiter. Anstatt das Geld in den Aufbau eines neuen Arbeitsprekariats zu stecken, wäre es sinnvoller, "in die Hebung inländischer Potenziale zu investieren."
In Deutschland beziehen 5,4 Millionen Menschen Bürgergeld - davon sind knapp die Hälfte laut der Bundesagentur für Arbeit Ausländer. Darunter bilden Ukrainer die größte Gruppe. Stand 2024 waren sogar 63,5 Prozent der Stütze-Bezieher Menschen mit Migrationshintergrund.
Sprachdozentin: "Trotz hoher Durchfallquoten werden weiter Sozialleistungen gewährt"
Doch wie sieht wirklich die Realität in den Integrationskursen aus? Das fragte Euronews die Sprachdozentin Nasrin Amirsedghi. Die Deutsch-Iranerin lebt seit 35 Jahren im Exil in Deutschland.
Die Probleme: "Offiziell sollen die Kurse Integration fördern, doch tatsächlich fehlt es an Verbindlichkeit und Konsequenz. Die Kurse sind oft überfüllt, die Gruppen extrem heterogen, Analphabeten sitzen neben Akademikern." Viele Teilnehmer erscheinen tage- oder wochenlang nicht, "ohne dass das Folgen hätte", so Amirsedghi.
"Trotz hoher Durchfallquoten beim Abschlusstest werden weiterhin Zertifikate und Sozialleistungen gewährt", erzählt die Sprachlehrerin weiter. "Der Anteil derer, die sich wirklich bemühen, ist zu gering, als dass von einem funktionierenden System gesprochen werden kann. Es ist ein Ungleichgewicht – und zwar ein bedrückendes."
Integrationskurs-Lehrerin: "Relevanter Teil ist nicht integrierbar"
Die Deutsch-Iranerin Amirsedghi meint, die "härteste und zugleich ehrlichste Frage", wäre, wie viele Migranten aus dem Nahen Osten und Afrika womöglich nicht integrierbar seien. "Ein relevanter Teil ist nicht integrierbar – nicht nur aus intellektuellen Gründen, sondern weil der Wille fehlt. Viele lehnen zentrale Werte unseres Zusammenlebens ab: Gleichberechtigung, Demokratie, Pluralität."
Besonders frustrierend sei es, "wenn Teilnehmer den Unterricht sabotieren, sich weigern, jüdische Geschichte zu thematisieren oder bei Ausflügen zu Synagogen plötzlich 'krank' sind."
Deutlich sagt sie: "Es geht hier nicht um Einzelfälle. Wer sich so verhält, will keine Teilhabe, sondern nur die Ansprüche, die das System ihm bietet. Und ja, viele von ihnen landen im Bürgergeld – nicht als Übergang, sondern als dauerhafte Lebensform."
Ein System, das dies zulasse "betreibt keine Integration, sondern fördert Abhängigkeit und Parallelwelten".
"Es wird kassiert, egal ob Teilnehmer erscheinen oder nicht"
Die größten Schwierigkeiten bei Sprachkursen würden Teilnehmer aus islamisch geprägten Ländern bereiten. Besonders Palästinenser, Afghanen und Syrer. Aus der Herkunftsgruppe seien viele Analphabeten. Kursteilnehmer aus der Ukraine würden insgesamt weniger Herausforderungen mit sich bringen.
Doch liegen die Probleme womöglich AUCH bei den privaten Trägern der Integrationskurse?
"Es wäre naiv zu glauben, dass alle Träger aus idealistischen Motiven handeln", erklärt Amirsedghi. Viele Kursträger agieren "wie Dienstleister in einem Subventionssystem".
Die Folgen: "Es wird kassiert, egal ob die Teilnehmenden erscheinen oder nicht. Kontrolle findet kaum statt, der Staat schaut oft weg – aus Überforderung oder politischem Kalkül."
"Man erkennt die Gleichgültigkeit auch daran, dass offener Antisemitismus in den Kursen nicht geahndet – sondern verschwiegen wird. Träger, die solche Vorfälle nicht thematisieren, sondern lieber die kritischen Lehrkräfte loswerden, zeigen deutlich, worum es wirklich geht: nicht um Integration, sondern um den Erhalt der eigenen Struktur", erzählt die Lehrerin weiter.
Migrationsforscher: "B1 schaffen nicht alle, aber die meisten A2"
Herbert Brücker ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Humboldt-Universität zu Berlin sowie Direktor des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung. Im Gespräch mit Euronews sagt er: "6,4 Milliarden klingt auf den ersten Blick viel – ist es aber nicht!"
Denn "es geht nicht nur um Menschen, die seit 2014 gekommen sind, sondern auch um andere Geflüchtete wie Ukrainer. Das heißt, die Kurse werden für eine riesige Gruppe angeboten."
Der Migrationsforscher hat andere Erfahrungen gemacht: "Wir beobachten, dass diese Integrationskurse sehr positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben – die Beschäftigung steigt erheblich, um fünf Prozentpunkte. Und der Leistungsbezug sinkt."
"Alle Studien die ich kenne, kommen zu dem Ergebnis, dass sich das erheblich rechnet", sagt Brücker. "In Studien kommen wir zum Ergebnis, dass die Sprachkompetenz deutlich steigt. Niveau B1 schaffen nicht alle, aber die meisten A2. Analpabethen tun sich da schwerer. Gute und schlechte Schüler gibt es bekanntlich immer."
Die große Mehrheit falle nicht durch. 75 bis 80 Prozent der Menschen in Integrationskursen schaffen mindestens das Sprachniveau A2.
Brücker fordert: Mehr Geld für Kurse statt weniger
Statt weniger Geld für Integrationskurse, plädiert Brücker als Lösung des Problems für mehr Geld. "Es wäre für das Finanzministerium ein Gewinn. Wenn die Regierung mehr Geld für Integrationskurse in die Hand nimmt, finden die Menschen schneller in den Arbeitsmarkt – desto geringere Kosten entstehen dann beim Asylbewerberleistungsgesetz und Bürgergeld. Dann falle es auch positiv für Steuereinnahmen aus.
Fiskalpolitisch rechne sich das. "Wenn ich Haushälter wäre, würde ich dort investieren, weil sich das in Einnahmen niederschlägt", so Brücker. Die Kosten für die Kurse kämen wieder rein, sobald die Menschen mit Hilfe der Integrationskurse eine Arbeit aufnehmen können.
Auch müssten die Migranten schneller in die Kurse gelangen. "Wir leisten uns den Luxus die Sozialleistungen zu trennen. Wir haben zwei institutionelle Strukturen: Arbeitsagenturen (zuständig für Asylbewerberleistungsgesetz) und Jobcenter (zuständig für Bürgergeld)." Denn das Jobcenter gebe den Migranten vor, dass sie Integrationskurse machen müssen – die Behörden in den Kommunen verpflichten Migranten dazu jedoch nicht. Dies müsse endlich "Hand in Hand" gehen. In den vergangenen Jahren hätten erst nach zwei Jahren viele Migranten einen Integrationskurs abgeschlossen, das sei viel zu spät, warnt Brücker.
Brücker fordert auch als Lösung: "Man muss sich nach genau vier Wochen nach der Ankunftszeit mit Migranten zusammensetzen und sie fragen, wie ihre Arbeitsperspektive aussieht!"
Nach dem „Asylbewerberleistungsgesetz“ stehen Asylbewerbern und geduldeten Personen Leistungen zu. Darunter Geld- und Sachleistungen für Ernährung, Kleidung und Medizin. Hinzu kommen können Sozialhilfe für die Unterkunft, Heizung, Warmwasser oder Möbel. Zudem kann das Bildungspaket in Anspruch genommen werden (z.B. Klassenfahrt, Schulbedarf, Sport, Kultur). Anerkannte Flüchtlingen hingegen haben Anspruch auf das Bürgergeld.
Asylbewerber haben nach drei Monaten einen Arbeitsmarktzugang, wenn sie nicht zum Wohnen in einer Aufnahmeeinrichtung verpflichtet sind – ansonsten wäre dies dann nach sechs Monaten.
Geduldete Migranten können ebenfalls schon nach drei Monaten arbeiten, wenn sie nicht zum Wohnen in einer Aufnahmeeinrichtung verpflichtet sind. Eine Ausnahme gilt, falls konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bevorstehen.