Ursula von der Leyen und JD Vance vertraten am Freitag sehr unterschiedliche Ansichten über die bevorstehenden Bedrohungen, wobei die Kommissionschefin die gemeinsamen Herausforderungen in den Bereichen Handel und Sicherheit hervorhob, während der US-Vizepräsident gegen Europa wetterte.
US-Vizepräsident J.D. Vance hat mit seiner Grundsatzrede auf der Münchner Sicherheitskonferenz scharfe Kritik geerntet. Ihm wird vorgeworfen, er habe zentrale europäische Grundwerte in Frage gestellt. Später soll sich der US-Vizepräsident, nach Aussagen seines Büros, mit Alice Weidel, der Co-Vorsitzenden und Kanzlerkandidatin der Rechtsaußenpartei Alternative für Deutschland getroffen haben - traf sich aber nicht mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz.
"Die Bedrohung, über die ich mir am meisten Sorgen mache, ist nicht Russland, nicht China, nicht irgendein anderer externer Akteur. Worüber ich mir Sorgen mache, ist die Bedrohung von innen: der Rückzug Europas von einigen seiner grundlegendsten Werte, die es mit den Vereinigten Staaten von Amerika teilt", sagte der US-Vizepräsident in seiner Rede.
Er nannte die Annullierung des Ergebnisses der Präsidentschaftswahlen durch das rumänische Verfassungsgericht wegen Bedenken aufgrund ausländischer Einmischung, die jüngste Verurteilung eines Mannes in Schweden wegen Verbrennung des Korans, die juristische Verfolgung eines Abtreibungsgegners in Großbritannien 2024, und ein EU-Gesetz, das es den Regierungen ermöglichen könnte, soziale Medien in Zeiten sozialer Unruhen abzuschalten, (wenn diese nicht gegen rechtswidrige Inhalte vorgehen, Anm.d.R.). Für Vance ein Beweis dafür, dass Europa bei der Demokratie zurückfällt.
"Ich fürchte, dass die Meinungsfreiheit in ganz Europa auf dem Rückzug ist", sagte er und beschuldigte die Regierung von Joe Biden, die Meinungsfreiheit ebenfalls zu zensieren. "Es sieht immer mehr danach aus, dass sich Interessen hinter den hässlichen Begriffen aus der Sowjet-Ära wie Desinformation und Fehlinformation verstecken. Ihnen gefällt einfach der Gedanke nicht, dass jemand mit einem alternativen Standpunkt eine andere Meinung äußern oder, Gott bewahre, anders abstimmen oder, noch schlimmer, eine Wahl gewinnen könnte."
Europäische Politiker beschuldigte Vance, "Angst vor den Stimmen, den Meinungen und dem Gewissen zu haben, die Ihr eigenes Volk leiten", und forderte die Politiker in Europa und den USA auf, "keine Angst vor unserem Volk zu haben, auch wenn es Ansichten vertritt, die nicht mit ihrer Führung übereinstimmen". Wie schon in einem Interview mit dem Wall Street Journal plädierte er indirekt dafür, keine Brandmauern gegenüber extremen Parteien wie der AfD aufzubauen und wetterte gegen die seiner Meinung nach zu hohe Zuwanderung und eine falsche Migrationspolitik.
Die Unterstützung einer möglichen Koalition mit der AfD rief umgehend scharfe Kritik in Deutschland und auch in anderen Ländern auf den Plan. Olaf Scholz wies in einem Post auf der Plattform X die Aussagen des US-Vizes vehement zurück und verwies auf den gemeinsamen Konsens der demokratischen Parteien, eine Brandmauer gegen extrem rechte Parteien aufrechtzuerhalten.
In einer viel gelobten umgehenden Replik verwehrte Deutschlands Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sich gegen die Anfeindungen und bezeichnete Vances Äußerungen als "inakzeptabel". In seiner Antwort sagte Pistorius, dass Demokratie nicht bedeute, dass die laute Minderheit "automatisch recht hat und die Wahrheit bestimmt".
Das Thema Ukraine, zu dem viele Ansagen in der Rede von Vance erwartet hatten, streifte der US-Vizepräsident nur zweimal, zu den von Präsident Donald Trump angestrebten Friedensverhandlungen sagte er nichts.
Von der Leyen warnt vor Russland
Ganz anders sprach zuvor EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen in ihrer Rede auf der Sicherheitskonferenz. Sie hob die gemeinsamen Herausforderungen in den Bereichen Handel und Sicherheit hervor und bekräftigte, dass Europa bereit sei, seine Werte inmitten einer sich schnell verändernden geopolitischen Landschaft und eines eher transaktionalen Ansatzes in globalen Angelegenheiten zu verteidigen.
Europa, so von der Leyen, müsse "hellhörig" sein angesichts eines "schurkischen Russlands", das versuche, die Grenzen neu zu ziehen, und eines möglichen "bipolaren Konflikts zwischen China und den USA", und es passe sich bereits an diese neue Realität mit Reformen an, um seine Verteidigung und Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.
"Wir wissen, dass ein stärkeres Europa für uns alle besser ist. Ein stärkeres Europa arbeitet mit den Vereinigten Staaten zusammen, um die Bedrohungen abzuwehren, die wir als Partner gemeinsam haben. Und deshalb glauben wir, dass Handelskriege und Strafzölle keinen Sinn machen", sagte sie.
Von der Leyen bemühte sich, einen versöhnlichen Ton in Bezug auf die Ukraine anzuschlagen. Die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, er habe ein langes Telefongespräch mit seinem russischen Amtskollegen geführt und ihre "jeweiligen Teams" würden "sofort" mit Friedensgesprächen beginnen, hatte in Europas Hauptstädten die Alarmglocken läuten lassen. Die politische Führung der EU befürchtet, sowohl die Ukraine als auch Europa würden von den Verhandlungen ausgeschlossen.
Von der Leyen sagte jedoch, dass "es immer lehrreich ist, hinter die Worte zu schauen", dass "wir Empörung und Aufschrei vermeiden müssen" und dass "es einige Bemerkungen gibt, auf die wir uns einigen können... sowohl die EU als auch die USA wollen ein Ende des Blutvergießens. Wir wollen einen gerechten und dauerhaften Frieden, der zu einer souveränen und wohlhabenden Ukraine führt. Und die Ukraine sollte solide Sicherheitsgarantien erhalten."
Europa werde seinen Teil dazu beitragen und sich stärker einbringen, insbesondere durch einen "Anstieg" der Verteidigungsausgaben, so die Kommissionschefin, wie es die USA in den letzten Jahren wiederholt gefordert haben. Sie kündigte an, dass sie die Aktivierung der Ausweichklausel in den Haushaltsregeln der EU vorschlagen werde, um den Mitgliedstaaten eine "erhebliche" Erhöhung ihrer Verteidigungsausgaben zu ermöglichen.
"Es gibt eine Menge, was Europa tun kann", um die Situation zu meistern, schloss sie und betonte, dass sich Europas Werte nicht ändern - sie sind universell".