Österreich verliert bei Pressefreiheit: "Schlechtes Zeugnis für die Regierung"

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Von Carolin Kuter
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"Reporter ohne Grenzen" schlägt Alarm bei der Pressefreiheit in Österreich: Die Lage dort ist laut aktueller Rangliste nur noch "zufriedenstellend". Schuld daran ist die Regierung, sagt die Vorsitzende der Organisation.

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Am Internationalen Tag der Pressefreiheit schlägt "Reporter ohne Grenzen" (ROG) Alarm: "Österreich verliert seine weiße Weste", schreibt die Vertretung der Organisation in der Alpenrepublik. Das Land ist in der aktuellen Pressefreiheit-Rangliste von Platz 11 auf Platz 16 abgerutscht. Die Lage der Pressefreiheit in Österreich gilt damit nicht mehr als "gut" sondern nur noch als "zufriedenstellend".

"Das bedeutet, dass die Demokratie angekratzt und die Medienfreiheit eingeschränkt ist", sagte Rubina Möhring von "Reporter ohne Grenzen Österreich" gegenüber euronews. Schuld an dieser Entwicklung hat für sie ganz klar die schwarz-blaue Regierungskoalition in Wien. "Das ist ein Zeugnis für die Regierung. Und kein gutes." Die Regierung von Kanzler Sebastian Kurz aus konservativer ÖVP und rechter FPÖ ist seit Dezember 2017 im Amt.

Vor allem die FPÖ macht immer wieder mit Angriffen gegen Journalistinnen und Journalisten von sich reden - zuletzt als der Generalsekretär und Europa-Spitzenkandidat der Partei, Harald Vilimsky, die Absetzung von ORF-Moderator Armin Wolf forderte. Wolf hatte Vilimsky in der vergangenen Woche mit einem FPÖ-Wahlplakat konfrontiert, das er mit einer Darstellung aus der NS-Zeitung "Der Stürmer" verglich. Der von der FPÖ nominierte ORF-Stiftungsrat Norbert Steger legte dem Moderator nahe, ein "Sabbatical" zu nehmen. Parteichef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache forderte erneut die Abschaffung der Rundfunkgebühren. Die Regierung hatte eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ORF angekündigt. Die FPÖ drängt auf eine Abschaffung des gebührenfinanzierten Modells hin zu einer Finanzierung direkt aus Steuermitteln. Die ÖVP hält sich bei dem Thema zurück. 

Auf Wolfs Karriere und dessen Arbeitsweise habe das wohl keine Auswirkung, so Möhring. Der Moderator sei beliebt und sitze sicher in seinem Stuhl. "Aber diese Worte sind gefallen, dann muss man sie auch ernst nehmen", so die ROG-Vorsitzende. 

Möhring sieht dabei ausdrücklich beide Koalitionspartner in der Verantwortung. "Die haben eine Aufgabenteilung: Die FPÖ prescht vor und Kurz kalmiert, aber eher lauwarm." So geschehen im Fall Wolf: Er sei ein Fan unabhängiger Medien sagte der Regierungschef, der eine Woche nach dem Vilimsky-Interview Gast in Wolfs Sendung war. Auf die Rücktrittsforderungen der FPÖ gegen den Moderator ging er nicht ausdrücklich ein. Bei einem Koalitionspartner gebe es immer etwas, das einem nicht gefalle, so Kurz.

Ein weiteres Beispiel: Im September forderte das Innenministerium die Polizei dazu auf, die Kommunikation mit kritischen Medien "auf das nötigste Maß zu beschränken", wie österreichische Medien berichteten. Kurz sagte daraufhin, dass jede Einschränkung der Pressefreiheit inakzeptabel sei. Medien wie "Der Standard" beklagen jedoch, dass ihre Anfragen immer seltener beantwortet werden oder sie von Hintergrundgesprächen ausgeschlossen werden.

"Kurz müsste sich die FPÖ irgendwann mal zur Brust nehmen"

"Kurz müsste sich die FPÖ irgendwann mal zur Brust nehmen, rote Linien aufzeigen, aber das macht er offenbar nicht so ernsthaft", so Möhring. Stattdessen blase er, wenn auch moderater, ins selbe Horn: Ende März beschuldigte er den ORF, "eine ultimative Form der Falschinformation" in einem Bericht über einen Streit mit der Opposition zur Parteienfinanzierung verbreitet zu haben. Der Redakteursrat des ORF wies das von sich. Möhring: "Kurz lässt deutlich merken, welche Berichterstattung ihm gefällt und welche nicht."

ROG Österreich

Zwar gebe es weiterhin eine kritische Bericherstattung, so die ROG-Vorsitzende. Sie befürchte jedoch, dass Drohungen und Kritik durch Politiker zunehmend Auswirkungen auf die Berichterstattung haben. Bei Journalistinnen und Journalisten könne eine "Schere im Kopf" entstehen. 

Bereits jetzt gebe es immer mehr "Hofberichterstattung": Ein Beispiel sei der sehr wohlwollende Kommentar des ORF2-Chefredakteurs Matthias Schrom zur Steuerreform der Regierung, die am Dienstag vorgestellt wurde. Bisher habe immer der Leiter der Innenpolitik solche Ereignisse kommentiert. Möhring: "Daran, dass solche Dinge geschehen, merkt man, dass etwas faul ist."

Möhring: Pressefreiheit in Deutschland weniger gefährdet

Auch in Deutschland gibt es solche Vorfälle. So forderte AfD-Chef Jörg Meuthen den WDR dazu auf, den Journalisten Georg Restle nach einem kritischen Kommentar zu entlassen. Laut Möhring steht die Medienfreiheit in der Bundesrepublik aber auf festeren Sockeln als in Österreich. Sie gehe nicht davon aus, dass Deutschland in naher Zukunft im Pressefreiheitsranking bald nur noch als Land mit "zufriedenstellender Lage" eingestuft werde. Positiv beurteilt sie auch, dass sowohl in Deutschland als auch in Österreich viel über den Internationalen Tag der Pressefreiheit und die Probleme in Österreich berichtet werde. "Das kann der Anfang einer kritischen Berichterstattung über das Thema sein."

"Reporter ohne Grenzen" beklagt jedoch den Rückgang der Pressefreiheit in Europa allgemein. Die österreichische Regierung liege "im Trend". In keiner anderen Weltregion habe sich die Lage der Pressefreiheit im vergangenen Jahr so stark verschlechtert wie in Europa, so die Organisation 2018. Der Grund sei die "medienfeindliche Hetze durch Regierungen und führende Politiker". "Ich glaube, man muss sich generell Sorgen machen", so Möhring.

Die größte Gefahr für die Pressefreiheit seien die Rechtspopulisten, die in vielen Ländern Europas an der Regierung sind oder wachsenden Einfluss haben: "Sie neigen dazu, autokratisch zu regieren und argumentieren mit Sicherheit, das gibt ihnen mehr Kontrolle über die Gesellschaft." Zudem nennt Möhring die Journalistenmorde, die in jüngster Zeit für Aufsehen sorgen: "Malta, Ungarn, Polen, Slowakei. Das zieht so seine Kreise. Man kann nur hoffen, dass die Rechtspopulisten bei der Europawahl nicht stärker werden."

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