Saudi-Arabien: UN-Sicherheitsrat - nein, danke!

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Von Euronews
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Erstmalig in der 68jährigen Geschichte der Vereinten Nationen hat ein Mitgliedsstaat auf den prestigeträchtigern Sitz im UN-Sicherheitsrat verzichtet. Saudi-Arabien, obwohl mit 176 Stimmen der 193 Mitgliedsstaaten in der Vollversammlung gewählt, lehnte ab. Zur Begründung kam eine herbe Kritik am Sicherheitsrat. Das Außenministerium in Riad benutzte sogar das Wort “Doppelmoral” und listete auf: Der Sicherheitsrat habe dem Assadregime in Syrien erlaubt, Menschen mit chemischen Waffen zu töten. Im Nahostkonflikt dauere das Versagen des wichtigsten UN-Gremiums sogar schon 65 Jahre. Immer noch sei dort keine Lösung in Sicht. So drastisch und laut hat noch nie ein Staat öffentlich gemacht, was im Grunde jeder weiß. Die Charta der Vereinten Nationen, die Grundlage für die Organisationsformen der UN, ist ein Ergebnis des II. Weltkrieges.

Nur so ist es auch zu verstehen, dass die UdSSRde facto drei Stimmen in der UN-Vollversammlung hatte, aber eben nur diese eine priviligierte im Sicherheitsrat. Dir Gründungsstaaten hatten nämlich den Sowjetrepubliken Ukraine und Weißrussland als Anerkennung für deren Leistungen im Kampf gegen Nazideutschland je einen eigenen Sitz in der Vollversammlung zugestanden. Wobei stillschweigend davon ausgegangen wurde, dass diese beiden sich niemals um einen Sitz als nichtständiges Mitglied im Sicherheitsrat bewerben.

Dessen Siegermächte hatten die Charta ausgehandelt und dann für die fünf stärksten unter den Siegern die priviligierten Vetoplätze im Sicherheitsrat reserviert. Bei diesen 5 hat es seit der Gründung einen gewichtigen und einen weniger bedeutenden Platzwechsel gegeben. Bei der Gründung war China ein Land, in dem gerade ein blutiger Bürgerkrieg zwischen den Kommunisten von Mao und der bürgerlichen Regierung unter General Chiang Kai-shek tobte. Letzterer war bei der konstituierenden Sitzung des UN-Sicherheitsrates am 17. Januar 1945 formal noch an der Macht und bekam damit den chinesischen Sitz. Dann aber siegten Maos Truppen und zum 1. Oktober 1949 wurde auf dem riesigen chinesischen Festland die Volksrepublik China gegründet. Chiang Kai-shek zog sich mit seinen Getreuen auf die Insel Taiwan zurück. Da aber zu jener Zeit die Vollversammlung der Vereinten Nationen überwiegend vom Einfluß der USA dominiert war, blieb es dabei bis 1971. Erst als die USA diplomatische Beziehungen mit Peking aufnahmen, musste Taiwan den Sitz im Sicherheitsrat an die Volksrepublik China abtreten. Der zweite Platzwechsel gut 20 Jahre später war eine reine Formalie. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR erklärte sich die Russische Föderation zu deren Rechtsnachfolger, so dass praktisch der gleiche Mann auf diesem Platz sitzen bleiben konnte.

Auch bei der Wahl der nichtständigen Mitglieder spielte das Kräfteverhältnis im “Kalten Krieg” eine entscheidende Rolle. Diese Plätze werden nach regionalen Staatengruppen vergeben, wobei bis 1990 von Moskau abhängigen kommunistischen Staaten Osteuropas – einschließlich der DDR – die Gruppe “Osteuropa” bildeten. 1980 wurde als Vertreter dieser Gruppe die DDR für zwei Jahre zum nichtständigen Mitglied gewählt. Wahrgenommen wurde diese Arbeit vom DDR-Botschafter bei den Vereinten Nationen, Peter Florin, der in der UN große Anerkennung genoß für seinen Kampf gegen Hitlerdeutschland in den Reihen sowjetischer Partisanen.
In den Jahren des “Kalten Krieges” wurden zuweilen die absurdesten Abstimmungsschlachten geschlagen. So hatten sich 1979 in der Gruppe Lateinamerika Kuba und Kolumbien beworben. Zehn Wochen zogen sich die 155 Wahlgänge hin. Als Kompromiß wurde schließlich Mexiko gewählt.

Nach dem Ende des “Kalten Krieges” wurde die Regionalaufteilung für die Wahl der nichtständigen Mitglieder so geregelt: drei kommen aus Afrika, zwei aus Asien, zwei aus Lateinamerika, eines aus Osteuropa und zwei aus Westeuropa oder der übrigen westlichen Welt, wozu auch Kanada, Neuseeland und Australien gerechnet werden.

Die Arbeit des Sicherheitsrates wird im Kapitel VII der Charta geregelt. Dort heisst es, er solle “Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen” treffen. Alle Organe der Vereinten Nationen außer dem Sicherheitsrat können nur Empfehlungen aussprechen. Einzig dem Sicherheitsrat steht das Privileg zu, seinen Worten auch Taten folgen zu lassen. Die Vollstrecker dieser Taten tragen traditionell blaue Stahlhelme. Der Sicherheitsrat bittet die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen, ihm entsprechende Truppenkontingente zur Verfügung zu stellen. Was diese Truppen dann dürfen oder auch nicht, das wird im jeweiligen Mandat festgelegt. Als schlimme Beispiele für das Versagen von Sicherheitsrat und seinen Blauhelmen sind die Massaker von Srebreniza und von Ruanda in die Geschichte eingegangen. Weil die UN-Blauhelme keinen Kampfauftrag – im UN-Jargon “robustes Mandat” genannt – hatten, sahen sie tatenlos zu, wie massenhaft Menschen ermordet wurden.

Über eine Reform des Sicherheitsrates und der gesamten Organisation der Vereinten Nationen wird schon seit Jahrzehnten erfolglos debattiert.

Völkerrecht, die Grundlage für die UN, ist nun einmal Kompromißrecht. Es muss ausgehandelt werden und ist nur bei Einigung durchsetzbar. Wie soll das bei den unterschiedlichen und oft sogar gegensätzlichen Interessen von 193 Staaten geschehen? Die Bundesrepublik Deutschland zum Beispiel will nicht das System des Sicherheitsrates ändern, sie will nur selber als 6. Vetomacht zum ständigen Mitglied aufrücken.
Durch die spektakuläre Ablehnung von Saudi Arabien ist zwar wieder einmal auf die ganze Unvollkommenheit des UN-Systems aufmerksam gemacht worden. Eine bessere Lösung ist aber nicht in Sicht.
Die UN-Vollversammlung wählt jedes Jahr fünf neue nichtständige Mitglieder für den Sicherheitsrat. Neben Saudi Arabien waren es diesmal Litauen und Tschad, die beide erstmalig in den Sicherheitsrat einziehen. Dazu Chile und Nigeria, die beide schon viermal dabei waren. Für die Zeit 2013/2014 sitzen Argentinien, Australien, Luxemburg, Ruanda und Südkorea als nichtständige Mitglieder im Sicherheitsrat.

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