Russland: Polizei-Razzia bei Chefredakteur von Nachrichtenportal "The Insider"

Durchsuchung einer Wohnung durch die Polizei
Durchsuchung einer Wohnung durch die Polizei Copyright AP/Pavel Golovkin
Von Euronews mit AP
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Die russische Polizei hat eine Razzia in der Wohnung des Chefredakteurs vorgenommen. Es ist der jüngste Schritt der Behörden, um den Druck auf unabhängige Medien im Vorfeld der Parlamentswahlen im September zu erhöhen.

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Die russische Polizei hat eine Razzia in der Wohnung des Chefredakteurs des investigativen Nachrichtenportals The Insider vorgenommen. Die Online-Plattform war erst vor kurzem von den russischen Behörden als "ausländischer Agent" eingestuft worden. Es ist der jüngste Schritt der Behörden, um den Druck auf unabhängige Medien im Vorfeld der Parlamentswahlen im September zu erhöhen.

Roman Dobrochotow, Chefredakteur bei The Insider, twitterte am Mittwochmorgen, dass "die Polizei an die Tür seiner Wohnung klopft". "Sieht nach einer Razzia aus", twitterte Dobrochotow. Wenig später gab er seine Adresse bekannt und schrieb dazu: "Ein Anwalt würde nicht schaden".

OVD-Info, eine Rechtshilfegruppe, die politische Verhaftungen überwacht, erklärte, dass Dobrochotows Frau die Hotline der Gruppe angerufen und eine Polizeirazzia gemeldet habe, bevor ihr Telefon nicht mehr erreichbar war. Ein Anwalt machte sich daraufhin auf den Weg zu Dobrochotows Wohnung.

Russische Oppositionsanhänger:innen, unabhängige Journalist:innen und Menschenrechtsaktivist:innen sehen sich vermehrt dem Druck durch die Regierung ausgesetzt. Im September stehen Parlamentswahlen an, die als Stimmungstest für Wladimir Putin gelten, der seine Macht vor den Präsidentschaftswahlen 2024 weiter festigen will. 

Der 68-jährige russische Staatschef, der seit mehr als zwei Jahrzehnten an der Macht ist, hat im vergangenen Jahr Verfassungsänderungen durchgesetzt, die es ihm ermöglichen, bis 2036 zu regieren.

In den letzten Monaten hat die russische Regierung mehrere unabhängige Medien und Journalist:innen als "ausländische Agenten" gebrandmarkt - ein Etikett, das eine zusätzliche staatliche Kontrolle impliziert und starke abwertende Konnotationen enthält, die derartige Medien in Verruf bringen können. Betroffen sind gemeinnützige Organisationen, Medien und Einzelpersonen, die ausländische Finanzierung erhalten und sich an Aktivitäten beteiligen, die im weitesten Sinne als politisch bezeichnet werden können.

Zu den betroffenen Medien gehören VTimes und Meduza. VTimes musste schließen, weil Werbekunden wegbrachen und Meduza startete eine Crowdfunding-Kampagne, nachdem das gleiche Problem aufgetreten war.

Das Portal The Insider, das in Lettland registriert ist und seit 2013 besteht, hat Untersuchungen über Korruption und Missbrauch durch russische Beamte veröffentlicht, über angebliche verdeckte russische Aktionen in der Ukraine und in Syrien berichtet. Das Portal informierte auch über die Vergiftung des russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny und über den Abschuss der Passagiermaschine MH17 über der Ukraine. Es ist das jüngste Nachrichtenportal, das das Label "ausländischer Agent" verpasst bekommen hat.

Gegenüber Medien erklärte Dobrochotow, The Insider werde weiterhin wie gewohnt im Einklang mit den lettischen Gesetzen arbeiten und die Auflagen des Gesetzes über ausländische Agenten nicht erfüllen.

Russland nutzte das Gesetz, um gegen den von den USA finanzierten Sender Radio Free Europe/Radio Liberty hohe Geldstrafen zu verhängen, weil er es versäumt hatte, sein Material als von "ausländischen Agenten produziert" zu kennzeichnen. Der Sender hat den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gebeten, einzuschreiten.

Bei der Durchsuchung wurden Dobrochotows Telefone, Laptops, Tablets und sein Reisepass beschlagnahmt. Auch die Wohnung seiner Eltern wurde The Insider zufolge durchsucht.

Nach Angaben von The Insider stehen die Durchsuchungen möglicherweise im Zusammenhang mit einem Verleumdungsverfahren, das im April aufgrund einer Beschwerde des niederländischen Bloggers Max van der Werff gegen Dobrochotows eingeleitet wurde und das The Insider beschuldigt hatte, mit den russischen Geheimdiensten zusammenzuarbeiten.

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