Zypern, Türkei und Thailand: Was jetzt, wo die russischen Touristen ausbleiben?

Eine leere Straße in Ayia Napa, Zypern, normalerweise ein Hotspot für russische Touristen im Sommer.
Eine leere Straße in Ayia Napa, Zypern, normalerweise ein Hotspot für russische Touristen im Sommer. Copyright Getty Images
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Von Lottie Limb
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Tourist:innen aus Russland sind wichtig für den Tourismussektor in Urlaubsländern wie der Türkei, Zypern und Kroatien. Doch was wird nun, da Russland mit zahlreichen Sanktionen belegt wird?

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Die Russinnen und Russen sind nicht die größten Urlaubsplaner:innen, sagt Michail Iljin, ein Geistlicher und Inhaber eines Reisebüros in Pattaya, Thailand. Während die meisten Europäer ihren Urlaub vielleicht ein oder zwei Jahre im Voraus buchen, sind russische Touristen eher spontan.

Das ist natürlich eine Verallgemeinerung, aber Trends wie diese fließen in nationale und internationale Reiseprognosen ein. Laut Statista gehörte die Russische Föderation zu den zehn Ländern, deren Bürger:innen vor der Pandemie am häufigsten ins Ausland reisten. Ihre bevorzugten Reiseziele - darunter die Türkei, Thailand und Zypern - freuten sich zweifellos auf einen Besucher:innenstrom im Sommer.

Wie bei so vielen anderen Aspekten des Lebens hat der Einmarsch Russlands in der Ukraine auch diese Hoffnungen zunichte gemacht. Angesichts der späten Buchungsgewohnheiten der Russ:innen wird es noch eine Weile dauern, bis sich die Auswirkungen in Orten wie Pattaya bemerkbar machen, das auch schon als "die russischste Stadt Südostasiens" bezeichnet wurde.

Nach einem Gespräch mit nationalen Tourismusbehörden und den von Russland abhängigen Tourismussektoren wird klarer, wie sich der Konflikt auf das Reiseverhalten in diesem Sommer auswirken könnte.

Risiken für den Aufschwung des Tourismus weltweit

In unserer global vernetzten Urlaubswelt sind nicht nur die Netzwerke des russischen und ukrainischen Tourismus betroffen.

Die Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen (UNWTO) warnt: "Dies ist eine große regionale Krise mit potenziell katastrophalen Folgen für die ganze Welt. Die in naher Zukunft getroffenen Entscheidungen werden sich auf die Weltordnung und die globale Regierungsführung auswirken und das Leben von Millionen von Menschen direkt beeinflussen."

Auch die russische Bevölkerung steht vor einer ungewissen Zukunft. Und trotz (Reise-)Hindernisse Richtung Westen haben sie das Reisen nicht ganz aufgegeben. Am 4. März, acht Tage nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine, freute sich Thailand über 454 Tourist:innen aus Russland. Nach Angaben der thailändischen Fremdenverkehrsbehörde (TAT) entspricht dies fast dem Tagesdurchschnitt von 650 russischen Einreisenden.

Warum reisen die Russen immer noch nach Thailand?

tobiasjo/Getty Images
Blick auf die Stadt Pattaya und den Strand, in Thailandtobiasjo/Getty Images

Priester Michail Iljin zog in den 1990er Jahren von Estland nach Pattaya und gründete mit seiner russischen Frau Ilves Tours.

"Pattaya war so etwas wie eine Pionierstadt für russische Reisende", erzählt Iljin. "Viele Jahre lang kannte man in Russland nichts von Thailand außer Pattaya." Als sich die Stadt am Strand entwickelte - sie ähnelt jetzt eher einem Stadtteil von Bangkok - wurde sie von Phuket in der Beliebtheit bei reicheren russischen Tourist:innen überholt.

Heute kommen keine Billigtouristen mehr nach Pattaya, erklärt er, sondern die reichste Klasse der Russ:innen - diejenigen, "die nie aufhören werden zu reisen", sie seien immer noch unterwegs. Überraschenderweise verkauft das Familienunternehmen derzeit mehr Fünf-Sterne-Hotelaufenthalte als je zuvor. Er bringt den Aufschwung mit der Einstellung der wohlhabenden Russen gegenüber dem Konflikt in Verbindung.

"Sie denken: 'Wir wissen nicht, was morgen ist', sagt er. "Sie denken: 'wir sollten das Leben heute genießen. Vielleicht wird es einen Atomkrieg geben, vielleicht wird Russland ein isoliertes Land wie Nordkorea. Niemand weiß das. Also müssen wir jetzt Reisen'."

Mikhail Ilyn
Er ist Priester in einer der beiden orthodoxen Kirchen von Pattaya. Die Familie von Pater Mikhail betreibt außerdem ein Reiseunternehmen und ein estnisches RestaurantMikhail Ilyn

In seiner Gemeinde in der Russisch-Orthodoxen Kirche betreut der Priester verschiedene Gruppen von Auswanderern aus Russland, der Ukraine und anderen ehemaligen Sowjetrepubliken. Vor zehn Jahren waren es noch über 50.000 Menschen in der Stadt, doch inzwischen sind es nur noch etwa 3.000. Viele Unternehmer:innen sind während der Covid-Krise zurück gegangen; einige konnten es sich leisten, in die Türkei oder nach Spanien umzusiedeln.

Tourismusbranche plant für den "schlimmsten Fall" in Zypern

Der Tourismus ist in Zypern ein wichtiger Wirtschaftszweig, der rund 25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmacht. Reisende aus Russland machen 20 Prozent aller internationalen Touristen im Land aus, dem zweitgrößten Markt nach Großbritannien.

"Das ist ein großes Problem", sagt Philokypros Roussounides, Generaldirektor des zyprischen Hotelverbandes, gegenüber Euronews Travel. Das Tourismusministerium bereitet sich auf den schlimmsten Fall vor: den vollständigen Verlust von etwa 800.000 Touristen aus Russland und der Ukraine.

Normalerweise erreichen die Sommerbuchungen im Mai ihren Höhepunkt, wobei über 80 Prozent von Reiseveranstaltern getätigt werden. Ihr Ausbleiben wird sich nicht überall gleich bemerkbar machen, denn es gibt noch eine weitere Verallgemeinerung, über die sich Iljin und Roussounides einig sind: Die Russen neigen dazu, an dieselben Orte zurückzukehren.

Es gibt einige Hotels, die sich zu 100 Prozent für den russischen Markt engagieren. In diesen Fällen sind die Auswirkungen enorm.
Philokypros Roussounides
Generaldirektor des zyprischen Hotelverbandes

Anstatt in einem Land umherzuziehen, "kommen die Menschen an einen Ort und versuchen, so lange wie möglich zu bleiben", sagt Iljin. "Deshalb wählen sie die Hotels, die ihnen natürliche Schönheit und Strände bieten".

Pattaya in Thailand und die ostzyprischen Urlaubsorte Famagusta und Ayia Napa sind für Tourist:innen besonders attraktiv. Roussounides sagt: "Es gibt einige Hotels, die sich zu 100 Prozent für den russischen Markt engagieren. In diesen Fällen sind die Auswirkungen enorm".

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Ein Strand bei Cavo Greco in Ayia Napa, Zypern, einem beliebten Ziel russischer Urlauber:innenOleg_P/Getty Images/iStockphoto

Der Gewerkschaftschef der Hoteliers fügt hinzu, dass sie zwar versuchen, diese Unternehmen auf nationaler Ebene zu unterstützen, fügt aber hinzu, dass auch die EU derartige Fälle unterstützen sollte, "da wir uns auch auf die Sanktionen gegen die Russen geeinigt haben." In der EU besuchen die meisten russischen Tourist:innen Kroatien - sie machen den größten Anteil der Urlauber:innen aus.

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"Ich denke nicht, dass wir wieder auf ein katastrophales Jahr zusteuern", sagt Roussounides nach zwei Jahren der Pandemie. Das Ziel für 2021 ist es, 2022 besser dazustehen, und dank der verbesserten Zusammenarbeit mit Frankreich, Deutschland, Polen, Ungarn, Österreich, Schweden, der Schweiz und Israel (unter anderem) glaubt er, dass sie das erreichen können.

Die höheren Energiekosten machen es schwierig, neue Tourist:innen mit billigeren Angeboten anzulocken, aber Zypern hat viel zu bieten. Und es ist wahrscheinlich, dass die Beschränkungen noch weiter gelockert werden, indem der Zypern-Flugpass für Tourist:innen und der Gesundheitspass, der derzeit für den Zugang zu Bars und Cafés erforderlich ist, abgeschafft werden.

Das zypriotische Tourismusministerium denkt auch an die Unterstützung von rund 2.500 Ukrainern, die aus ägyptischen Hotels "rausgeschmissen" wurden und nun in zyprischen Unterkünften untergebracht sind.

Flug- und Zahlungsprobleme in der Türkei und Thailand

Etwas weiter nördlich ist der Badeort Antalya an der türkischen Küste ein weiterer Ort, der von Russland und seinen Nachbarn hoch im Kurs steht. Mehr als die Hälfte der 9 Millionen Besucher:innen des Pine Beach Hotels kamen im vergangenen Jahr aus Russland, der Ukraine und Belarus.

Es ist unklar, wie wir hier bleiben können und wie wir überleben können.
Margarita Sabatnikaya
Russische Touristin in Antalya, Türkei

Einige russische Tourist:innen sind jetzt dort, weil sie durch die westlichen Wirtschaftssanktionen festgehalten werden. Obwohl die Türkei weiterhin nach Russland fliegt, hat die türkische Billigfluggesellschaft Pegasus ihre Flüge in die Föderation eingestellt, während russische Visa- und Mastercard-Bankkarten im Ausland nicht mehr verwendet werden können.

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Volkan NAKIBOGLU / AFPTV / AFP
Der sonnige Badeort Antalya im Süden der Türkei ist stark von den Gästen aus Russland und seinen Nachbarländern abhängig.Volkan NAKIBOGLU / AFPTV / AFP

"Wir sind hierher gekommen, um mit unseren Kindern Urlaub zu machen", sagt Margarita Sabatnikaja, eine 31-jährige russische Touristin, gegenüber AFP. "In dieser Situation ist es natürlich unklar, wann sie uns nach Russland zurückschicken, mit welchem Flugzeug wir zurückkehren können, und es ist unklar, was uns als nächstes erwartet. Wir wollen natürlich [hier] bleiben, aber es ist eine schwierige Situation, unsere Bankkarten funktionieren nicht. Es ist unklar, wie wir hier bleiben können und wie wir überleben können."

Thailand hat eine neutrale Haltung zum Ukraine-Krieg eingenommen und auch seinen Luftraum offen gehalten. Das von der EU verhängte Verbot der Anmietung von Airbus-Flugzeugen hat jedoch dazu geführt, dass russische Fluggesellschaften gezwungen waren, zahlreiche internationale Flüge zu streichen, darunter alle Aeroflot-Flüge nach Thailand seit dem 8. März. Tausende von Tourist:innen saßen daraufhin in thailändischen Ferienorten fest.

Welche anderen Länder sind betroffen und wie stark?

Vom Tourismus abhängige Inselstaaten wie die Malediven werden nach Angaben der UNWTO ebenfalls stark betroffen sein. Der Anteil des russischen Marktes auf den Seychellen ist im Zuge der Pandemie von 4,5 auf 17 Prozent angestiegen.

Russlands viel besuchte Nachbarländer, darunter Estland und Finnland, machen sich indessen weniger Sorgen um den Sommertourismus.

In Estland wurden die Touristenvisa für russische Bürger:innen vorübergehend ausgesetzt. Das Fremdenverkehrsamt erklärt: "Die Entscheidung wurde aufgrund technischer Schwierigkeiten bei der Zahlung von Visagebühren und Servicegebühren getroffen". Da russische Tourist:innen in Estland während der Sommersaison jedoch "eher mäßig vertreten" sind, selbst in der bunten Urlaubsstadt Pärnu, werden die Folgen nicht so stark zu spüren sein.

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Bleibt zu hoffen, dass der Zustrom anderer Besucher:innen nach zwei Jahren pandemiebedingten Einschränkungen einen Ausgleich schaffen wird.

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