Worum geht's? 5 Punkte der Schmutzkampagne in Österreich

Worum geht's? 5 Punkte der Schmutzkampagne in Österreich
Von Kirsten Ripper mit DPA, REUTERS
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"Dirty campaigning" - Schmutzkampagne wird der Wahlkampf in Österreich genannt, und kaum ein Tag vergeht ohne neue Enthüllungen.

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Falsche Facebook-Seiten mit rassistischen und antisemitischen Inhalten, Bedrohungen von Wahlkampf-Mitarbeitern per Whatsapp und dubiose Geldangebote – der Wahlkampf vor der Nationalratswahl am 15. Oktober 2017 in Österreich wird als “dirty campaigning” – als Schmutzkampagne – beschrieben.

1. Warum wollen sich SPÖ und ÖVP gegenseitig verklagen?

Wegen an die Presse gelangter E-Mails und um den Hintergrund der Schmutzkampagne im Wahlkampf aufzuklâren, haben sowohl die Sozialdemokraten von Kanzler Christian Kern als auch die Konservative ÖVP von Außenminister Sebastian Kurz angekündigt, dass sie Klage einreichen wollen. Doch beide Parteien glauben nicht daran, dass die Hintergründe der Skandale noch vor der Wahl in Österreich am 15. Oktober aufgeklärt werden. Die SPÖ regiert seit 2013 in einer großen Koalition mit der ÖVP.
SPÖ-Chef Kern nannte den schmutzigen Wahlkampf “den größten politischen Skandal der Zweiten Republik“. Die SPÖ wollte bei der Staatsanwaltschaft Anzeige gegen den Vertrauten des Konservativen-Chefs und Außenministers Sebastian Kurz wegen des Versuchs der Bestechung und Spionage. Die konservative ÖVP hatte kurz zuvor selbst Klage wegen Verhetzung gegen den Noch-Koalitionspartner angekündigt. Die SPÖ habe angeblich ohne Wissen der Parteispitze rassistische und antisemitische Inhalte von falschen Facebook-Seiten, die sich gegen Kurz richteten, in Auftrag gegeben.

2. Wer ist Tal Silberstein?

Bei einem Wahlkampfauftritt sagte der ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz in Graz, die Nationalratswahl sei auch eine Abstimmung darüber , ob “wir die Silbersteins in Österreich wollen”.

Der Israeli Tal Silberstein (49) wurde auch als “Kampagnen-Guru” bezeichnet, sein Spezialgebiet sind “Negativkampagnen”. Umfrageanalysen und Wählerbefragungen. Er hatte in Israel für Ex-Ministerpräsidenten Ehud Olmert und Ehud Barak, für Julia Timoschenko in der Ukraine sowie für Traian Basescu und Victor Ponta in Rumänien gearbeitet. In Bukarest wird allerdings auch wegen Korruption und Geldwäsche gegen Silberstein ermittelt, in Israel war er im August vorübergehend festgenommen worden. In Österreich beriet er die SPÖ schon 2002. 2006 war Silberstein am Wahlsieg von Alfred Gusenbauer maßgeblich beteiligt.
“Der Standard”:http://www.krone.at/592361 titelt “Silberstein: vom Siegesgaranten zum Sargnagel”.

Wir haben von Anfang an kritisiert, dass die SPÖ mit solchen Beratern arbeitet und Wahlkampfmethoden nach Österreich importiert, die es bei uns nicht geben sollte», schrieb die Generalsekretärin der konservativen ÖVP, Elisabeth Köstinger, auf Facebook.

Ob wir uns, wie #Silberstein & andere, gegenseitig anpatzen wollen oder #Österreich zum Positiven verändern wollen. #nrw17#kurz2017 2/2 pic.twitter.com/0QP1VgqYQj

— Sebastian Kurz (@sebastiankurz) 7. Oktober 2017

3. Fake News per Facebook?

Laut des Magazins “Profil” und der Zeitung “Die Presse” ist Tal Silberstein für die Facebook-Seite “Die Wahrheit über Sebastian Kurz” verantwortlich, auf der antisemitische und rassistische Inhalte verbreitet wurden. Allerdings wollen beide Medien die Dokumente, die das belegen sollen, nicht öffentlich machen.
Die inzwischen gesperrte Facebook-Seite – die den Eindruck einer Fanseite vermitteln sollte – hatte laut österreichischer Presse teilweise 16.000 Follower. Ihre Betreiber wurden im rechtsextremen Milieu vermutet, weil darauf hetzerische Videos veröffentlicht, eine Umfrage zur Sperrung der Grenze am Brenner veröffentlicht und Kanzler Kern kritisiert wurde.

Tal Silberstein bestritt, dass SPÖ-Chef Christian Kern von diesen Facebook-Seiten wusste.

Das Magazin “Profil” berichtete, dass die SPÖ 500.000 Euro für die Negativkampagne bereitgestellt habe.

Wir haben heute unsere neuen Plakate präsentiert. #zukunftpic.twitter.com/hCcQVzay1w

— Christian Kern (@KernChri) 22. September 2017

4. Wie sind die interne E-Mails der SPÖ an die Presse gelangt?

Seit mehreren Wochen hat die österreichische Presse interne E-Mails der SPÖ veröffentlicht. Zunächst war davon ausgegangen worden, dass diese über Mitarbeiter der konservativen ÖVP weitergegeben wurden, um sich gegen die falschen Facebook-Konten gegen Sebastian Kurz zu wehren.
Doch an diesem Samstag hat die “Kronen-Zeitung”: die Drohungen veröffentlicht, die ein Berater von SPÖ-Kanzler Kern an eine Übersetzerin geschickt haben soll, die für Tal Silberstein gearbeitet hat. Darin sollen auch üble Drohungen stehen wie: “Du kommst da auch nimma raus. Du bist die Einzige, die alle Mails bekommen hat. (…) Glaub mir, so ein Leben willst nicht führen. Oder glaubst du, die Partei lässt dich in Ruhe, wenn du sie versenkst? Die klagen dich in Grund und Boden und zerren dich durch die Arena.” Diese Nachricht soll laut Krone SPÖ-Mitarbeiter Rudi Fußi geschickt haben. Die SPÖ hat sich inzwischen von Fußi distanziert.

Stellungnahme zum Krone-Artikel. pic.twitter.com/mcUy7gxAx1

— Rudi Fußi (@rudifussi) 7. Oktober 2017

5. Wurden 100.000 Euro für den Seitenwechsel angeboten?

Wie ein Mitarbeiter von Tal Silberstein, der PR-Experte Peter Puller, erklärte, soll der persönliche Pressereferent von ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz ihm 100.000 Euro daür angeboten haben, dass er die Seite wechsle und statt für die SPÖ für die ÖVP arbeite. Puller veröffentlichte auch die SMS, die er von der ÖVP erhalten haben soll:

“Schlage vor wir treffen uns in erster Augustwoche, vielleicht weißt da schon was und wir können gleich über Honorar für PR reden”.

Die ÖVP bestreitet, Peter Puller ein solches Angbot gemacht zu haben.

Der Falter bezeichnet Puller als einen “Polit-Söldner mit besten ÖVP-Kontakten”.

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Der Wähler als Versuchstier. „Professionelles Marktforschungsprojekt, das auch international bereits üblich ist.“ https://t.co/4DNO2qRmBx

— Klaus Woltron (@woltron2) 7. Oktober 2017

“Die Presse” hat den 37-Jährigen gefragt, warum er die Schmutzkampagne auch mit Hetze auf Facebook betrieben habe – und Puller antwortet, “grundsätzlich sei es in der PR-Branche üblich, das zu tun, was der Kunde wolle”.

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