Auf den ersten Blick unsichtbar

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Von Euronews
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Wie kann man das Unsichtbare sichtbar machen? Es gibt eine Reihe von Geräten, die aufspüren, was das bloße Auge nicht erkennen kann. Diese Technologien machen die Zukunft etwas berechenbarer – und zwar ganz ohne Kristallkugeln.

Asbest ist ein stiller, unsichtbarer Killer und fordert jedes Jahr tausende Leben in Europa. Wie spürt man es auf, um Folgeschäden zu vermeiden?

Die Arbeiter auf einer Baustelle in England sind nicht allein. Wissenschaftler haben hier eine kleine Box und einen Computer installiert. Damit wollen sie die mögliche Präsenz eines unsichtbaren Feindes nachweisen: Asbest

Chris Stopford von der Universität Herfordshire ist Physiker: “Das ist der Prototyp eines Asbest-Detektors. Wir haben ihn mit einem Laptop verbunden, der die Daten aufzeichnet, die der Detektor liefert” beschreibt er das Gerät. “Der Bildschirm zeigt jedes Teilchen an, das durch den Detektor geht. Es ist hier recht staubig, aber es gibt kaum Fasern. Wir sehen hier also kein Asbest. Das Gerät saugt Luft an. In der Kammer werden die Partikel dann von einem Laser durchleuchtet und einem Magnetfeld ausgesetzt. Wenn Asbest darunter ist, wird es in dem Magnetfeld rotieren.”

Wenn man Asbestfasern einem Magnetfeld aussetzt, rotieren sie. Wissenschaftler haben sich diese Eigenschaft zu Nutze gemacht, um das Gerät zu entwickeln.

Stopford: “Diese Faser ist tausend mal größer als eine Asbestfaser. Aber wenn wir sie einem Laserstrahl aussetzen, dann leuchtet sie genauso wie eine Asbestfaser. Sie erzeugt einen ähnlichen Effekt.”

Manchmal arbeiten die Wissenschaftler mit echten Asbestfasern. Diese Geräte zu entwickeln, war auch wegen des technischen Fortschritts möglich. Aber nicht ausschließlich.

“In erster Linie gab es das vorher nicht, weil die Mittel fehlten” sagt Stopford. “Laser und Computer waren sehr teuer. Also konnten die Wissenschaftler keine transportablen und günstigen Geräte entwickeln, die man vor Ort benutzen konnte. Laser und Computer sind jetzt billiger.”

Zurück zum Test vor Ort. Die Forscher sind zuversichtlich, dass ihr Gerät funktioniert. “Der nächste Schritt für diesen Prototyp ist, ihn unabhängig vom Laptop zu machen”, beschreibt Stopford die Pläne für die Zukunft. “Er sollte über eine eigene Elektronik verfügen, um die Daten zu analysieren. Danach wollen wir die Luftzufuhr vergrößern, damit pro Sekunde mehr Partikel analysiert werden können. Dann kann das Gerät die Luft in einem Raum schneller analysieren.”

Alan Archer ist Projekt-Koordinator bei “ALERT”. “Wir wollen eine tragbare Version des Gerätes herstellen”, sagt er. “Wir brauchen ein Gerät, das man sich umhängen kann, das dieselbe Luft atmet wie ein Arbeiter. Es soll dann einen Alarm per Vibration und Warnton auslösen. Man braucht nur eine Faser einzuatmen, um Schaden zu erleiden. Man sollte es also unbedingt vermeiden, mit Asbest in Berührung zu kommen.”

Ortwechsel. Ein Weinberg in Portugal. Etwas zu sehen, das man eigentlich nicht sehen kann, verhindert nicht nur Gefahr. Man kann die Technik auch benutzen, um die Qualität von Wein zu verbessern – und zwar vor Ort.

Auf dem Weinberg wächst eine ganz besondere Ernte heran. Wissenschaflter testen hier ein Gerät, das sie “Weinstift” genannt haben. Es kann im wahrsten Sinne des Wortes notieren, was sich im Inneren einer Traube befindet.

Teresa Manso ist Diplom-Landwirtin. “Das ist ein sehr nützliches Gerät”, sagt sie. “Man kann damit den Reifegrad feststellen. Man kann sehr schnell den Zucker-, Säure- und Polyphenolgehalt der Trauben bestimmen. Das Gerät hat ein integriertes GPS. Man kann also den gesamten Weinberg ablaufen und verschiedene Messungen durchführen und die Daten aufzeichnen.”

Das Gerät misst die Reaktion der Trauben und ihrer Moleküle auf Licht. Die Daten, die der Stift erhält, werden dann auf Computer hochgeladen. Später werden sie dann in Karten umgesetzt, die auf tragbaren Geräten lesbar sind.

Der Molekularbiologe Joao Miguel Encarnacao beschreibt, wie das Gerät arbeitet: “Die Karte zeigt die Verteilung des Zuckergehalts auf dem gesamten Weinberg. Die Skala reicht von grün bis rot. Die grünen Regionen zeigen einen niedrigen Zuckergehalt, die roten zeigen die Orte, an denen am meisten Zucker vorhanden ist. In diesem besonderen Fall sehen wir, dass es eine geringe Konzentration an Zucker gibt. Der Winzer kann sich also für die Produktion eines bestimmten Weines entscheiden. Woanders im Weinberg gibt es höhere Konzentrationen, der Winzer kann dort also eine andere Sorte herstellen, einen kräftigeren Wein.”

Bei den Winzern kommt das sehr gut an: Fabiano Varandas do Santos ist der Besitzer des Weinbergs: “Wir müssen so keine Zeit damit verbringen, Proben von jeder Pflanze zu nehmen, sie im Labor analysieren zu lassen und dann auf die Ergebnisse zu warten”, lobt er das Gerät. “Das dauert sehr lange. Dank dieses Gerätes brauchen wir das jetzt nicht mehr. Wir haben die Ergebnisse sofort und können unsere Planungen von einem Tag auf den anderen darauf abstimmen.”

Das Gerät wurde bei einem Forschungsprojekt der Europäischen Union entwickelt. Im Rahmen des Programms “Horizont 2020” wollen die Wissenschaftler ihre Technologie nun weiter entwickeln. Ideen haben sie genug.

Luis Miguel Fernandes koordiniert das Forschungsprojekt namens PREMIVM. “Das Gerät muss ergonomischer werden”, meint er. “Wir müssen es besser der Hand anpassen. Wir müssen auch den Sensor verbessern. Das ist ein optischer Sensor, und das einfallende Licht hat noch zu großen Einfluss auf die Ergebisse. Wir müssen sicher stellen, dass der Sensor klar auf die Trauben fokussiert ist, die er messen soll. Wir müssen den Einfluss des Lichts verringern.”

Die kleine, tragbare Technik kann in manchen Fällen auch Lebensmittelvergiftungen verhindern.
In einem Institut in Deutschland arbeitet der Bäcker Reiner Stolzenberger im Namen der Wissenschaft. Er backt auf traditionelle Weise mit Getreide Brot. Ein Teil des Getreides kommt aus Indien und aus China. Es ist mit Etiketten versehen, die nachweisen, dass das Getreide den hohen Vorschriften der EU zur Pestizid-Verwendung entspricht. Manchmal haben die Bäcker Zweifel.

Stolzenberger: “Unsere Lieferanten garantieren uns, dass das Getreide pestizidfrei ist. Wir sind dessen in 99 Prozent der Fälle auch sicher. Aber wir wären es natürlich gerne in 100 Prozent der Fälle. Das ist wichtig, wir wollen das überprüfen können.”

Wissenschaftler haben deshalb ein Gerät entwickelt, mit dem man den Pestizidgehalt im Getreide prüfen kann. Der Prototyp wurde von einem griechischen Forscher entwickelt und basiert auf komplexen biologischen und chemischen Prozessen. Die Benutzung ist sehr einfach.

János-István Petrusán ist Lebensmittelchemiker. “Das System registriert die Reaktion zwischen Antikörpern und lebenden Zellen”, beschreibt er die Funktionsweise des Gerätes. “Die Daten werden als elektronisches Signal weitergeleitet und man erhält eine Aussage darüber, ob eine Probe verunreinigt ist oder nicht. Das System ist so gestaltet, dass kleine und mittlere Unternehmen leicht Zugriff darauf haben. Man braucht keine besondere Ausbildung, um es zu benutzen. Ein Angestellter eines Unternehmens kann es nach kurzer Einführung einfach bedienen.”

Die Proben in diesem Test haben sich als pestizidfrei erwiesen, der Bäcker kann damit Brot backen. Er sagt, er würde gern in ein solches Gerät investieren. Man kann damit auch andere Inhaltsstoffe erkennen.

Bäcker Stolzenberger meint: “Es ist sehr wichtig, diese Technik weiterzuentwickeln, damit wir auch andere Giftstoffe in den Grundstoffen für unsere Lebensmittel identifizieren können. Stoffe wie Schwermetalle oder andere Giftstoffe, damit wir gesunde und saubere Produkte an unsere Kunden verkaufen können.”

Kunden und Bürger, so meinen die Wissenschaftler, können nur gewinnen, wenn sie das Unsichtbare sichtbar machen.

http://www.premivm.eu

http://www.asbestos-alert.com

http://www.foodscan.net

http://www.ec.uropa/research/horizon2020

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