Rechtelos und verfolgt: Wer sind die Rohingya?

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Von Euronews
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Der Konflikt in Myanmar (auch bekannt als Burma) mit der Gemeinschaft der Rohingya schwelt schon seit Jahren. Seit Ende August ist er wieder aufgeflammt – auch im wahrsten Sinne des Wortes, denn es wurden mehrere Dörfer niedergebrannt. Innerhalb weniger Tage sind zunächst mehr als 18.500 Menschen ins benachbarte Bangladesch geflohen – später korrigierte die UNO die Zahl der geflohenen Rohingya auf an die 400.000 Menschen. Viele dieser Flüchtlinge sind Frauen und Kinder. Sie campieren am Straßenrand in notdürftig errichteten Zelten, dem Regen ausgesetzt im Schlamm.

Wer sind die Rohingya?

Historiker streiten über die Ursprünge der Rohingya und wie lange sie in Myanmar in der Region in der Nähe der Grenze zu Bangladesch lebten. Manche sagen, dass sie während der britischen Kolonisierung Ende des 19. Jahrhunderts aus dem benachbarten Bangladesch kamen. Andere argumentieren, dass ihre Herkunft bis in frühe muslimische Siedlungen in der Region im Mittelalter zurückverfolgt werden kann.

Heute repräsentiert die Rohingya-Minderheit zwischen 800.000 und 1,3 Millionen Muslime, sie leben vor allem in Myanmars Region Rakhine.

Die offizielle Version der Herkunft der Rohingya in Myanmar: Aus dem Nachbarland Bangladesch, von wo die Rohingya im 19. Jahrhundert während der britischen Kolonialzeit nach Myanmar auswanderten.

Eine Erklärung, die den birmanischen Regierungen in den vergangenen Jahren gut ins Konzept passte. 1982 erstellte die Militärdiktatur eine Liste mit 135 anerkannten ethnischen Minderheiten – mit dem schlimmen Namen “nationale Rassen”, die bereits VOR Ankunft der Briten im Land lebten.

Rohingya – offiziell keine anerkannte Minderheit – haben keine Rechte in Myanmar

Die Rohingya waren von der offiziellen Klassifizierung als Minderheit ausgeschlossen – und damit staatenlos. Behandelt werden sie wie illegale Immigranten ohne Rechte. Den Rohingya wird der Zugang zur Gesundheitsversorgung, zur Bildung und zu anderen Grundrechten verweigert, auch das Recht auf Freizügigkeit im ganzen Land. Sie dürfen auch nicht wählen.

Die 2012 eskalierende Gewalt bezeichnen einige als Völkermord.

Vor Armut und Verfolgungen zu fliehen, das ist seit Jahren das Schicksal dieser Minderheit. Viele haben ihre Flucht mit dem Leben bezalt, weil sie Schiffbruch erlitten. Fast überall sind sie aber unerwünscht: in Malaysia, in Indonesien… und auch in Bangladesch, dem Land, aus dem sie angeblich stammen und wo bereits Hunderttausende Rohingya leben.

90 Prozent der Bewohner von Myanmar sind Buddhisten – an den Angriffen gegen die Rohingya sollen immer wieder auch buddhistische Mönche beteiligt gewesen sein -, die Rohingya suchen vor allem in mehrheitlich muslimischen Ländern Zuflucht.

Wie begann der Konflikt?

Seit Jahrzehnten besteht der Konflikt zwischen den Machthabenden in Myanmar und den Rohingya.

Im Oktober 2016 wurden Rohingya beschuldigt, neun Polizisten ermordet zu haben. Dies hat zu gewaltsamen Zusammenstößen geführt. Damals flohen 87.000 Menschen nach Bangladesch.

Nach Angaben der Menschenrechtsgruppe “Human Rights Watch” sind Staatsorgane verantwortlich für die Verbrechen gegen Rohingya, auch für Tötungen, Folter, sexuelle Gewalt und Zerstörung von Eigentum. Und HWR sagt, die Situation habe sich in den vergangenen Jahren verschlimmert.

Eine Gruppe muslimischer Radikaler hat am 25. August 2017 in der Region Rakhine Regierungsbehörden angegriffen. Es folgten Auseinandersetzungen, an denen sich Myanmars Sicherheitskräfte und buddhistische Milizen beteiligten. Die jüngsten Satellitenbilder zeigen, dass viele Rohingya-Dörfer in Rhakine niedergebrannt sind. Die Zahl der Menschen, die aus der Region fliehen, steigt immer weiter.

New satellite imagery shows near-total destruction of Rohingya Muslim village—700 buildings burned. Part of pattern https://t.co/3iE3gTMtJepic.twitter.com/WCcNSD5Syx

— Kenneth Roth (@KenRoth) September 2, 2017

Wie leben die Rohingya in Bangladesch?

Sobald sie nach Bangladesch kommen, leben die meisten vertriebenen Rohingya in illegalen Lagern im Bezirk von Cox Bazar, in der Nähe der Grenze zu Myanmar.

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UN-Mitarbeiter, die in der Gegend tätig waren, sagten Reuters, dass die Lager überfüllt sind und dass es an Nahrung und Wasser fehlt.

Die Vereinten Nationen haben Bangladesch offiziell aufgefordert, diejenigen aufzunehmen, die vor der Gewalt aus Myanmar fliehen.

Weil immer mehr Flüchtlinge nach Bangladesch kommen, wollten die Behörden die Rohingya auf die Insel Thengar Char aussiedeln. Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen ist diese Insel allerdings kaum als “bewohnbar” anzusehen.

Aung San Suu Kyi und die Fake News

Suu Kyi, die seit vergangenem Jahr als «Staatsrätin» praktisch die Regierung führt, ohne offiziell den Titel einer Ministerpräsidentin zu haben, schwieg zu solchen Vorwürfen lange Zeit – selbst als UN-Generalsekretär António Guterres das Vorgehen in die Nähe von ethnischer Säuberung rückte und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sogar von «Völkermord» sprach. Nach einem Telefonat mit Erdogan äußerte sie sich nun aber doch.

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Über Facebook ließ sie eine Stellungnahme verbreiten, in der sie «Terroristen» für die neue Welle der Gewalt verantwortlich machte. «Der Terrorismus ist neu (in Myanmar), aber die Regierung wird ihr Bestes zu tun, damit er sich nicht in ganz Rakhine ausbreitet. Zugleich klagte sie, sehr im Stil von US-Präsident Donald Trump, über «Fake News» und einen «gewaltigen Eisberg an Falschinformation»

Tatsächlich wird in dem Konflikt auch mit gefälschtem Bildmaterial gearbeitet. Als Beweis für ihre Behauptungen führte Suu Kyi Bilder an, die der türkische Vize-Ministerpräsident Mehmet Simsek im Kurznachrichtendienst Twitter veröffentlicht hatte. Angeblich waren darauf Gräuel an Rohingya zu sehen. Später stellte sich heraus, dass die Bilder anderswo aufgenommen worden waren.

Das bedeutet allerdings keineswegs, dass auch alle anderen Aufnahmen gefälscht wurden. Satellitenbilder zum Beispiel zeigen Zerstörungen sehr wohl. Dazu sagte Suu Kyi weiterhin nichts. Auch auf die grundsätzlichen Vorwürfe, das Vorgehen gegen die Rohingya zu verharmlosen, ging sie nicht ein. Kritik an den Generälen, die auch nach dem Ende der Militärdiktatur wichtige Posten besetzen, ist von ihr schon gar nicht zu hören.

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