Die Eurozone hat US-Zölle besser verkraftet als erwartet. Das Wachstum bleibt robust. Die Inflation pendelt um das EZB‑Ziel von zwei Prozent.
Die Europäische Zentralbank hat ihren wichtigen Einlagensatz am Donnerstag zum vierten Mal in Folge unverändert bei zwei Prozent belassen.
Auch die Sätze für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte und die Spitzenrefinanzierungsfazilität bleiben bei 2,15 % beziehungsweise 2,40 %.
Der Satz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte ist der Zinssatz, den Banken zahlen, wenn sie sich für eine Woche bei der EZB Geld leihen. Die Spitzenrefinanzierungsfazilität ist der Satz für Übernachtkredite der EZB. Die Einlagefazilität ist der Zinssatz, den Banken erhalten, wenn sie über Nacht bei der Notenbank Geld parken.
Jüngste Wachstumszahlen für die Eurozone fielen robuster aus als erwartet. Die EZB hat ihre Prognose deshalb erneut angehoben, nachdem sie schon im September nach oben korrigiert hatte. Für 2025 rechnet die Notenbank nun mit einem Plus der Wirtschaftsleistung von 1,4 %. Zuvor waren 1,2 % veranschlagt.
Für 2026 erwartet sie 1,2 % Wachstum, für 2027 1,4 %. 2028 soll es bei 1,4 % bleiben.
Die EZB blickt in diesem Jahr zunehmend optimistischer nach vorn, weil sich die US-Zölle als weniger schädlich für die Konjunktur erwiesen haben als befürchtet.
Die Abgaben bremsen die Exporte weiterhin. Dennoch wurde das Wachstum im dritten Quartal in der Eurozone in diesem Monat auf 0,3 % nach oben revidiert und übertraf damit die Erwartungen.
Die Industrie bleibt zwar ein Schwachpunkt der Region, besonders düster sind die Signale aus Deutschland. Dennoch zeigt sich der Arbeitsmarkt in der Eurozone robust, ebenso der Binnenkonsum. Die Lust auf KI-Innovationen hat die Investitionen in diesem Jahr gestützt. Stimmungsindikatoren deuten auf anhaltende Widerstandskraft hin.
Mit Blick auf 2026 dürften höhere Ausgaben der deutschen Regierung für Verteidigung und Infrastruktur, ermöglicht durch die Aussetzung der Schuldenbremse, zusätzliche Konjunkturimpulse liefern.
„Wir liegen ziemlich nah am Potenzial, aber bei der Steigerung der Produktivität im Euroraum gibt es noch viel zu tun“, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde Anfang Dezember bei einer Veranstaltung der Financial Times Global Boardroom.
Zinserhöhung 2026?
Vor der Veröffentlichung der EZB-Zahlen am Donnerstag spekulierten Analysten über eine mögliche Zinserhöhung im Jahr 2026.
Rückenwind bekamen diese Spekulationen durch Äußerungen von Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel. Sie hatte Anfang Dezember gesagt, die Inflationsrisiken überwögen inzwischen das Risiko einer Konjunkturabkühlung. Die Teuerung bei Dienstleistungen und das Lohnwachstum seien stärker ausgefallen als erwartet. Deshalb fühle sie sich mit Anlegerwetten auf einen nächsten Schritt nach oben „wohl“. Ihre Wortwahl wich von der insgesamt eher zurückhaltenden Tonlage des EZB-Gremiums ab und deutete auf unterschiedliche Sichtweisen hin.
Frankreichs Zentralbankchef François Villeroy de Galhau, ebenfalls Mitglied des Gremiums, sagte Anfang Dezember in einer Rede: „Die Abwärtsrisiken für die Inflationsaussichten sind mindestens so bedeutend wie die Aufwärtsrisiken, und wir würden ein dauerhaftes Unterschreiten unseres Inflationsziels nicht tolerieren.“
Im November lag die Inflation bei 2,1 %. Seit Anfang 2025 bewegt sie sich nahe am EZB-Ziel von zwei Prozent, gestützt von Preisanhebungen im Dienstleistungssektor. Eine EU-Entscheidung, das neue CO₂-Bepreisungssystem (ETS2) zu verschieben, dürfte die Teuerung 2027 niedriger ausfallen lassen als bislang angenommen.
Neue Prognosen der Fachleute im Eurosystem sehen die jährliche Gesamtinflation im Schnitt bei 2,1 % im Jahr 2025, 1,9 % 2026, 1,8 % 2027 und 2,0 % 2028.
„Der EZB-Rat ist entschlossen, die Inflation mittelfristig bei seinem Ziel von zwei Prozent zu stabilisieren“, erklärte die EZB am Donnerstag. „Er wird datenabhängig und von Sitzung zu Sitzung über den angemessenen Kurs der Geldpolitik entscheiden.“
Die EZB-Entscheidung folgt auf den Beschluss der Bank of England vom Donnerstag, den britischen Leitzins zu senken. Zuvor hatte auch die US-Notenbank Federal Reserve in der vergangenen Woche die Kreditkosten reduziert.