Rückkehr nach Syrien? Für viele Flüchtlinge ein zu großes Risiko

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Von Anelise Borges
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Bevor Wissam das Leben in Zaatari, dem größten Flüchtlingslager im Nahen Osten, dokumentierte, war er Student in Damaskus. Universität, Freunde, Familie - ein normales Leben - bis der Krieg vor sechs Jahren zu nahe kam.

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Bevor Wissam das Leben in Zaatari, dem größten Flüchtlingslager im Nahen Osten, dokumentierte, war er Student in Damaskus. Universität, Freunde, Familie - ein normales Leben - bis der Krieg vor sechs Jahren zu nahe kam.

"Die Auseinandersetzungen begannen und es gab mehrere Gruppen, die sich bekämpften. Wir haben beschlossen, an einen friedlichen Ort zu fliehen. Wir haben gehört, dass Zaatari für Flüchtlinge eröffnet wurde. Also habe ich mein Studium abgebrochen, um mich meinen Eltern anzuschließen", so der syrische Flüchtling Wissam Ryabi.

Syriens Krieg hat Wissams Leben und das vieler anderer für immer verändert. Doch die Kämpfe, die sein Zuhause zerstörten und seine Familie zur Flucht aus Syrien zwangen, sind weitgehend vorbei.

Durch massive Vorstöße in den Rebellengebieten in Zentral- und Südsyrien hat die Regierung die Kontrolle über den größten Teil des Landes zurückgewonnen. Die Aufständischen scheinen weitgehend besiegt, auch in Daraa, wo Wissam früher lebte und der Konflikt seinen Anfang nahm. Theoretisch könnte seine Familie jetzt zurückgehen

"Ich würde gerne nach Syrien zurückkehren. Aber es ist noch nicht sicher. Wenn ich zurückgehen würde, müsste ich zur Armee", erklärt Wissam.

Die Angst vor einer Zwangsverpflichtung hält viele junge Männer wie Wissam davon ab, in ihre Heimat zurückzukehren. Und für diejenigen, die einmal Teil des Systems waren, sind die Aussichten noch viel schlechter. "Ali" - dies ist nicht sein richtiger Name - ist einer von den tausenden Deserteuren der syrischen Armee.

"Ich wollte nicht bei dem Morden mitmachen, ich wollte einfach nur noch weg. Aber als ich meinen Pflichtdienst abgeleistet hatte, haben sie mich nicht gehen lassen. Einen Monat, zwei Monate, drei Monate... Ich konnte es nicht mehr ertragen", so "Ali", der anonym bleiben will.

Ein Dekret von Präsident Baschar al-Assad, das allen Deserteuren der syrischen Armee sowie Wehrdienstverweigerern Amnestie bietet, ist für viele nur ein politischer Schachzug - Berichte über Verhaftungen mehren sich.

"Ich habe gehört, dass Menschen, die zurückgekehrt sind, um ihre Situation mit der Armee zu regeln, auf Polizeiwachen landen, wo sie geschlagen und gefoltert werden. Dies dauert dann einige Zeit - von einer Poliz eibehörde zur nächsten ... sie bekommen viele Schläge. Und dann geht es zurück zur Armee. Sie zu verlassen ist unmöglich. Die Situation ist wirklich schlimm. Wir hören auch Geschichten über Menschen, die zur Armee zurückkehren, dann zur Polizei geschickt werden und dort verschwinden. Für drei, manchmal vier Monate. Bis heute gibt es Leute, die ich kenne von denen niemand wieder etwas gehört hat", berichtet auch "Ali".

Der Krieg in Syrien hat mehr als die Hälfte der Bevölkerung des Landes vertrieben. Fast 6 Millionen Menschen haben Zuflucht im benachbarten Jordanien, im Libanon, in der Türkei, in Ägypten und im Irak gefunden. Länder, in denen es bereits zuvor politische und wirtschaftliche Spannungen gab - noch bevor die Millionen geflüchteten Syrer gekommen sind.

Länder, die eine Initiative Russlands unterstüzten: Der Verbündete von Machthaber Baschar al-Assad seit Beginn des Konflikts sieht die Flüchtlingsfrage als eine Priorität. Russland will nun die Rückkehr der Flüchtlinge vorantreiben und erleichtern.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR dagegen erklärt, keine Intitiative zur Rückkehr von Flüchtlingen zu unterstützen. Die Lage vor Ort erlaube es (noch) nicht, Menschen nach Syrien zurückzuschicken.

"Am Ende des Tages würden die Leute gerne zurückkehren. Aus Sicht des UNHCR/ UN-Flüchtlingshilfswerk müssen sie dies jedoch in Sicherheit und Würde tun. Einige Leute werden zurückgehen, aber viele werden auch bleiben. Unsere Operation wird fortgesetzt, denn die Bedürfnisse bleiben bestehen", so Marwa Hashem vom UNHCR.

"Das ist also eine Krise, die noch lange nicht vorbei ist?", fragt die Reporterin.

"Wir haben immer gesagt, dass wir keine humanitäre Lösung suchen. Es ist eine politische Lösung, nach der wir suchen."

Doch auch wenn die Kämpfe nach acht Jahren bald wirklich beendet werden sollten, wird es bestimmt noch eine Weile dauern, bis eine politische Lösung für Syrien gefunden wird. Mit dem Sieg der Regierungstruppen ist es nun an den Behörden in Damaskus, den Menschen hier in Zaatari und auch allen anderen im Exil lebenden Syrern die nötige Sicherheit zu geben, um ihren Traum von einer Rückkehr in die Heimat irgendwann wahr werden zu lassen.

Journalist • Julika Herzog

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